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1.3. Die zweite Generation von Historikern des Chassidismus

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Die von Dubnow, Dinur und Mahler gebotene monokausale Erklärung für die Entstehung einer derart tiefgreifenden Reformströmung als Resultat einer sozial-ökonomisch bzw. politisch konnotierten Krise wurde durch eine zweite Generation von Gelehrten, die sich dem osteuropäischen Chassidismus widmeten, heftig kritisiert. Zu jenen Wissenschaftlern gehören an erster Stelle Jacob Katz, Jeschajahu Schachar (1935–1977), Schmu’el Ettinger und Israel Halperin (1910–1971).

Jacob KatzJacob Katz (1904–1998) beschrieb in seiner einflussreichen Studie „Tradition and Crisis“ (erstmals im Jahre 1958 auf Hebräisch veröffentlicht) Chassidismus und Haskala als wesentliche Wendepunkte der traditionellen jüdischen Gesellschaft. Die Auffassung, der Chassidismus ließe sich auf einen wirtschaftlichen Niedergang oder auf die Unzufriedenheit der unterdrückten jüdischen Bevölkerungsmehrheit mit ihren Lebensumständen – also wesentlich auf äußere Umstände – zurückführen, könne einen so weit reichenden innerjüdischen Umbruch nicht erklären. Katz diagnostizierte eine Erosion traditioneller Strukturen im Innern des polnisch-litauischen Judentums, die er als eine Schwächung der Bindung des Individuums an kommunale Institutionen und deren Repräsentanten beschrieb. Allerdings, so müsse einschränkend festgehalten werden, könne ein Verlust an innerem Zusammenhalt zwar den Erfolg des Chassidismus in bestimmten Regionen Ost- und Ostmitteleuropas verstehen helfen, nicht aber die Entstehung des Chassidismus als solchem.

Wir sehen uns daher zu dem Schluß gezwungen, daß die neue Bewegung des Chassidismus in der Tat dank bestimmter sozialer Umstände entstehen und auf der Grundlage früherer religiöser Veränderungen und Prozesse wachsen und gedeihen konnte, was ihre Inhalte und Werte, ihr Erscheinungsbild und ihre historische Entwicklung betrifft, jedoch etwas Neues darstellte. Alle vorherigen Entwicklungen sollten allenfalls als konstituierende oder stimulierende Elemente der Bewegung verstanden werden. […] Die chassidische Bewegung läßt sich am besten mittels eines Vergleichs mit ähnlichen geschichtlichen Erscheinungen verstehen, insbesondere mit den Ausbrüchen charismatischer Religiosität, deren Kraft und Autorität auf das Bewußtsein einer unmittelbaren Berührung mit der Sphäre des Göttlichen zurückgehen. (Katz, Tradition, S. 231)

|9|Für Katz präsentierte sich der osteuropäische Chassidismus als eine spirituelle Revolution, die auf einem „Ausbruch“ an charismatischen Führungspersönlichkeiten basierte. Diese, die Zaddikim, hätten den bisher marginalisierten jüdischen Massen einen institutionellen Rahmen geboten, durch den sie Anteil an der spirituellen Nähe des Charismatikers zum Ewigen erlangten. Infolge dieser neuen Konstellation sei es insofern zu einer „doppelten Revolution“ gekommen, als dass die neuen religiösen Erfahrungen zu tiefgreifenden Änderungen der Sozialstruktur geführt hätten (S. 242–245).

Schmu’el EttingerSchmu’el Ettinger (1919–1988) betonte in seinen zahlreichen Essays zum Thema (vgl. On the History of the Jews in Poland and Russia. Collected Essays, Jerusalem 1994) hingegen eher die Kontinuität und Kooperation zwischen den Zaddikim und dem kommunalen Establishment. Er vermochte in den Aktionen der chassidischen Führungspersönlichkeiten und ihrer Anhänger weder einen revolutionären Bruch, noch eine subversive, die traditionelle Gesellschaft unterminierende Absicht zu erkennen.

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