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1.1. Im Schatten der Aufklärung

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Die ersten, die sich dem Phänomen Chassidismus gewissermaßen als Außenbeobachter widmeten und eine westeuropäisch geprägte Öffentlichkeit davon in Kenntnis zu setzen suchten, waren Maskilim – von der jüdischen Aufklärung (השכלה/Haskala) geprägte Intellektuelle |6|wie Josef Perl (1773–1839) oder Isaak Ber Levinsohn (1788–1860). Josef Perl und Isaak LevinsohnFür diese Männer, die sich dem Kampf um die moderne Bildung und Emanzipation der osteuropäischen Juden verschrieben hatten, stellte sich der Chassidismus als Rückfall in äußerste Rückständigkeit und als ein Paradebeispiel für denjenigen Obskurantismus dar, den man unbedingt bekämpfen wollte. In Denkschriften an die christliche Obrigkeit – wie Perls „Uiber das Wesen der Sekte der Chassidim. Aus ihren eigenen Schriften gezogen“ (1816) – und in zahlreichen Satiren und Parodien (vgl. die דברי צדיקים/Divré Zaddiqim; „Worte der Gerechten“, die Perl gemeinsam mit Levinsohn verfasste) attackierten sie die sich weiter ausbreitende Bewegung.

Heinrich GraetzEine ähnliche Haltung eignete auch dem großen Historiker Heinrich Graetz (1817–1891), der in seiner berühmten „Geschichte der Juden. Von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart“ (11 Bände, 1853–1875) „das neue Chaßidäertum“ (Bd. 11, S. 95) geradezu als Trotzreaktion der ‚Altfrommen‘ gegen das vernünftige Denken Moses Mendelssohns (1729–1786) deutete.

Die neue Sekte, eine Tochter der Finsternis, ist im Dunkel geboren und wirkt auch noch heute auf dunkeln Wegen fort. Nur wenige Umstände, die zu ihrer Entstehung und Fortpflanzung beigetragen haben, sind bekannt. Ihre ersten Begründer waren Israel aus Miedziboz (geb. 1698, starb 1. Juni 1759) und Beer aus Mizricz (geb. um 1700, starb 1772). Der erstere erhielt von seinen Verehrern und Gegnern in gleicher Weise den Beinamen […] Baal-Schem oder Baal Schemtob und in der damals beliebten Abkürzung Bescht. So unschön wie der Name Bescht, war das Wesen des Stifters und der Orden, den er ins Leben gerufen hat. (Graetz, ibid., S. 96; Hervorhebungen im Original)

Simon DubnowEtwas differenzierter, aber dennoch von der aufklärerischen Gegnerschaft zu „Wunderglauben“ und „Phantasmen“ (Bd. 1, S. 23) bestimmt, beschrieb Simon Dubnow (1860–1941) in seiner „Geschichte des Chassidismus“ (Berlin 1931) das nämliche Phänomen. Das zweibändige Werk, während seines Berliner Exils vollendet, wird noch heute viel rezipiert. Es ist die erste Arbeit, die tatsächlich auf umfangreichem Quellenstudium fußt. Andererseits sah sich der Historiker Dubnow, der damaligen Interpretation von Wissenschaft folgend, in einer Doppelrolle als „Forscher und Richter“ (S. 12), was den Wert seiner Darstellung zuweilen beeinträchtigt. So nahm er den osteuropäischen Chassidismus als eine nach einigen hoffnungsfrohen Ansätzen degenerierte Unternehmung wahr. Während er den charismatischen Führungsgestalten (צדיקים/Zaddikim) der ersten Generationen noch kreative und innovative Ansätze zugestand, betrachtete er die Strömung ab etwa 1815 wegen des „Zaddikismus“, dem alle positiven Ansätze absorbierenden Kult um den Zaddik, als im Niedergang begriffen.

Chassidismus

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