Читать книгу Krimi Doppelband 122 - Zwei spannende Krimis - Theodor Horschelt - Страница 9

Kapitel Eins

Оглавление

Elf Tage früher

Jedes Jahr im Januar verspürte Richard McCord ein Gefühl der Erleichterung, dass die Feiertage hinter ihm lagen und nicht mehr so viel von seiner Aufmerksamkeit vereinnahmten. Zu Beginn eines jeden neuen Jahres war er jedoch, wie in den letzten Jahren, ein wenig beunruhigt darüber, was wohl die Zukunft bringen würde.

Bei einem Treffen am Neujahrstag mit ein paar Freunden war es in den Gesprächen zwischen den Fernsehübertragungen von Footballspielen um die guten Vorsätze gegangen – Gewicht reduzieren, Rauchen aufgeben, Trinken aufgeben -, die üblichen guten Vorsätze also, die sich bereits vor dem Ende des Monats in Luft auflösen würden. Er hatte nie etwas für gute Vorsätze zum neuen Jahr übrig gehabt, hielt sie für völlige Zeitverschwendung und hatte daher wenig zum Gespräch beizutragen, da er schon vor einigen Jahre Rauchen und Trinken aufgegeben hatte.

Sich von seinen Abhängigkeiten zu trennen hatte viel Mut und Willenskraft erfordert, aber Richard hatte es geschafft. Heutzutage würde er sagen, dass es in gewisser Weise ein ständiger täglicher Kampf war, aber er hatte die Sucht überwunden und die Trauer verarbeitet, wegen der er sich eine Weile lang an die Flasche geklammert hatte. Trotzdem fragte er sich zu Beginn eines jeden Jahres, ob er ein weiteres Jahr überstehen könnte und ob es nicht eines sein würde, das ihn zurück an dunkle Orte bringen würde - an Orte, an die er nicht zurückkehren wollte.

Seine Angst vor den Feiertagen hatte zu der Zeit begonnen, als seine Eltern 22 Jahre zuvor umgekommen waren.

Ihr plötzlicher Tod hatte ihn in eine Depression fallen lassen, und es hatte Monate gedauert, den Kummer zu verarbeiten. An die ersten Jahre nach ihrem Tod erinnerte er sich kaum mehr. Er trank zu viel, und deswegen hatte in seinem Kopf ein ständiger Nebel geherrscht. Eigentlich hatte er das genau gewusst, und zwischen diesen lichten Momenten und den durchgeknallten Frauen, die er während seiner betrunkenen Phasen in sein Leben gebracht hatte, würde er inzwischen zugeben, dass er sich selbst verloren hatte.

Er war sehr wütend darüber gewesen, dass seine Eltern von einem betrunkenen Raser, der von der Polizei verfolgt wurde, angefahren und tödlich verletzt worden waren. Sie begraben zu müssen war eine der schwierigsten Dinge, die er je in seinem Leben getan hatte. Er konnte sich noch an den schrecklichen Tag auf dem Friedhof erinnern, als er schluchzend auf die Knie fiel, überwältigt von der Trauer.

Damals ertränkte er seinen Kummer in Alkohol und hätte allzu oft nicht am Steuer eines Autos sitzen dürfen. Dabei hatte er die Ironie seiner Handlungen gar nicht erkannt.

Um dieser Ironie noch einen draufzusetzen, schwor er dem Alkohol ab und wurde Ermittler. Kein gewöhnlicher Polizeibeamter, sondern ein vom Staat Kalifornien lizenzierter Privatdetektiv.

Anfangs arbeitete er mit Jack Gladson zusammen, einem erstklassigen kalifornischen Privatdetektiv, der seit vielen Jahren im Geschäft war. Gladson schaffte es mit seiner Beteiligung an prominenten Fällen in die Spätnachrichten: Scheidungen, Misshandlungen des Ehegefährten, Fälle dieser Art. Er war definitiv einzigartig und in Südkalifornien wohlbekannt. Oft unausstehlich, oft unverschämt. Aber normalerweise erledigte Gladson seinen Auftrag. Und bei seiner Arbeit hatte er sich ebenso wie seine zufriedenen Kunden viele Feinde gemacht.

Richard war der gute Freund eines Barkeepers geworden, also hing er weiter an der Theke herum, auch nachdem er nüchtern war. Dort war er Jack Gladson begegnet, der ein Stammgast war. Eines Nachts während eines Billardspiels fasste Gladson eine Zuneigung zu Richard, und das war der Beginn einer Freundschaft gewesen.

Gladson bot Richard bald einen Vollzeitstelle als Ermittler an. Er nahm ihn unter seine Fittiche und lehrte Richard viele der Besonderheiten des Detektiv-Geschäfts. Richard hatte bereits einen Abschluss in Rechtswissenschaften und einige Zeit bei der Staatsanwaltschaft in der Grafschaft absolviert. Als seine Trinkerei zu heftig geworden war, hatte er diese Stelle aufgegeben. Anstatt sich feuern zu lassen, hatte er von sich aus gekündigt. Als Gladson ihn also als Ermittler einstellte, fehlte Richard noch der letzte Schliff. Gladson forderte ihn sogar heraus, bis an die Grenzen des Gesetzes zu gehen und sich ab und zu leise um diese Grenzen herumzuschleichen und seine Spuren zu verwischen.

Richard würde zugeben, dass Gladson ihn gut unterrichtet hatte. Er wusste, dass der Weg zwischen Recht und Unrecht sehr schmal sein konnte, und er liebte die Herausforderung, auf Zehenspitzen diesen Weg entlang zu gehen – dabei aber niemals zu weit zu gehen.

Jahrelang war Jack Gladson über diesen schmalen Grat geschritten; vor etwa zehn Jahre jedoch war er zu weit gegangen und wegen mehrerer Fälle von Veruntreuung und Einbruch verhaftet worden.

Richard war über Gladsons Verhaftung genauso schockiert wie alle anderen, einschließlich all der Ermittler, die oft mit Gladson zusammengearbeitet hatten. Sein erster Gedanke war, dass Gladson verleumdet worden war. Er war in diesem Glauben nicht allein, da mehrere ihm bekannte Polizisten diese Theorie ebenfalls für wahr hielten. Schließlich war allgemein bekannt, dass sich Jack Gladson im Lauf der Jahre mehr als eine Handvoll Feinde gemacht hatte, die alle in der Lage sein konnten, ihn eine Falle zu stellen.

Bald darauf hatte Richard herausgefunden, dass Gladson so schuldig war, wie er schuldiger nicht hätte sein können. Es hatte eine Fülle von Beweisen gegen ihn gegeben. Aus irgendeinem Grund hatte Gladson den Punkt erreicht, an dem er geglaubt hatte, er stünde über dem Gesetz. Jedoch krachte das Gesetz hart auf ihn herab. Er kam vor Gericht, wurde für schuldig befunden und zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. Vor und während des Prozesses leisteten die Medien gute Arbeit bei Gladson und vernichteten ihn noch heftiger, als es die Staatsanwaltschaft getan hatte. Gladson verlor mehr oder weniger den Lebensmut und war vor zwei Jahren im Gefängnis gestorben, ein gebrochener Mann.

Nach Gladsons Verhaftung war Richard zumindest vorübergehend arbeitslos gewesen. Dann stellte er sich auf eigene Füße und eröffnete eine eigene Detektei.

Richard McCord untersagt es jedem gleich von vornherein, ihn „Dick“ zu nennen. Andernfalls wird er sauer. Einige nennen ihn einen Bastard. Er sagt, er weiß nicht, warum, da er behauptet, ein netter Kerl zu sein. Er gibt zu, dass er vielleicht starrsinnig sei, vielleicht sogar hart, aber er weiß, dass er verdammt gut in seinem Job ist. Er sagt, dass man ihn nicht mögen, nur angemessen bezahlen muss, und er wird den Job erledigen. Und ihn gut erledigen.

Und das war es, was er zu dieser späten Stunde tat.

*

Richard McCord saß in seinem SUV im Dunkeln und hörte Countrymusik im Radio, während er die Bar auf der anderen Straßenseite durch den leichten Nebel beobachtete, der sich bildete. Er wartete darauf, dass Trigger Conway Murphy's Bar verlassen und in seinen kirschroten Chevy Pickup steigen würde.

Mehrere Pickups und ein paar Motorräder standen auf dem Parkplatz vor der Bar. Murphy's befand sich auf dem Gebiet des Los Angeles County, jenseits der Stadtgrenzen der umliegenden Gemeinden, und nicht in der edelsten Gegend, ebenso wenig war es eine stilvolle Bar. Murphy's war bekannt dafür, dass dort raue und oft rüpelhafte Gäste verkehrten, und Richard wusste, dass Trigger Conway genau zu dieser Art von Gästen passen würde.

Conway hatte sich schon als Kind den Spitznamen Trigger verdient. Er hatte ein leicht aufbrausendes Temperament, das durch den geringsten Anlass zum Ausbruch kam. Er war die meiste Zeit seines Lebens ein Krimineller gewesen. Einmal, vor Jahren, während seiner Zeit im Büro des Staatsanwalts, hatte Richard mit einer Frau gesprochen, die mit Conway in der Junior High School gewesen war.

"Er wurde sehr wütend, als unser männlicher Klassenlehrer ihn zur Rede stellte", hatte sie Richard erzählt. "Conway war ein großer Junge, und er flog förmlich wütend aus seiner Schulbank, als der Lehrer auf ihn zukam, nachdem er ihm einen Verweis wegen seines Benehmens erteilt hatte. Ich hatte Angst, da ich am Tisch hinter Conway saß. Es kam zur Schlägerei, sie landeten draußen vor dem Klassenzimmer und wälzten sich kämpfend Gras. Der Lehrer blieb Sieger, aber nur knapp. Er konnte Conway endlich den Arm auf den Rücken drehen und brachte ihn gewaltsam ins Büro des Schulleiters für weitere Disziplinarmaßnahmen."

Richard hatte die Frau gefragt: "Wurde er der Schule verwiesen?"

Sie antwortete, dass der Lehrer am Ende einen Eisbeutel auf sein Gesicht bekam und am nächsten Tag mit einem schönen blauen Auge, das noch geschwollen und verfärbt vom Kampf war, in den Unterricht kam. Conway erhielt Unterrichtsverbot für eine Woche. Danach nannten sie ihn „Trigger“, „Auslöser“.

Trigger Conway machte seinem Namen und seinem Ruf mit dem Finger am Abzug verschiedenster Waffen immer mehr Ehre. Er hatte mehr als einmal wegen Übergriffen mit tödlichen Waffen und wegen Drogenbesitzes im Gefängnis gesessen. Seine letzte Strafe endete vor etwa drei Jahren. Die traurige Sache ist, dachte Richard, dass Trigger Conway immer noch im Chino State Prison einsitzen sollte.

Richard McCord war von Dr. Frank Howard, einem hiesigen Zahnarzt, engagiert worden, um Probleme zu untersuchen, die der Zahnarzt hatte. Während Richards Voruntersuchung des Falles entdeckte er, dass Trigger Conway Sekundärelement des Hauptfalles war, aber selbst so wollte Richard sehen, was Conway vorhatte. Mit Sicherheit nichts Gutes, wenn man Conways kriminellen Hintergrund bedachte. Richard war ihm in den letzten Tagen kreuz und quer durch die Stadt gefolgt.

Richard wollte auch mehr über die Frau erfahren, mit der Conway herumlief. Er hatte herausgefunden, dass sie eine professionelle Tänzerin war und unter dem Namen Mandy Covers auftrat, nicht unter ihrem Geburtsnamen. Sie tanzte nicht Ballett, sondern Pole Dance und andere erotische Tänze, die viele Männer mochten. Richard würde wahrscheinlich klein beigeben und sie eines Nachts in der Crystal Lounge tanzen sehen müssen, wo sie am Wochenende auftrat, obwohl sie heute Abend, dachte Richard, Two-Step mit Trigger Conway tanzen mochte.

Zuvor war Richard über die Straße auf den Parkplatz der Bar gegangen und hatte einen Blick auf den kirschroten Pickup von Conway geworfen. Der Wagen stand in der Nähe eines Laternenpfahls und nahm zwei Parkplätze ein. Er bemerkte, dass das Innere so makellos war wie die Lackierung - schwarzes Leder und Hartholz, und der einzige unpassende Gegenstand in der Kabine war offenbar eine Baseballkappe.

Als Richard zu seinem SUV zurückkehrte, entschied er, dass Conway einige Dollar in den Truck gesteckt hatte, um ihn individuell anzupassen. Er setzte sich in seinen SUV und machte es sich bequem, da es ein langer Abend werden konnte. Er konnte die Musik der Country-Band schwach über seiner eigenen Radiomusik hören, und noch deutlicher, wenn die Leute die Tür öffneten, um die Bar zu betreten oder zu verlassen.

Gegen zwei Uhr morgens entschied Richard, dass Trigger Conway wahrscheinlich zu betrunken zum Tanzen sein würde. Und er wusste, dass er mit Sicherheit eine gute Distanz hinter dem Chevy-Truck wahren würde, wenn Conway die Bar verließ. In der Tat könnte er, wenn er bemerkte, dass Conway herumtorkelte, die örtlichen Polizisten rufen, um ihn hopps zu nehmen.

"Verstehst du, was ich meine?“, murmelte Richard vor sich hin. „Ich bin ein netter Kerl, der immer auf andere aufpasst und die Unschuldigen vor den Arschlöchern beschützt."

Der Nebel wurde jetzt immer dichter, und weil er das Fenster auf der Fahrerseite herabgelassen hatte, war sein Kaffee kalt geworden, also leerte er die Tasse aus dem Fenster, griff nach seiner Thermoskanne und goss frischen Kaffee nach.

Er wollte gerade einen Schluck trinken, da sah er, wie sich die Tür der Bar öffnete und ein großer Mann mit einer Frau herauskam, rasch gefolgt von mehreren anderen Leuten. Es war Feierabend, und die Bar leerte sich.

Richard beobachtete, ob der große Kerl, den er für Trigger Conway hielt, zum kirschroten Chevy Pickup ging. Er ging auf ihn zu, nicht weiter dahinter kam die Frau. Als er die Fahrertür des Pickups fast erreicht hatte, sah Richard einen Blitz, dem Sekundenbruchteile später der scharfe Knall zweier Schüsse folgte. Conway wurde anscheinend von zwei Kugeln getroffen, die ihn gegen den Truck warfen, und er stürzte und verschwand aus Richards Sichtfeld.

Richard konnte nicht sagen, wo der Schütze war. Die Leute schrien und schrien, spritzten auseinander und verschwanden hinter geparkten Autos auf dem schwach beleuchteten Parkplatz. Er schnappte sich sein Handy und wählte den Notruf. Dann sprang er, seine Glock 17 in Bereitschaft, aus seinem SUV und wollte auf den Parkplatz rennen.

Sekunden später stand er wieder neben seinem Fahrzeug; die Waffe noch in der Hand, aber wieder bei klarem Verstand. Er wusste, dass es keine gute Idee war, mit einer Waffe auf den Parkplatz zu laufen, während ein Schütze dort war und während die Polizisten auf dem Weg zum Tatort waren.

Er rutschte auf seinen Fahrersitz, rief das Sheriff's Department erneut an, teilte dem Dispatcher mit, wer er war und dass er seinen SUV auf der Straße geparkt hatte, direkt gegenüber der Bar. Er würde dort bleiben, um mit den Polizisten zu reden.

Die Polizei traf innerhalb weniger Minuten ein, und Richard entdeckte bald, dass Trigger Conway tot war. Beide Kugeln hatten ihr Ziel getroffen und ihn anscheinend auf der Stelle getötet.

Und der Schütze war nicht bekannt.

Die Frau, die mit Conway aus der Bar gekommen war, war nicht mehr da. Sie war in dem anschließenden Chaos verschwunden. Die Polizisten wollten mit ihr reden, aber niemand kannte sie. Richard beschloss, sich aus der Sache herauszuhalten, da er nicht genau wusste, ob die Frau diejenige war, für die er sie hielt.

Er vermutete, dass er bald die Crystal Lounge aufsuchen würde, um sich den Pole Dance anzusehen.

Manchmal hat seine Arbeit ihre angenehmen Seiten, aber eine Frau zu fragen, warum ihr Date erschossen wurde, ist vielleicht nicht so angenehm oder sogar produktiv.

Es könnte eine Menge Überzeugungsarbeit erfordern, um ein lohnendes Gespräch mit Mandy Covers zu führen, besser bekannt als Zahnarzthelferin Mandy Freidman.

Wenn sie auf große Männer stand, würde Richard mit seinen zwei Metern in dieses Profil passen, und er sah auch noch gut aus. Er konnte sein warmes Lächeln anknipsen und die Dame betören, und vielleicht würde sie reden.

Sollte das nicht funktionieren, würde er den Zahnarzt aufsuchen. Schließlich arbeitete er für Mandy Freidmans Chef, Dr. Frank Howard.

Howard, ein Zahnarzt, hatte drei Praxen in der Gegend. Er hatte auch ein Dentallabor in San Dimas, das alle Laborarbeiten für seine Zahnarztpraxis und für andere in der Region erledigte.

Und es war das Labor, das offenbar die Probleme bereitete, zu deren Lösung er Richard McCord engagiert hatte. Der Arzt hatte aber auch noch ein anderes kleines Problem. Ein Großteil seines Geldes war aus seiner Praxis verschwunden.

Veruntreuung? Richard schätzte, dass es so aussah. Und das in großem Stil.

Aber Richard wusste, dass mehr an der Geschichte dran sein könnte.

Dr. Frank Howard fehlten nicht nur das Geld, sondern auch die Rezeptblöcke, und das kalifornische Justizministerium hatte kürzlich Drogenfahnder geschickt, die Dr. Howard einen Besuch abstatteten. Howard stritt ab, die auf mehreren seiner Rezepten aufgeführten Betäubungsmittel verschrieben zu haben, die in verschiedenen Apotheken der Region abgeben worden waren.

Die Frage war also, ob Dr. Frank Howard diese Rezepte nicht ausgefüllt hatte, wer sonst Zugang zu seinen Unterlagen hatte und wer seine Unterschrift gefälscht hatte.

Das hieß, wenn seine Unterschrift gefälscht worden waren, wie es der Zahnarzt beharrlich behauptete.

Krimi Doppelband 122 - Zwei spannende Krimis

Подняться наверх