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ОглавлениеKapitel 5
Reico:
„Das nenne ich mal eine Sammlung. Alle Achtung. Du stehst wirklich auf das Zeug“, murmle ich staunend vor mich hin und sehe mich mit großen Augen um. Ich habe gewusst, dass Rayek auf Comics steht, aber mit derart vielen Exemplaren habe ich nicht gerechnet. Sein gesamtes Wohnzimmer scheint voll davon zu sein. In den Schränken befindet sich nichts anderes. Da der Platz nicht ausreicht, hat er zusätzliche Regale an den Wänden angebracht, die fast gänzlich belegt sind. Keine Ahnung, wohin er die nächsten unterbringen möchte, denn seine Vierzig Quadratmeter Wohnung ist nicht die geräumigste.
„Manga.“
„Wie bitte?“ Irritiert blicke ich auf und auf seinen Rücken. Er kniet vor einem der Schränke und besieht sich ein paar Bände.
„Das Zeug nennt man Manga“, korrigiert er mich sachlich, während er noch immer seine Sammlung absucht.
„Ah, ja. Sorry.“ Ich schmunzle und knie mich dann neben ihn. „Kannst du mir einen davon empfehlen?“
Er wendet seine saphirblauen Augen nicht von den Büchern ab und legt die Stirn in Falten. Ich unterdrücke ein Grinsen, doch ein Lächeln kann ich mir nicht verkneifen. Er wirkt niedlich, wenn er seine japanischen Comics derart konzentriert studiert.
„Mh … ich bin mir nicht sicher. Für was interessierst du dich den normalerweise? Mehr lustige Sachen, dramatische oder eher etwas in die fantastische Richtung?“
Ich denke kurz ernsthaft nach und zucke mit den Schultern. Comics oder Manga habe ich bisher keine gelesen. Ich wollte es mal ausprobieren. Doch eigentlich bin ich hauptsächlich aus einem anderen Grund hier. Ich weiß nur nicht, wie ich auf das Thema zu sprechen kommen soll, denn ich kann mir vorstellen, dass Rayek nicht begeistert sein wird.
„Also ich glaube, mir könnte was in Richtung Fantasy gefallen. Mit Magie, Elfen und so’n Zeug.“
„Mh, okay. Dann würde ich für den Anfang den“, er greift nach ein paar Werken und reicht sie mir, „und die hier empfehlen.“
Ich nehme sie dankend entgegen, als ich aus meinen Augenwinkeln einen Einband mit einem Bild zweier halbnackter Männer in offensichtlicher Pose entdecke. Neugierig greife ich danach.
„Was ist mit dem hier?“
Noch bevor meine Fingerspitzen die Lektüre berühren, schiebt er mich schnell auf die Seite und schließt den Schrank. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, einen leichten Anflug von Röte auf seinen Wangen zu erkennen.
„Die sind sehr speziell. Magst du was trinken?“, lenkt er eilig ein und schickt mich auf die kleine Couch. Ich setze mich artig und nicke.
„Ja, gerne.“
„Magst du etwas Warmes oder Kaltes“, fragt er mich, während er zu seiner Küchenzeile läuft. „Frozen Cappuccino kann ich dir leider nicht anbieten. Einen normalen schon.“
„Woher weißt du mein Lieblingsgetränk?“ Ich stutze.
„Ist ja wohl nicht schwer zu erraten. Immer wenn wir in der Stadt unterwegs sind, holst du dir einen“, gibt er gelassen zurück. Ich streiche mir verlegen eine Strähne aus dem Gesicht.
„Du hast dir das gemerkt?“
„Klar, wieso nicht?“
„Na ja, Bernd hat es bis jetzt noch nicht geschnallt. Er bestellt mir immer einen Latte Macciato.“ Ich verziehe leicht den Mund, doch Rayeks Miene scheint unbeeindruckt. Ich finde es wahnsinnig schwer, auf seinem Gesicht Gefühlsregungen abzulesen. Allerdings möchte ich ihn mit meinen Kleinigkeiten nicht langweilen.
„Was trinkst du denn am liebsten? Warte, lass mich kurz nachdenken“, unterbreche ich ihn, noch bevor er anfangen kann. Grübelnd tippe ich mir gegen das Kinn und versuche, mich zu erinnern. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er ein Getränk präferiert. Zumindest nicht, wenn wir in einem Café sind. Ich schnippe mit den Fingern. Natürlich! Zum Unterricht bringt er sich immer etwas mit, doch was war das nochmal genau? Langsam wird mir die Situation peinlich. Nervös spiele ich mit meinen Fingern.
„Ähm, also …“
„Milchshakes. Am liebsten weiße Schoki Himbeere“, gibt er mir unaufgefordert zur Antwort und ich erspähe ein Schmunzeln um seine Mundwinkel. Er stellt eine Tasse vor mich und ich atme den Geruch des dampfenden Cappuccino tief ein. Ich nehme einen Schluck und besinne mich auf mein eigentliches Vorhaben, während er mir gegenüber Platz nimmt.
„Warst du schon in dem neuen Club, der letzten Monat aufgemacht hat?“
Er zuckt gleichgültig mit den Schultern „Nö, lohnt es sich denn?“
„Ja, ich denke schon. Wir hatten bisher nur einen queeren Club in der Stadt. Da ist das doch ein Fortschritt.“
„Mh … kann sein, aber es reizt mich nicht.“
„Wieso nicht?“, frage ich verwirrt und beobachte, wie er einen Schluck aus seinem Glas nimmt.
„Ist doch logisch. Es ist zwar 'ne andere Location, aber es werden dieselben Leute wie in dem anderen Club da sein.“
Klingt einleuchtend und ich schlucke. Rayek ist eine verdammt harte Nuss. Na ja, das wusste ich bereits vorher. Nur nicht aufgeben.
„Ja, aber wenn neue Discotheken nicht unterstützt werden, werden hier nie neue Leute vorbeikommen um zu feiern. Wenn immer mehr Kneipen, Clubs und was auch immer in der queeren Szene hier aufmachen, dann wird Würzburg zu einer kleinen Partymetropole werden. Durch den guten Ruf würden dann stets mehr Leute von außerhalb kommen. Meinst du nicht auch?“
Nun kann ich es ganz deutlich erkennen: das Grinsen auf seinem Gesicht.
„Du bist wahrlich ein hoffnungsloser Romantiker“, meint er und nippt am Glas.
Ich seufze. Da liegt er nicht einmal so falsch, doch was ist verkehrt an Optimismus? Etwas mehr würde ihm auch guttun. Dann würde er mehr Lächeln und das steht ihm richtig gut.
„Ähm … warum denn nicht? Was ist an Romantik schlecht? Besonders in einer Beziehung ist es etwas sehr schönes, findest du nicht?“
Rayek rümpft die Nase.
„Ich glaube nicht, dass ich dafür zu haben bin.“
„Was genau? Die Romantik oder die Beziehung?“
„Beides“, gibt er mit voller Ernsthaftigkeit zurück und versetzt mir unbewusst einen Schlag in die Magengrube. Das ging daneben. Allerdings gebe ich noch nicht auf.
„Okay, Romatik ist nicht ganz jedermanns Sache, aber was hast du gegen einen festen Partner? Sehnst du dich nicht nach einer Person, der du mehr als allen anderen vertraust? Jemand, der da ist, wenn du heim kommst?“
Er sieht mich verständnislos an.
„Wozu?“
Ich beiße mir kurz auf die Zunge. Meint er die Frage ernst? Wahrscheinlich. Was soll ich dagegen argumentieren? Meine Gedanken rasen um die Wette.
„Na … sehnst du dich denn nicht nach jemanden, der … warum triffst du dich mit anderen Typen?“
Er zieht eine Braue in die Höhe und schaut mich an, als wäre ich auf den Kopf gefallen.
„Weil ich Sex möchte. So wie jeder andere auch.“
„Ähm … he he, ja, aber …“
„Dazu brauche ich keinen festen Partner.“
„Schon, aber …“ Ich schnaufe hörbar und verzweifelt auf. „Möchtest du nicht einmal … ankommen? Sex ist doch am schönsten mit einer Person, die man wirklich gern hat und zu der man sich nicht nur auf körperlicher, sondern auch auf geistiger und seelischer Ebene angezogen fühlt.“
„Keine Ahnung. Mir reicht es, wie es jetzt gerade ist.“
„Aber du wirst auch nicht jünger und irgendwann ist es nicht mehr so einfach, einen Kerl für 'ne Nacht abzuschleppen.“
„Kann schon sein, aber was interessiert dich das?“
Rayek nimmt einen weiteren Schluck aus seinem Glas und betrachtet mich misstrauisch. Ich seufze. Sein Denken ist mir ein Rätsel. Dennoch: Scheinbar habe ich keine andere Wahl und muss mit der Sprache rausrücken. Ich leere meine Tasse mit einem Zug und stelle sie auf den Tisch. Dann blicke ich ihm fest in die Augen.
„Ich würde mich einfach für dich freuen, wenn du glücklich wärst.“
„Hä? Ich bin glücklich“, erwidert er überzeugt. „Reico, auf was willst du raus? Du führst doch sonst keine Beziehungsgespräche mit mir.“
Ich nicke und spiele nervös an meinem Pony.
„Nun ja, Bernd hat da einen Kumpel, Jan“, setze ich an, doch Rayek verdreht genervt die Augen und lässt sich in seinen Sitzsack zurückfallen.
„Oh, Reico! Das ist jetzt nicht dein Ernst? Du versuchst, mich zu verkuppeln?“
„Ähm, ja, nein, also … du musst nicht mit ihm zusammenkommen falls es nicht passt, aber könntest du nicht mit zum Date kommen? Kein normales, mehr eine Art Doppeldate.“
Ich schiele ihn bittend an, doch selbst mit geschlossenen Lidern kann ich spüren, dass er wenig begeistert von meiner Idee ist. Dabei ist Jan wirklich nett, wenngleich ich auch befürchte, dass er nicht sein Typ ist. Trotzdem habe ich die Hoffnung, dass, wenn er ihn erstmal näher kennenlernt, es funktionieren könnte. Der Gedanke, dass Bernd und ich ein Paar sind und Rayek mit Jan anbändelt, ist verlockend. Dann könnten wir öfter was zu viert unternehmen. Zu Bernds restlichen Freunden finde ich absolut keinen Draht.
„Nicht interessiert.“
Ich schrecke auf und sehe ihn entgeistert an.
„Es ist doch nur für ein Date. Was Schönes essen und dann 'ne Doppelkinonacht. Klingt das nicht verlockend?“
Er schnauft hörbar auf.
„Eher anstrengend.“
Ich sehe meine Traumblase langsam platzen.
„Oh, Rayek, bitte! Es wäre doch nur einmal! Und ich bin ja auch dabei“, versuche ich, ihn abermals zu überzeugen.
„Wieso ist dir das denn derart wichtig? Kannst du nicht jemand anderen mitnehmen?“
„Ich kenne niemand anderen, der auch auf Männer steht … bitte, Rayek, tu es für mich. Nur dieses eine Mal“, flehe ich und setze den meist bettelnden Blick auf, den ich Zustande bekomme.
„Reico, ich hab echt keine Lust.“
„Bitte, sieh es doch einfach als ein Treffen unter Freunden.“
Er reibt sich mit der Hand die Schläfe. Irgendwie tut er mir in dem Moment leid, aber ich darf jetzt nicht einknicken – ich muss mein Ziel weiter verfolgen.
„Rayek, biddö, biddö, biddö.“
Er wirft mir einen gequälten Blick zu und in mir regt sich das schlechte Gewissen. Wie lange gelingt es mir, hartnäckig zu bleiben? Wenn er nicht bald einknickt, bin ich mit meinem Latein am Ende. Ich weiß selbst, dass es nicht in Ordnung ist, ihn zu dem Doppeldate zu drängen, doch ich wünsche es mir so sehr …
„Oh Mann, du gibst echt nicht auf, was?“
Ein schiefes, hoffnungsvolles Grinsen legt sich auf mein Gesicht. Er holt tief Luft und streicht sich mit der Hand durch sein Haar. Meine Haut fängt verräterisch an zu Kribbeln. Unnachgiebig schaue ich ihn an, behalte den Hundebettelblick bei. Mit Erfolg. Er schüttelt leicht den Kopf, bevor er aus zusammengepressten Lippen murmelt: „Okay, wenn es dir so viel bedeutet bin ich dabei. Aber nur das eine Mal und nur wegen dir! Ich hab keinen Bock auf Verkupplungsaktionen.“
Ich nicke und lächle in mich hinein. Die Hoffnung lässt mein Herz tanzen und Freudensprünge vollführen. Mein Plan kann funktionieren.
„Klar, weiß ich doch“, antworte ich mit einem dezenten Lächeln.