Читать книгу Im Licht des Mondes - A. Cayden - Страница 9

Оглавление

Kapitel 3

Reico:

Ungeschickt falle ich zu Boden und halte mir meinen pochenden Schädel. Der ausbildende Wächter schüttelt den Kopf. Sein strenger Blick scheint mich zu ohrfeigen und seine Stimme klingt ein klein wenig frustriert, was mir die Schamesröte ins Gesicht steigen lässt.

„Mister Neely, ihre Konzentrationsfähigkeit gleicht heute wieder der einer Mücke! Was habe ich eben noch erklärt?“

Ich senke ertappt den Kopf und nuschle peinlich berührt vor mich hin: „Schlagkombi von oben und unten. Abwechselnd blocken. Zuerst mit dem rechten Arm … dann den anderen mit einem Wischer und danach folgt der Tritt …“

Verärgert runzelt er die Stirn und massiert sich die Schläfe.

„Es reicht. Setzen Sie sich auf die Bank und nehmen sie sich ein Beispiel an Mister Viking. Vielleicht können Sie durch zusehen mehr lernen. In fünf Minuten erwarte ich Sie dann wieder auf der Matte!“

„Jawohl, Sir“, gebe ich klein bei und verlasse die Trainingsmatten. Niedergeschlagen setzte ich mich auf die klobige Holzbank und streiche ein paar widerspenstige Strähnen meines Ponys beiseite. Der Beste werde ich wohl nie im Kampftraining. Ich kann dem Lehrer seinen Missmut nicht einmal übel nehmen, denn meine Gedanken sind überall, nur nicht im Unterricht. Immer wieder kreisen sie zurück zum Wochenende und zu Bernd. Drei Tage ist es bereits her, dass wir uns geküsst haben. Wir haben uns danach ein weiteres Mal getroffen und obwohl er auf den ersten Blick nicht mein Typ ist, scheint es zu funktionieren. Dennoch: Warum kann ich mich nicht freuen? Irgendwas stimmt nicht mit mir. Ich brauche nur etwas Geduld. Denn Liebe auf den ersten Blick gibt es leider nicht. Sie entsteht und wächst mit der Zeit. Ich seufze leise und versuche, mich auf das hier und jetzt zu konzentrieren. Meine Augen schweifen zu Rayek, der seinen Trainingspartner in Schach hält. Er ist gut. Im Kämpfen ist er sehr viel besser als ich. Rayek ist der Stufenbeste. Ein Lächeln schleicht sich auf mein Gesicht. Ich bin stolz auf meinen zukünftigen Partner. Bestimmt werden wir später viele Dämonen zur Strecke bringen. Ich hoffe nur, dass ich ihn nicht behindere. Besser werden – ich muss unbedingt besser werden.

Anmutig und schnell wie ein Panther blockt er die gegnerische Attacke. Dann holt er zum Gegenschlag aus. Gezielt. Blitzschnell. Effektiv. Sein Trainingspartner geht zu Boden und der Lehrer nickt zufrieden und stellt sich ihm gegenüber. Stumm gibt er ihm das Zeichen um ihn anzugreifen und Rayek gehorcht. Seine Angriffe sind präzise, doch der Ausbilder blockt und kontert. Flink springt Rayek zurück und ich bewundere seine Sprungkraft. Er wirkt so leicht wie eine Feder. Jede Bewegung erscheint elegant und doch sind die Attacken wuchtvoll. Er streicht sich flüchtig eine Strähne aus dem Gesicht und setzt zum nächsten Angriff an, den ich nicht mehr mitbekomme, denn meine Augen folgen einer glitzernden Schweißperle, die über seine Wange hinunter zum Hals und dann auf den freien Oberkörper wandert. Ich kann meinen Blick nicht von ihm lösen. Der Kontrast von weicher Haut zu harten Muskeln fesselt mich und hält mich gefangen. Rayek glänzt heller als das Licht. Alles um ihn herum verblasst. In dem Moment existiert nur er.

„He, echt klasse, wie er den Schlick in Schach hält, findest du nicht?“

Ich zucke zusammen, als Robert sich neben mich setzt und mir mit dem Ellenbogen in die Rippen stößt.

„Ähm, ja“, gebe ich unnötigerweise zurück und schiele zu Robert, der interessiert dem Zweikampf folgt.

„Ich hätte zwar am Anfang nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber du hast es echt gut.“

„Hä?“ Ich gucke Robert verständnislos an. „Was meinst du?“

„Na, Rayek ist ein richtiger Stoffel und alles andere, als ein angenehmer Zeitgenosse, doch er ist mit Abstand der Beste in den Fächern. Es ist zwar nicht direkt offiziell, aber jeder hier weiß doch, dass ihr später als Partner eingeteilt werdet. Und er ist wahnsinnig stark. Ich muss noch warten, mit wem ich später auf Dämonenjagd gehen darf. Hoffentlich jemand Gutes.“

Ich grinse schief und verkneife mir ein Lachen.

„Du bist doch selbst nicht gerade der Motivierteste in Sachen Lernen und Kampftraining.“

„Eben“, antwortet Robert und fängt an, breit zu grienen. „Deswegen brauche ich jemanden, der für mich mitarbeitet.“ Er zwinkert mir zu und versetzt mir abermals einen Stoß und ich schubse ihn scherzhaft zurück. Typisch Robert.

„Jetzt mal im Ernst, wie hältst du es mit dem Kerl aus? Im Fünf-Minuten-Takt gibt er irgendwelche beleidigenden Kommentare von sich.“

„Ach was, so schlimm ist er nicht. Eigentlich ist er sehr nett, nur eben nicht unbedingt kontaktfreudig.“

„Manchmal hab ich das Gefühl, dass er Tiere besser leiden kann als Menschen. Echt gruselig.“

„Was wäre daran verkehrt?“

„Bitte? Du machst wohl Witze!“

Ich schmunzle belustigt und Robert wedelt theatralisch mit den Händen in der Luft herum.

„Reico, du bist einfach zu nett. Du musst mir mal erklären, wie …“

„Wir sind hier nicht beim Kaffeeklatsch! Steht gefälligst auf, aber Dalli! Zehn Strafrunden mit Kniebeugen und Liegestütze. Sofort!“, schreit uns der Ausbilder an, der plötzlich vor uns Position bezieht. Robert und ich zucken zeitgleich zusammen. Um uns herum ertönt amüsiertes Kichern und Flüstern. Erschrocken springen wir auf und leisten seinen Anweisungen folge, die auf uns einprasseln wie Donnergrollen. Das Glück ist heute nicht auf meiner Seite.

***

Meine Glieder schmerzen. Der Kampflehrer war wirklich wütend. Ich kann es ja nachvollziehen, doch etwas weniger wäre nett gewesen. Die jetzige Gartenarbeit ist die reinste Folter. Dummerweise ist das den aufsehenden Mönchen völlig egal. Mit strenger Disziplin werden wir beim Anpflanzen der Möhren beobachtet und angeleitet. Ich beiße die Zähne zusammen und versuche, mich auf die Arbeit zu konzentrieren.

Nach fast vierzig Minuten kniet sich Robert neben mich und hebt sich unter Stöhnen den Rücken.

„Solltest du nicht vorne bei den Radieschen sein?“, frage ich lächelnd, ohne vom Saatgut aufzusehen oder meine Arbeit gar zu unterbrechen.

„Das ist die reinste Hölle. Diese blöde Gartenarbeit! Ich verstehe nicht, warum wir das machen müssen. Was sollen wir bitteschön dabei lernen?“, krächzt er flüsternd und schielt Richtung der Mönche, die gerade einige Mitschüler tadeln.

„Um die Liebe zur Natur wieder zu erlernen. Damit wir den Schaden, den wir durch Krieg und Zerstörung angerichtet haben, schnellstmöglich wieder ausgleichen“, gebe ich zurück und meine es durchaus ernst. Denn wir Menschen haben die Erde und Natur mit Füßen getreten und das alles nur aus Machthunger und Gier. Natürlich haben die Dämonen die Menschheit gegeneinander ausgespielt, doch sie zerstört haben letztendlich wir, die Menschen. Vor vielen Jahren gab es überall Grünflächen und dichte Wälder. Leider ist nicht mehr viel davon übrig. Hier sieht es etwas besser aus, doch in den umliegenden Dörfern und Städten sind die Zustände katastrophal. Das machen sich die Dämonen zu Nutze. Fast überall haben sie ihre Jagdreviere. Ich seufze lautlos. Wie gut, dass wir im Herzen Würzburgs wohnen. Durch den Orden bleiben die Schattenwesen fern. Die Bewohner können sich in Sicherheit wiegen.

„Ja, ja. Die auswendig gelernte Antwort kannst du dir sparen. Das kann ich auch in den Lehrbüchern nachlesen“, entgegnet Robert und lässt sich auf den Boden plumpsen.

„Du weißt, dass du ziemlichen Ärger bekommst, wenn die Mönche dich hier erwischen?“

Er stößt genervt die Luft aus und schließt seine Lider.

„Nur eine Minute. Mehr brauche ich nicht. Verrat mir mal lieber, warum du momentan so seltsam bist.“

„Mh? Was meinst du?“

„Jetzt hör doch mal auf zu schuften“, beschwert sich Robert, doch ich schüttle nur verneinend meinen Kopf und fahre fort.

„Ich bin multitaskingfähig“, entgegne ich amüsiert. „Du kannst also gerne weiter reden, während ich dabei säe.“

„Argh, meinetwegen. Also, du Streber, warum bist du seit ein paar Tagen so anders?“

„Ich bin anders?“

„Ja, du verhältst dich komisch. Bist oft geistig abwesend. Steckt da vielleicht ein Kerl dahinter?“

Mein Lächeln entgleist und verwandelt sich in ein schiefes Grinsen. Robert klatscht begeistert in die Hände.

„Wusst ich’s doch! Du hast einen neuen Stecher! Ist es was Ernstes?“

„Ja … ja, ich denke schon.“

„Schön für dich. Schade, dass du vom Markt bist.“

Er zwinkert mir zu und leckt sich anzüglich über die Lippen. Ich versetze ihm einen leichten Stoß und er lacht.

„Ja, klar. Als ob du was mit Männern anfangen würdest.“

„Hab’s nie versucht“, antwortet er und zuckt mit den Schultern. „Und? Wie ist er so? Wie heißt er? Wie alt?“

„Bernd. Er ist 25.“

„Bernd ... hört sich an, wie ein Hund. Egal. Ja, und?“

„Was und?“

Robert verdreht genervt die Augen. „Details Mann. Lass mal Details hören und dir nicht alles aus der Nase ziehen.“

Ich denke kurz nach und es kostet mich große Mühe, meinen Unmut durch ein Lächeln zu verbergen, denn ich habe absolut keine Lust, das Gespräch weiter zu führen. Zum Glück kommt in diesem Moment Pastor Hirsch herangeschossen. Trotz seines hohen Alters ist er noch gut zu Fuß und scheint förmlich über die Felder zu fliegen.

„Sind sie schon mit dem Einpflanzen der Radieschen Saat fertig, Mister Norman?“

Robert verzieht sein Gesicht, als hätte er in eine saure Zitrone gebissen. Er räkelt sich und steht langsam auf. Der Mönch tritt ungeduldig mit dem Fuß auf der Stelle.

„Nein, noch nicht.“

„Und was haben Sie dann hier zu suchen?“, fragt er ihn anklagend, woraufhin Robert die Arme hinter seinen Kopf verschränkt und ihm ein lausbubenhaftes Lächeln schenkt.

„Ich lege eine erholsame Pause ein.“

Bruder Hirsch wiegt mit seinem rosinenförmigen Gesicht hin und her. Die kleinen Augen durchbohren den Auszubildenden mit messerscharfem Blick.

„Ihre Pause ist nun vorbei. Gehen Sie sofort wieder zurück an Ihre Arbeit!“, zischt er.

Robert macht eine übertriebene Verbeugung.

„Natürlich, euer Gnaden.“

Der Mönch zieht argwöhnisch eine Braue nach oben. Seine Hand schnellt nach vorne und erwischt Robert am Kragen. Wütend zieht er ihn hinter sich her, zurück zu dessen Anbauplatz.

Ich schüttle leicht den Kopf und beobachte die Szene. Wenn Robert so weiter machte, wird er womöglich seinen Ausbildungsplatz verlieren. Ich kann sein Verhalten nicht nachvollziehen. Es ist wahnsinnig schwer, in den Orden zu gelangen und als Anwärter des Lichts ausgebildet zu werden. Wieso riskiert er derart leichtsinnig einen Rauswurf?

Bruder Hirsch bleibt bei Robert stehen und lässt ihn nicht mehr aus den Augen. Den scheint das recht wenig zu stören. Unter Stöhnen und dem Versuch, das Ganze hinauszuzögern, macht er sich schließlich wieder an seine Arbeit.

Ich wende mich von ihm ab, wobei ich Rayek in der Nähe erspähe, der gerade dabei ist, die kranken und abgestorbenen Triebe der Bäume abzuschneiden. Eifrig und konzentriert geht er seiner Arbeit nach. Sein Blick ist zielgerichtet und aufmerksam. Er scheint nichts anders um sich herum wahrzunehmen. Sorgsam bearbeitet er die Bäume. Er nimmt die Tätigkeit ernst. Mehr noch: Er macht sie gern. In seinen Augen spiegelt sich ein Ausdruck, den ich nur selten sehe und die anderen nicht wahrnehmen: Fürsorge und Achtsamkeit. Liebevoll überprüft er sein Werk, bevor er mit dem nächsten Obstbaum fortfährt.

Ein Schmunzeln bildet sich um meine Mundwinkel. Die anderen mögen es zwar nicht sehen und wahrnehmen, doch Rayek ist kein schlechter Mensch. Er hat eben nur eine sehr harte Schale, doch darunter schlummert ein kostbar weicher und herzlicher Kern.

Im Licht des Mondes

Подняться наверх