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ОглавлениеKapitel 6
Rayek:
Ich werde aus ihm nicht schlau. Ist er zufrieden in seiner Partnerschaft oder ist er es nicht? Überhaupt: Warum sind die meisten derart scharf auf Beziehungen? Was soll so toll daran sein? Das zwanghafte Händchen-Halten? Das Eifersuchtstrauma? Die Ich-muss-alles-teilen-Einstellung? Was für ein Unsinn! Diese Paarsache kompliziert alles nur unnötig. Was ist falsch daran, mit jemandem einvernehmlichen Sex zu haben, sich gelegentlich dafür zu treffen und sich dann wieder zu trennen? Die Antwort ist leicht: nichts.
Ich schüttle meinen Milchshake und beobachte Reico, der sich mit Fabian und Robert unterhält. Er ist ständig zwanghaft auf der Suche nach einem festen Partner und wenn er dann einen hat, ist er nicht zufrieden. Zugegebenermaßen hat er ein Händchen für seltsame Typen, doch warum gibt er seine Suche dann nicht endlich auf? Wie oft muss er denn noch auf die Schnauze fallen, bis er sich den Mist nicht mehr antut?
Mit einem Plop öffne ich die Flasche und nehme einen großen Schluck. Genießerisch schließe ich die Lider. Lecker. Es gibt nichts Besseres. Als ich meine Augen aufschlage, sehe ich Reico wieder vor mir. Ich kenne Bernd nicht, doch er scheint nicht zu begreifen, welches Glück er hat. Denn Reico ist jemand, der für eine geliebte Person alles gibt und tut. Dummerweise neigt er zur Selbstaufgabe, ohne dass er es selbst mitbekommt. Eine gefährliche Angewohnheit, wenn nicht sogar eine absolut fatale. Bernd hingegen … ich schätze ihn als recht stumpfsinnig ein, wenn ich den Erzählungen trauen darf. Nun ja, schon am Wochenende werde ich mir mein eigenes Bild machen können, bei unserem ach so genialen Doppeldate. Bei dem Gedanken bekomme ich eine unangenehme Gänsehaut. Wie gerne würde ich mich drücken. Allerdings habe ich es Reico gestern versprochen und ich halte meine Versprechen.
Ich leere den Schoki-Milchshake auf einen Zug und genieße den cremig, süßen Geschmack. Himmlisch.
Reico streicht sich den schwarzen Pony beiseite. Seine Frisur sitzt heute mal wieder perfekt. Ich weiß nicht, wie er das macht und wie lange er dafür vor den Spiegel stehen muss. Überhaupt fällt bei genauem Betrachten auf, dass er ein dezentes Make-up benutzt, das seine bernsteinfarbenen, großen Augen perfekt betont. Dass die Mönche das dulden, wundert mich. Mein Blick gleitet weiter nach unten, über den blauen und langen Schal, auf seinen zierlichen Oberkörper, der von einem enganliegenden, schwarzen Pulli verdeckt wird. Darüber hat er eine ebenso schwarze Kunstlederjacke gestreift, die sein Outfit perfekt abrundet. Mit seinen engen Bluejeans und den Boots sieht er aus, als käme er selbst aus einem Manga. Ich komme nicht umhin ihn als sexy zu empfinden. Er ist nicht mein Beuteschema, aber durchaus anziehend. Wäre er nicht beziehungsfixiert, hätte er garantiert an jedem Finger einen anderen Kerl.
Ich stehe auf und ernte fragende Blicke. Meine Güte. Schlimmer, als im Kindergarten.
„Ich hol mir was zu knabbern“, sage ich nur knapp und warte keine Antwort ab. Sonst kommen sie auf die Idee, dass ich ihnen was mitbringen soll. Gerade Robert täte es gut, wenn er seine Beine öfters benutzen würde. Zielsicher schlendere ich zum Süßigkeiten Automat und ziehe mir ein Päckchen Mikado Stäbchen. Gedankenversunken mache ich mich an der Verpackung zu schaffen, als mir die Schachtel aus der Hand gezogen wird.
„Hey, das hättest du aber kommen sehen müssen! Immer auf der Hut sein!“
Ich verdrehe genervt die Augen. Zurzeit bleibt mir aber auch wirklich gar nichts erspart. Ich verkneife mir ein Stöhnen und drehe mich langsam auf der eigenen Achse zu der Diebin um. Die grient mich strahlend an und wedelt provozierend mit den Mikados in der Luft. Schweigend strecke ich fordernd die Hand aus und sie verzieht schmollend ihren Mund.
„Was ist los? Werde ich denn gar nicht begrüßt? Und das, wo wir dich doch praktisch adoptiert haben.“
„Davon kann ja wohl keine Rede sein!“, gebe ich gereizt zurück und mache einen Schritt auf sie zu, doch wie erwartet springt sie nach hinten. Auf ein kleines Battle habe ich nicht die geringste Lust. Trotzdem möchte ich meinen Snack haben. Ich mache mich bereit, anzugreifen, als ihre Schwester von rücklings auf sie zukommt.
„Meine Güte, Joy, nun gib ihm sein Essen zurück! Sonst heißt es noch, wir würden den Azubis ihr Mittagessen verwehren.“
„Ach Drew, ich foppe ihn doch nur ein bisschen“, erwidert ihre Zwillingsschwester und fängt an zu kichern wie ein kleines Kind. Kaum zu glauben, dass die beiden zur Top-Elite des Ordens gehören. Trotzdem: Wenn ich einmal nur die Hälfte an Dämonen platt mache, kann ich mich zufrieden schätzen.
„Und adoptiert ist anders. Da habe ich ja wohl auch noch ein Wörtchen mitzureden.“
„Oh Drew, komm schon! Wäre es nicht total toll, einen kleinen Bruder zu haben?“
„Du bist mir eigentlich anstrengend genug.“
„Wie bitte? Ich mach doch gar nichts!“
„Hallo? Bekomm ich jetzt meine Mikado Stäbchen wieder oder muss ich sie mir holen?“, unterbreche ich ungeduldig das Geplänkel der beiden. „Abgesehen davon sind wir nicht verwandt.“
Joy streckt mir die Zunge heraus und wirft mir gleichzeitig die Verpackung zu, die ich mühelos auffange.
„Wir könnten aber. Rein optisch … die dunkelblauen Augen, die Aubergine gefärbten Haare.“
„Gefärbt, da sagst du es doch selbst. Da ist nichts mit Genen.“
Ungeduldig reiße ich die Packung auf und beginne zu knabbern.
„Hat man dir nicht beigebracht, dass man den anderen auch etwas anbietet?“, rügt mich Drew und ich zucke nur gleichgültig mit den Schultern.
„Im Automat sind noch genügend. Bedient euch.“
„Ein Gentleman durch und durch“, meint Joy und lacht.
„Euer Gehalt ist um einiges höher als mein mickriger Azubilohn. So gesehen, müsstet ihr mich einladen.“
„Sonst geht’s dir noch gut, oder?“, murrt Drew und zeigt mir den Vogel. „Überhaupt, wie kann man sich nur ständig diesen süßen Mist reinziehen. Iss mal was Vernünftiges.“
Ich schiebe mir genüsslich einen weiteren Stick in den Mund und kaue übertrieben langsam. Drew schüttelt genervt den Kopf, während Joy vor sich hin kichert.
„Da liegt noch einiges an Erziehungsarbeit vor uns“, meint Joy und zwinkert mir zu, doch ich winke ab.
„Wie oft noch? Wir sind nicht verwandt!“
„Ich weiß doch“, quengelt Joy und wuschelt mir energisch durch mein Haar. „Aber wo wir uns bereits so ähnlich sehen und eine Vorliebe für die Farbe Aubergine teilen … nun komm schon!“
„Tu ihr den Gefallen, sonst bekomme ich heute nie meine Ruhe“, bittet Drew und hebt sich die flache Hand an die Stirn. In dem Moment ertönt die Glocke und ein gehässiges Schmunzeln bildet sich um meine Mundwinkel.
„Oh, ich fürchte, dazu habe ich leider keine Zeit. Die Pause ist zu Ende und ihr wisst ja, wie streng die Mönche sind.“
Ich drehe mich um und winke, ohne mich ihnen nochmal zuzuwenden.
„Tschüss, kleiner Bruder! Streng dich an und mach uns stolz! Wir zählen auf dich!“, ruft mir Joy euphorisch hinter her und ich schüttle leicht den Kopf. Unverbesserlich, doch ab und an erträglich.
„Da hast du dich aber schön aus der Affäre gezogen! Das bekommst du zurück! Und bemüh dich mal, was das Zwischenmenschliche angeht! Ich habe keine Lust, dass Joy und ich uns immer die Beschwerden über dich anhören müssen!“
Nun bleibe ich doch stehen und werfe einen Blick über meine Schulter. Drew hat mahnend ihre Hände in die Hüften gestemmt und besieht mich mit ernster Miene wie eine strenge Mutter ihr ungehorsames Kind.
„Dann pass auf, dass Joy nicht ständig nach meinen Leistungen frägt, dann müsst ihr euch das Gejammer der Priester auch nicht anhören!“, schreie ich zur Antwort, bevor ich meinen Weg Richtung Klassenzimmer fortsetze. Ja, manchmal sind sie erträglich, aber eben nur manchmal.