Читать книгу Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland - Страница 13
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Ich hatte Glück. Wilsons fast schrottreifer Ford stand auf dem Parkplatz der New York Post. Ich klemmte den unauffälligen, dunkelblauen Chevy der Dienststelle zwischen zwei aufgeblasene Cadillacs und wartete. Ich hatte den Polizeifunk eingestellt. Es war nichts dabei, was den Bankraub betraf. Genau zwanzig Minuten später kam Wilson aus dem Redaktionsgebäude. Es war kurz vor neunzehn Uhr. Er hatte sich in Schale geworfen und trug einen dunkelblauen Anzug mit knallroter Krawatte.
Wilson ging zu seinem Wagen und stieg ein. Er kurbelte das Fenster herab und ließ einen Arm im Freien baumeln. Der Verkehr machte es notwendig, dass ich dicht hinter ihm blieb, denn ich hatte keine Lust, ihn nach der ersten Ampel aus den Augen zu verlieren. Ich war sicher, dass er gar nicht an die Möglichkeit einer Verfolgung dachte. Außerdem war die Windschutzscheibe des Dienstwagens bläulich eingefärbt, so dass Wilson kaum eine Chance hatte, mich in seinem Rückspiegel zu erkennen.
Die Fahrt ging durch den Brooklyn Battery Tunnel und die langgestreckte Hamilton Avenue südwärts. Dann ließen wir den Prospekt Park links liegen und durchquerten Flathbush.
Ich hatte den Abstand zu seinem Wagen inzwischen beträchtlich erweitert, weil der Verkehr weit geringer geworden war.
Wilson verlangsamte das Tempo, und dann ließ er den Ford über die Schlaglöcher einer wenig vertrauenerweckend aussehenden Allee schwanken. Dann sah ich die Bremslichter des Ford aufleuchten. Ich fuhr zwanzig Meter weiter und parkte vor einem hinfällig aussehenden Lastwagen.
Die Dämmerung ließ die Gegend weniger trostlos aussehen, als sie in Wirklichkeit war. Pilgrim Lane zeichnete sich durch baufällige, schmalbrüstige Kästen aus, und Schmutz und Armut wurden durch die Dunkelheit zugedeckt.
Ich stieg aus und stellte mich so, dass der parkende Lastwagen mir als Sichtschutz diente. Wilson hatte die Hände in die Hosentaschen geschoben und schlenderte ohne Eile die Straße entlang. Er kam direkt auf mich zu. Ich ging um den Lastwagen herum, als Wilson daran vorbei spazierte.
Dann sah ich, wie er ein Lokal betrat. Über dem Eingang leuchtete eine giftgrüne Neonreklame: Navy Bar. Mir fiel ein, dass sich ganz in der Nähe einige Stützpunkte der Kriegsmarine befanden. Vielleicht gehörten die Matrosen zum Stammpublikum des Lokals. Wenn das Lokalinnere der Hausfassade entsprach, konnte es sich allerdings nur um eine drittklassige Kneipe handeln.
Ich überquerte die Straße und postierte mich in einem Hauseingang, der der Bar genau gegenüber lag. Ich kam mir dabei ziemlich nutzlos vor. Was tat Wilson in der Kneipe? Mit wem versuchte er Kontakt aufzunehmen? Ich musste mich zunächst in Geduld fassen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Wilson durfte mich nicht sehen, sonst wäre meine Mission zu schnell beendet gewesen.
In der Mansardenwohnung wurde Licht gemacht. Ein Fenster stand offen. Ein Mann ging am Fenster vorbei. Es war Wilson.
Wie konnte ich der Unterhaltung folgen, die jetzt dort oben geführt wurde? Das Problem packte mich. Rings um das Dach lief ein Steinsims. Es war breit genug, um einen Menschen aufzunehmen. Aber wie kam man hinauf?
Ich überquerte die Straße. Im Haus neben der Navy Bar war eine offene Autodurchfahrt. Ich stellte fest, dass sie auf den Lagerplatz einer Baustoffhandlung führte. Der Lagerplatz war durch einen Zaun vom Nachbargrundstück getrennt. Ich hatte keine Mühe, ihn zu überklettern.
Als ich auf dem Hof stand, nahm ich den säuerlichen Geruch schalen Biers wahr. Er entströmte einem Stapel leerer Bierdosen, die genau unter der Feuerleiter lagen. Es war noch nicht ganz dunkel, das Haus war vier Stockwerke hoch, und die Feuerleiter führte an vielen Fenstern vorbei.
Erfahrungsgemäß liegen stets die Küchen- und die Schlafzimmer zur Hofseite hin. Es war nicht anzunehmen, dass die Leute um diese Zeit im Schlafzimmer waren, und wer in der Küche arbeitete, musste Licht machen. Ich fackelte nicht lange und reckte meine Arme, um die unterste Sprosse zu nehmen und mich hochzuziehen.
Ich bedauerte, helle Kleidung tragen. Dadurch hob ich mich ziemlich deutlich von dem Hintergrund ab. Egal, jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich kletterte die Leiter hinauf, immer darauf bedacht, möglichst schnell und lautlos an den Fenstern vorbeizukommen.
Drei Minuten später stand ich auf dem Dach. Es war nach hinten abgeplattet und eingezäunt. Die Dachluke stand offen, und an einer Leine hingen mehrere Wäschestücke. Ich musste jedoch, um nach vorn zu gelangen, den Außensims benutzen. Ich hatte ein flaues Gefühl im Magen, als ich mich darauf zubewegte, denn der Sims war sicherlich nicht dazu bestimmt, eine ausgewachsene Person zu tragen.
Behutsam setzte ich einen Fuß vor den anderen. Dann sah ich die Pilgrim Lane unter mir, sie wirkte wie ein dunkler, trister Schacht. Ich ging weiter, auf das nur wenige Meter entfernte erleuchtete Mansardenfenster zu.
Ich hörte Stimmen. Jetzt sprach Wilson.
„Das ist doch alles Quatsch“, sagte er unwirsch. „Ich brauche Fakten, keine Märchen!“
Dann erklang eine andere Stimme. Ich hatte sie noch nie gehört, aber ihr Klang bewirkte, dass sich meine Nackenhärchen sträubten. Es war eine heisere, sehr flexible Stimme; sie entsprach genau der Beschreibung, die die Schwester von der Stimme des mutmaßlichen Mörders gemacht hatte!
„Es gibt Dinge im Leben“, sagte er, „die sich wie Märchen anhören und trotzdem wahr sind. Sie als Reporter sollten das besser wissen als irgendein anderer!“
„Okay. Kommen Sie endlich zur Sache!“
„Ich wiederhole, dass ich nicht darüber sprechen darf, aber der Anruf erfolgte im Auftrag des CIA.“
„Ich habe Turners Vergangenheit ziemlich genau durchforscht“, sagte Wilson unwirsch. „Es war nichts darin zu entdecken, das Anlass zu der Vermutung geben könnte, Turner habe mit dem CIA zusammengearbeitet.“ Er lachte kurz auf. „Turner als Geheimagent! Das ist absurd!“
„Was ist so absurd daran?“
„Turner war ein kleiner Bankangestellter“, erklärte Wilson. „Ein Kassierer. Ein nüchterner Zahlenmensch, ein Mann ohne Dynamik, Phantasie und Elan. Eine Buchhalternatur! Womit hätte er dem CIA nützen oder schaden können? Ich will Ihnen etwas sagen, mein Junge: Sie haben sich rasch eine Geschichte ausgedacht, um mich bluffen zu können, stimmt das? Aber damit kommen Sie bei mir nicht durch! Solche Ammenmärchen kaufe ich Ihnen nicht ab.“
„Was wollen Sie denn hören?“
„Das wissen Sie verdammt genau! Wer hat Turner umgelegt? Los, heraus mit der Sprache!“
„Ich war es nicht. Ich gebe zu, dass ich im Krankenhaus gewesen bin, aber...“
„Was wollten Sie dort?“, forschte Wilson.
„Ich hatte den Auftrag, Turner einige Anweisungen zu geben.“
„Auf Befehl des CIA, nehme ich an?“ Wilsons Stimme klang höhnisch.
„Allerdings!“, sagte der Fremde. „Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen?“
„Wenn Sie Mitglied des CIA sind, bin ich Putins Vertrauensmann in Amerika!“, spottete Wilson.
„Moment“, sagte der Fremde. „Ich zeige Ihnen den Ausweis.“
„Woher haben Sie das Ding?“
„Sehen Sie ihn sich genau an“, riet die heisere, keineswegs unangenehme Stimme selbstzufrieden. „Er ist echt. Ich muss Sie allerdings bitten, das alles vertraulich zu behandeln. Die Öffentlichkeit darf nicht das geringste davon erfahren.“
„Sie machen mir Spaß!“, meinte Wilson. „Wofür halten Sie mich eigentlich? Ich bin nicht an Ihre komischen Geheimhaltungsvorschriften gebunden! Ich bin Reporter. Ich lebe davon, Knüller aufzuspüren und darüber zu schreiben! Das hier ist ein Reißer ganz besonderer Art. Was hat die CIA mit dem Bankraub zu tun? Wäre eine Schlagzeile nach meinem Geschmack. Musste Turner sterben, weil es die CIA so wollte? wäre eine andere Möglichkeit. Hm, lieber nicht. Das würde uns in Schwierigkeiten bringen. Bestimmt findet sich etwas anderes, ähnlich zugkräftiges. Fest steht, dass der Bericht wie eine Bombe einschlagen wird.“
„Sie werden nichts dergleichen bringen“, sagte die belegte Stimme ruhig.
„Niemand kann mich daran hindern, die Wahrheit zu schreiben!“, erklärte Wilson entschlossen.
„O doch“, meinte der Fremde, ohne die Stimme zu heben. „Ich kann es.“
„Sie?“
„Sagen wir, meine Dienststelle, die CIA.“
„Die Abwehr hat eine Menge Einfluss, aber sie hat nicht die Macht, die Öffentlichkeitsarbeit der freien Presse zu beeinträchtigen“, meinte Wilson.
Der Fremde lachte kurz und spöttisch.
„Ich kann verstehen, dass Sie sich ärgern, Wilson. Sie sind einer sensationellen Sache auf die Spur gekommen und dürfen nichts darüber bringen. Das nagt an Ihrem Reporternerv, das haut Sie förmlich um. Aber so ist es nun einmal. Der Fall ist Staatsgeheimnis. Darauf weise ich Sie hiermit ganz offiziell hin. Okay?“
„Eine Bank wird überfallen“, sagte Wilson bitter. „Der Kassierer wird niedergeschossen. Die Täter entkommen mit einer Beute von vierzehn Millionen Dollar. Der niedergeschossene Kassierer wird ins Hospital eingeliefert und operiert. Die Operation gelingt. Stunden später wird der Kassierer ermordet. Ich werde davon durch einen Anruf in Kenntnis gesetzt und erinnere mich, die Stimme schon einmal gehört zu haben. Ich spüre sie auf und erfahre, dass Sie Turner im Krankenhaus besucht haben. Angeblich war er zu diesem Zeitpunkt schon ermordet. Sie fragen bei Ihrer Dienststelle an, was zu tun sei, und man befiehlt Ihnen, mich anzurufen. Angeblich lag es im Interesse des CIA, Turners Tod rasch bekannt werden zu lassen. Fantastisch! Wollen Sie mir bitte erklären, wo da ein innerer Zusammenhang besteht? Es dreht sich noch immer um den Bankraub, es geht um die gestohlenen vierzehn Millionen, und es geht um den Mord an Turner! Um nichts weiter, klar? Ich wäre nicht Ronny Wilson, wenn ich darauf verzichtete, die sensationelle, reichlich undurchsichtige Story auf der Frontseite der New York Post zu bringen!“
„Mensch, Wilson in dieser Stadt vergeht kein Tag ohne Mord, Verbrechen, Sensationen. Es heißt, dass früher in Amerika das Geld auf der Straße lag. Heute sind es die Knüller, die Sensationen, die man nur aufzuheben braucht. Sie wissen das doch am besten! Suchen Sie sich einen anderen, weniger explosiven Stoff. Der Fall Turner und alles, was damit zusammenhängt, ist für Sie ab sofort tabu. Verstanden?“
„Sie werden Ihr blaues Wunder erleben!“, verkündete Wilson grimmig.
Ich hörte das Rücken von Stühlen. Schritte entfernten sich, eine Tür knarrte. Dann fiel sie ins Schloss.
Sekunden später fiel etwas anderes. Ein Schuss.
Er war nicht sehr laut. Offenbar kam er aus einer mit Geräuschdämpfer versehenen Waffe. Ganz sicher war der Schuss in der Mansardenwohnung abgefeuert worden. Ich bewegte mich so rasch auf das offene Fenster zu, wie es mit meiner Sicherheit in Einklang zu bringen war. Ich sprang ins Innere des erleuchteten Zimmers. Ich nahm mir nicht viel Zeit, die schäbige Einrichtung zu mustern. Mit wenigen Schritten war ich an der Tür. Ich wollte sie öffnen, aber die klemmte. Von außen drückte etwas gegen die Tür. Ich stemmte mich dagegen und hatte Erfolg. Ich sah, was ich beiseitegeschoben hatte. Es war Ronny Wilson.
Er lag auf dem Rücken, mit weit aufgerissenen Augen. Eine Hand hatte er in Höhe des Herzens in den Anzug verkrallt.
Er lebte noch.
Der Ausdruck seiner Augen und die Lage der Schusswunde ließen mich vermuten, dass ihm nicht mehr viel Zeit blieb.
Ich kniete neben ihm nieder. Er wandte den Kopf und erkannte mich. Irgendetwas zerrte an meiner Kehle, als ich sah, dass er matt lächelte.
„Sie haben mich gewarnt, Hill“, brachte er mühsam und kaum hörbar hervor. „Es ist nicht Ihre Schuld!“
„Sprechen Sie kein Wort zu viel!“, sagte ich und beugte mich zu ihm hinab. „Wer war es?“
Ein dumpfes Stöhnen war die einzige Antwort. Er schien plötzlich Schmerzen zu empfinden. Ich streifte meine Jacke ab, rollte sie zusammen und schob sie unter seinen Kopf. Als ich den Kopf losließ, rollte er zur Seite. Ich sah, dass der Ausdruck der Augen sich verändert hatte. Sie sahen so starr und gläsern aus, als wären sie aus bemaltem Porzellan.
Ich begriff, dass diese Augen nichts mehr sahen. Ronny Wilson war tot.