Читать книгу Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland - Страница 21

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Es war eine lange Fahrt.

Oder kam sie mir nur so endlos vor, weil ich sie in der Enge des Kofferraums durchstehen musste? Ich war noch immer gefesselt. Die Hände spürte ich schon nicht mehr. Tiggers hatte dafür gesorgt, dass der widerwärtige Knebel wieder den alten Platz einnahm. Der Wagen war schlecht gefedert. Ich merkte genau, wenn es über Kopfsteinpflaster, über Schienen und Schlaglöcher ging.

Zum Glück wurden die Straßen allmählich besser. Wir hielten häufiger. Das regelmäßige Bremsen konnte nur mit dem Vorhandensein von Ampelanlagen erklärt werden, gleichzeitig wurde der Verkehrslärm intensiver. Es gab kaum einen Zweifel: Wir rollten durch Manhattan.

Ich hatte keine Ahnung, wie lange diese qualvolle Fahrt wirklich dauerte. Endlich, nachdem wir eine halbe Minute über knirschenden Kies gefahren waren, hielt der Wagen. Die Kofferraumklappe wurde geöffnet und über mir sah ich den sternenklaren Himmel. Er wirkte aus meiner Sicht etwas verschwommen, denn in meinen Augen standen Tränen des Schmerzes. Zwei Männer hoben mich aus dem Wagenheck und trugen mich ins Haus. Dort legten sie mich auf den Boden und zerschnitten meine Fesseln. Jetzt ging der Schmerz erst richtig los.

Die jäh einsetzende Blutzirkulation machte mir einige Minuten so stark zu schaffen, als wären meine Adern mit Salzsäure gefüllt. Dann ließ der Schmerz nach. Ich öffnete die Augen und schaute mich um.

Ich lag in der Halle einer hochherrschaftlich anmutenden Villa. Die Ölschinken an den Wänden mussten ganze Malergenerationen in Lohn und Brot gehalten haben. Es handelte sich fast ausschließlich um Darstellungen antiker Schlachtszenen. Das Getümmel muskulöser Menschen und Pferdeleiber, das dick aufgetragene Blut und die brechenden Blicke der Sterbenden waren zweifelsohne ein sehr fragwürdiger Kunstgenuss. Gerade jetzt hätte ich ihn mir gern versagt.

„Aufstehen, Schnüfflerin!“, sagte eine Stimme. Sie war weder laut noch gehässig, sie war einfach widerlich. Ich wälzte mich zur Seite und kam auf die Beine. Als ich schon glaubte zu stehen, sackte ich wieder zusammen.

„Sie war nicht gut in Form heute“, sagte ein Mann spöttisch. „Hat wohl zu viel getrunken!“

Ich schaute den Sprecher an. Er war knapp vierzig Jahre alt und bewegte kaugummikauend die Kinnladen.

Der andere Mann war etwas jünger. Er hatte ein Boxergesicht mit platt geschlagener Nase und kleinen, tückisch funkelnden Augen.

Von Tiggers und seiner Nichte war nichts zu sehen. Ich kämpfte mich erneut in die Höhe. Diesmal blieb ich auf den Beinen, wenn auch recht wacklig.

In diesem Moment ertönte ein Klingelsignal.

Es schien, als rotierte die Halle in wildem Tempo um mich herum. Das Tempo beruhigte sich langsam. Ich bekam einen Stoß von hinten. Das war der Boxer.

„Vorwärts, Marsch!“, befahl er. „Der Chef will dich sprechen!“

Ich riss mich zusammen, aber das nützte nicht viel. Meine Beine fühlten sich an, als wären die Knochen gegen Gummischläuche ausgetauscht worden. Ich schaffte es einfach nicht, gerade zu gehen. Flankiert von den Männern wankte ich in einen Raum, in dem es nur eine einzige Lichtquelle gab.

Diese tiefhängende Deckenlampe beleuchtete einen kahlköpfigen Mann, der im dunklen Anzug hinter einem mit schwarzem Stoff behangenen Tisch saß. Die Atmosphäre im Zimmer, die strengen, fast asketischen Züge des Mannes und der verhangene Tisch ließen mich im ersten Moment glauben, in das Klubzimmer eines spiritistischen Zirkels geraten zu sein, aber schon in der nächsten Sekunde wurde mir klar, dass ich dem Richter gegenüberstand.

Ich konnte nicht erkennen, wer oder was sonst noch im Raum war. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass außer dem Richter und meinen Bewachern noch mehr Augen meinen wenig imponierenden Einzug verfolgten.

Ich erhielt erneut einen Stoß von hinten und sackte auf einem Stuhl zusammen. Die rotierende Welt kam endgültig zum Stillstand. Ich war in der Lage, wieder ein paar klare Gedanken zu fassen. Sehr leicht fiel mir das in dieser Umgebung freilich nicht.

Der Richter war knapp fünfundvierzig Jahre alt. Er hatte ein strenges schmales Gesicht von der Art, wie man es bei Mephisto-Darstellern schätzt, und dunkle, glühende Augen. Seine Lippen waren blass und schmal. Das Kinn war durch eine tiefe Kerbe zweigeteilt. Er war fabelhaft rasiert. Der Duft seiner Aftershave-Lotion drang bis in meine Nase. Zu dem dunklen Anzug trug er eine silbergraue Krawatte. In dem Revers steckte eine weiße Nelke. Die Blume wirkte seltsamerweise nicht belebend, sie verlieh der Szene etwas von der düsteren Melancholie einer Bestattung.

„Sie sind also Carrie Hill“, sagte er. Seine Stimme überraschte mich. Ich war auf eine dünne, flache Stimme gefasst gewesen und musste nun erkennen, dass der Richter eine kräftige, wohltönende Stimme hatte, die sich in jeder Umgebung sofort Gehör zu verschaffen wusste.

„Ja, das bin ich. Und wer sind Sie?“

Er machte eine kleine Kunstpause und sagte dann ruhig:

„Mein Name ist Paul Dozer.“

Ich war einen Augenblick so verblüfft, dass ich erst schlucken musste.

„Paul Dozer“, echote ich. „Ich hoffte seit langem, Sie einmal kennenzulernen.“

Paul Dozer war die unbekannte Größe innerhalb der Unterwelt. Er ließ sich nicht einordnen. Er war weder ein Einzelgänger, noch führte er ein Syndikat der üblichen Art.

Jedes Syndikat hat sich auf eine bestimmte Form der Geschäftsführung festgelegt. Fast immer gehören Rauschgifthandel, Prostitution und Erpressung dazu. Von Dozer wurde behauptet, dass er jede Schablonisierung und Schematisierung der Arbeit hasste. Er zog es vor, etwa nach der Art der englischen Posträuber, einen großen „Job“ detailliert und generalstabsmäßig zu planen und durchzuführen. Es war selten, dass er ein großes Ding wiederholte.

Jetzt wusste ich, wer hinter dem Vierzehn-Millionen-Dollar-Raub stand. Weshalb waren wir nicht früher darauf gekommen?

„Sie stören unsere Kreise, Hill“, sagte er.

„Das ist mein Beruf, Dozer.“

„Was wissen Sie bereits?“

„Noch nicht genug“, sagte ich ausweichend, obwohl ich wusste, dass Dozer meinen Tod schon beschlossen hatte. Es wäre ihm sonst nicht eingefallen, sich namentlich vorzustellen. Von Dozer, der niemals in einer Gefängniszelle gesessen hatte, existierten nur zwei Aufnahmen aus seiner Militärzeit. Seit damals hatte er sich beträchtlich verändert Es wurde behauptet, dass er nach zwei Gesichtsoperationen kaum noch Ähnlichkeit mit dem GI aus dem Jahre 1990 hatte.

„Wir wollen es kurz machen“, meinte Dozer trocken. „Ich liebe es nicht, von Schnüfflern behelligt zu werden. Wilson musste bereits erfahren, wie die Mitglieder meines Teams in solchen Fällen zu reagieren pflegen. Mit Ihnen ist das ein wenig anders, schwieriger, möchte ich sagen. Sie sind ein kleiner aufgehender Stern beim FBI, eine FBI-Agentin der Sonderklasse. Ihr Verschwinden würde wie eine Bombe einschlagen, nicht wahr? Meine Leute haben es deshalb vorgezogen, die letzte Entscheidung mir zu überlassen.“

„Sehr vernünftig“, lobte ich.

„Ich glaube, dass ich in Zukunft sehr viel ruhiger atmen werde, wenn eine gewisse Carrie Hill von der Bildfläche verschwindet.“

„Ich bezweifle das, Dozer. Ich brauche Ihnen wohl kaum die Gründe zu erläutern, warum ich das bezweifle. Sie selbst wissen es. Wenn ich von der Bildfläche verschwinde, tauchen mehr Agenten auf, als Sie in Ihrem Leben gesehen haben.“

„Ich habe eine andere Auffassung, Hill. Ich glaube, dass Ihren geschätzten Kollegen die Lust vergeht, sich allzu intensiv um mich zu kümmern, wenn sie erfahren, dass ich mich nicht scheue, eine Carrie Hill zum Tode zu verurteilen.“ Er grinste matt. „Wie Sie sehen, ist alles nur eine Frage der Auslegung. Dialektik, meine Liebe!“

Er wandte den Kopf.

„Es ist verdammt heiß hier“, sagte er scharf. „Ist die Klimaanlage immer noch kaputt?“

„Ja, Sir“, ertönte eine Stimme aus dem Dunkel.

„Dann macht ein Fenster auf!“

Ich hörte das Rücken eines Stuhls, Schritte, das scharfe reißende Geräusch, das beim Öffnen eines Vorhanges entsteht und schließlich das Ruckeln eines Fensterflügels, der leicht klemmte. Augenblicklich kam eine leichte, kühle Brise ins Zimmer. Die Schritte tappten zurück. Der Mann, den ich nicht sehen konnte, setzte sich wieder.

Ich erkannte das helle Rechteck hinter dem Tisch, obwohl die Lampe mich etwas blendete. Bis zu dem Fenster waren es gute fünf Meter. Ich rechnete mir eine schwache Chance aus, dieses Fenster zu erreichen. Im Grunde brauchte ich nur in die Dunkelheit zu hechten. Solange ich dabei in der Nähe des Tisches blieb, würde keiner zu schießen wagen.

Die Sache hatte nur einen Haken, oder vielleicht auch zwei. Ich wusste, dass mich Dozers Männer genau beobachteten. Ich bezweifelte nicht, dass sie die schussbereiten Waffen in den Händen hielten und nur darauf warteten, dass ich ihnen Anlass zu einer Aktion gab, die sicherlich genau ihren Wünschen entsprach. Vermutlich stand einer von ihnen direkt neben dem Lichtschalter. Bei meiner ersten Bewegung würde ein Fingerdruck von ihm genügen, den Raum in hellstes Licht zu tauchen.

Noch während ich das Für und Wider der Aktion erwog, plätscherte Dozers wohlklingende Stimme in mein Ohr.

,,... werden Sie uns vor Ihrem Abtreten selbstverständlich davon unterrichten, wie es Ihnen gelungen ist, den guten Tom aufzuspüren?“

Ich wurde hellwach. Tom! Das konnte nur der ominöse Mr. Nelson sein!

„Ich kenne keinen Tom“, sagte ich.

„O doch, er ist einer der tüchtigsten Leute, Leiter der Außenstelle Brooklyn“, meinte Dozer. „Bis heute wohnte er dort in der Pilgrims Road.“

„Ah, der Mann mit der Whiskystimme“, sagte ich. „Wie ist er eigentlich an den CIA-Ausweis rangekommen? Wilson kennt sich mit solchen Dingen aus und lässt sich nicht so leicht bluffen.“

„Es ist eine hervorragende Fälschung“, meinte Dozer.

„Tom hat Turner ermordet, nicht wahr?“

„Er hat ihn zum Schweigen gebracht“, meinte Dozer. „So lautete sein Auftrag.“

„Warum musste Turner sterben?“, fragte ich.

Dozer lächelte. Er hatte sehr feste weiße Zähne. „Warum musste Wilson daran glauben? Warum müssen Sie sterben? Die Ursachen sind einander sehr ähnlich. Sie werden uns gefährlich so wie Wilson und Turner uns gefährlich wurden. Turner hat den Mann erkannt, der das Geld kassierte.“

„Babyfeet, nicht wahr?“

Ich beobachtete Dozer genau. Sein Gesicht war wie eine Maske. Kein Muskel zuckte darin. Aber er brauchte ziemlich lange, um eine Antwort zu finden.

„Ja, Babyfeet“, sagte er. „Weshalb soll ich Ihnen gegenüber ein Geheimnis daraus machen? Sie können es keinem mehr verraten.“

Hinter Dozer entstand Bewegung. Im nächsten Moment trat ein junges, schwarzhaariges Girl in den Lichtkreis der Lampe. Ihre kalten, grünlich schillernden Augen kreuzten nur eine Sekunde meinen Blick. Dann senkte sie die langen Wimpern und stellte ein Glas Wasser vor Dozer auf den Tisch. In dem Glas löste sie eine weiße Tablette auf. Ich sah, wie die Sauerstoffbläschen nach oben stiegen.

„Bitte“, sagte sie und verschwand.

Dozer nickte. „Danke, Baby“, murmelte er. Dann griff er nach dem Glas und kippte den Inhalt mit geschlossenen Augen hinab. Er verzog das Gesicht. Die Tablette schien ihm nicht zu schmecken. Dann stellte er das Glas beiseite. „Sind Sie jemals richtig krank gewesen?“, fragte er mich.

„Als Kind hatte ich die Masern.“

„Sehr witzig!“, meinte er bitter. „Ich hasse gesunde Menschen.“

Ich schwieg und fragte mich, ob der mystische Unsinn dieser Gerichtsverhandlung mit irgendeiner Krankheit erklärt werden konnte.

Ich blickte zum Fenster. Ich hatte Mühe, mich nicht zu verraten. Am Fenster war ein Schatten aufgetaucht! War es einer von Dozers Wächtern, die draußen ihre Runde machten? Ich kam nicht dazu, die Frage genauer zu untersuchen, denn im nächsten Augenblick zuckte genau dort, wo der Schatten war, ein grellroter Blitz auf. Er fiel zusammen mit dem Dröhnen eines Schusses. Ich war im Nu auf dem Boden, und zwar dicht neben dem Tisch.

Ich hörte aufspringende Menschen und das Fallen von Stühlen.

„Licht, verdammt nochmal, Licht!“, keuchte jemand.

Drei, vier Schüsse peitschten durch den Raum.

Instinktiv legte ich die Arme um den Kopf, aber die Schüsse schienen nicht mir zu gelten. Einer der Männer hatte sie auf das Fenster abgefeuert.

Ich robbte auf das Fenster zu. Jemand stolperte über mich.

„Hier liegt der Kerl!“, brüllte er. „Ich...“

Weiter kam er nicht.

Ich erfasste seinen, rechten Fuß und warf ihn mit einem Judogriff scharf herum. Der Mann ging zu Boden.

Dann war ich am Fenster. Dort zögerte ich keine Sekunde. Hinter mir war ziemlicher Lärm. Ich wusste nicht, ob jemand das Fenster im Auge behielt und nur darauf wartete, dass sich vor dem hellen Rechteck etwas bewegte. Ich setzte alles auf eine Karte und schwang mich über die Fensterbrüstung nach draußen. Im nächsten Moment lag ich schwer atmend auf dem kühlen, feuchten Rasen vor dem Fenster. Ich war im Freien, aber noch nicht frei.

Ich sprintete sofort los und jagte an der Hauswand entlang. Vor dem Portal standen einige Wagen. Einer davon rollte gerade los. Es war ein kleiner italienischer Flitzer, ein Lancia Cabriolet. Am Steuer des offenen Wagens saß ein Mädchen. Ihr Haar schimmerte im Licht des Sternenhimmels wie Metall.

Ich legte eine zirkusreife Nummer hin, indem ich in den fahrenden Wagen sprang und prompt auf dem Beifahrersitz landete. Das Mädchen riss den Kopf herum. Als sie mich erkannte, stieß sie einen Schrei aus. Sie trat so scharf auf die Bremse, dass ich mit dem Kopf gegen die Windschutzscheibe schlug.

„He, wie lange haben Sie schon den Führerschein?“, fragte ich und massierte die Stirn. Dann wandte ich mich um. Ich sah, dass zwei Männer aus dem Haus traten. Einer von ihnen bemerkte uns und wies mit ausgestrecktem Arm auf uns. Er schrie etwas Unverständliches.

„Fahren Sie los!“, befahl ich so scharf, dass das Mädchen zusammenzuckte und gehorchte. Wir jagten den Kiesweg hinab und ordneten uns Sekunden später in den fließenden Verkehr der Straße ein. Ich sah, dass es die Westend Avenue war.

Gedankenverloren öffnete ich das Handschuhfach. In einer Plastikhülle fand ich den Führerschein, der auf den Namen Dona Mitchell, New York, Queens, Ditmars Boulevard 88, ausgestellt war.

„Halten Sie an der nächsten Ecke“, sagte ich.

„Was haben Sie vor?“

„Eine ganze Menge“, sagte ich und warf einen Blick auf die Armbanduhr. „Es ist ja noch früh am Abend.“

„Mitternacht ist längst vorbei!“, meinte sie.

Ich grinste. „Um diese Zeit laufe ich zu meiner üblichen Hochform auf.“

„Seit wann verkehren Sie mit Dozer?“

„Seitdem ich entdeckt habe, dass er sehr großzügig ist“, erwiderte sie.

„Wann war das?“

„Vor zwei Monaten, in einer Bar in Manhattan. Ich trat dort als Sängerin auf.“

„Hat Dozer Sie dort rausgeholt?“

„Es wurde auch Zeit. Ich bin keine Sängerin. Solange ich mein Aussehen und meine Figur verkaufen kann, geht alles gut. Dummerweise verlangen die Leute von einer Sängerin auch noch Stimme!“

„Wer hat auf Dozer geschossen?“

„Keine Ahnung. Als ich merkte, dass der Teufel los war, kletterte ich in meinen Wagen und gab Gas. Ich habe keine Lust, mit der Polizei Bekanntschaft zu machen.“

„Dann muss Ihnen meine Gesellschaft ja unangenehm sein“, sagte ich.

„Sie werden mich doch nicht gleich auffressen?“

„Das hängt davon ab, inwieweit Sie gewillt sind, uns bei der Aufklärung einiger Verbrechen zu helfen.“

„Das können Sie haben, aber versprechen Sie sich nicht zu viel von meinen Kenntnissen. Natürlich weiß ich, dass Paul krumme Geschäfte machte, aber ich habe mich niemals um Details gekümmert“, meinte sie.

„Halten Sie da vorn, an der Ecke. Ich will rasch in den Drugstore und telefonieren, ich habe kein Handy dabei.“

„Wollen Sie Ihre Kollegen alarmieren?“

„Ja, es wird höchste Zeit.“

„Kommt es dabei auf fünf Minuten mehr oder weniger an?“, fragte Dona.

„Wieso?“

„So weit ist es bis zu meiner Wohnung. Wenn Sie wollen, können Sie von dort telefonieren.“

„Ich denke, Sie wohnen in Queens?“

Sie schüttelte den Kopf. „Das war, bevor ich Paul kennenlernte“, sagte sie.

„Sie werden verstehen, dass er mich in der Nähe haben wollte. Deshalb habe ich jetzt ein Apartment in der 66. Straße.“

„Okay“, sagte ich, „fahren wir zu Ihnen.“

„Ob er tot ist?“, fragte sie.

„Weiß ich nicht. An welcher Krankheit leidet er überhaupt?“

„Keine Ahnung. Er geht dreimal in der Woche zum Arzt. Manchmal glaube ich, er bildet sich das alles nur ein - das mit seiner Krankheit, meine ich.“

„Was wissen Sie von dem Bankraub?“

„Mir ist bekannt, dass Paul und seine Leute ein großes Ding gedreht haben, das viel Geld brachte, aber ich habe keine Ahnung, wann das war, und wer dabei mitgemacht hat. Ich kann nicht mal sagen, wie viel die Burschen kassiert haben.“

„Erwarten Sie von mir, dass ich Ihnen das glaube?“

„Na, hören Sie mal!“, meinte Dona entrüstet. „Warum sollte ich Sie wohl belügen? Mein Prinzip ist sehr einfach. Als ich Paul Dozers Geliebte wurde, war ich entschlossen, den Mist einige Monate mitzumachen und dabei abzusahnen. Alles andere interessierte mich nicht.“

Sie lenkte den Wagen in eine Parklücke. „Wir sind da.“

Als wir ausstiegen, sagte sie: „Es ist da drüben. Ich wohne im 3. Stock.“

Ich half dem Mädchen, das Wagenverdeck zu schließen, dann überquerten wir die Fahrbahn. Das Haus Nummer 68 war ein fünfzehngeschossiges Wohnhaus modernen Stils.

Wir durchquerten eine große Halle, in der ein beleuchteter Springbrunnen monoton plätscherte, und betraten dann den Lift. Im Nu waren wir im dritten Stockwerk.

Dona ging voran. Sie schob den Schlüssel in das Schloss der rot lackierten Wohnungstür und sagte: „Treten Sie ein, bitte. Die erste Tür links führt ins Wohnzimmer. Ich hoffe, Sie sind keine Ordnungsfanatikerin. Bei mir hapert es mit diesen Dingen ein wenig.“

Ich trat ein und suchte nach dem Lichtschalter. Noch ehe ich ihn entdeckte, traf mich etwas in den Nacken. Es war ein Schlag, der jedem Holzfäller Ehre gemacht hätte. Ich ging in die Knie, war aber sofort wieder auf den Beinen.

Das Licht flammte auf. Dona stand am Schalter. Ihr erschrecktes, verstörtes Gesicht verriet, dass sie von der Überraschung nichts gewusst hatte.

Der Mann, dem ich gegenüberstand, war ein alter Bekannter. Er stand in klassischer Boxhaltung vor mir und grinste, wie nur ein Mensch grinsen kann, der einem Mordsvergnügen entgegensieht.

Er war offensichtlich entschlossen, aus mir Kleinholz zu machen. Das Jackett seines Maßanzuges hatte er bereits abgelegt. Die Ärmel des weißen Oberhemdes waren hochgekrempelt, der Schlipsknoten gelockert.

„Ein reizendes Wiedersehen, nicht wahr?“, fragte er höhnisch. „Sie sind uns in der allgemeinen Aufregung entwischt, meine Liebe. Das war nicht nett von Ihnen! Glücklicherweise sahen wir Sie in letzter Sekunde mit Dona wegfahren. Ich raste sofort hinterher und überholte Sie. Auf diese Weise gelang es mir, vor Ihnen an Ort und Stelle zu sein.“

„Was ist mit Dozer?“

„Der ist mausetot“, sagte der Boxer. „Es war ein glatter Herzschuss.“

„Wer hat ihn abgegeben?“

„Hören Sie meine Liebe“, schnaufte er, noch immer in Angriffshaltung, „ich bin nicht hier, um Fragen zu beantworten. Man hat mich in Donas Wohnung geschickt, um Pauls letzten Willen zu vollziehen. Ich hätte Sie mit der Pistole erwarten und niederstrecken können. Aber das entspricht nicht meiner Auffassung von einem handfesten Vergnügen. Ich will Ihnen eine letzte Chance einräumen. Sie können sich verteidigen, Mann gegen Frau.“ Er grinste. „Aber nehmen Sie sich in acht, Hill. Ich war drei Mal hintereinander Meister in der Halbschwergewichtsklasse. Und ich habe nichts unterlassen, um in Form zu bleiben!“

Er versuchte mit einem Linkshaken durchzukommen, aber seine Faust schoss ins Leere. Ich begnügte mich nicht damit, abzutauchen. Ich konterte mit einer Geraden, die knallhart ins Ziel kam.

Der Boxer blinzelte. Er torkelte zwei Schritte zurück und sah aus wie ein Mann, der sich jäh eines bewährten Konzeptes beraubt sieht und nicht weiß, was er an dessen Stelle setzen soll. Der Moment der Unsicherheit währte nur für den Bruchteil einer Sekunde. Dann zeigte sich in seinem abgeplatteten, brutalen Gesicht der Ausdruck von Wut und Zorn. Er ging auf mich los, als sei er verpflichtet, in zwanzig Sekunden den Entscheidungstreffer herbeizuführen.

Ich ließ ihn kommen, duckte ab, konterte, ließ ihn leerlaufen und tat so ungefähr alles, um den vehementen Angriffen die Wucht zu nehmen. Ich steckte zwei oder drei harte Körpertreffer und einen weniger harten Schlag am Kinn ein. Der Boxer musste dagegen einen schmerzhaften Leberhaken und vier harte Kopftreffer kassieren. Er sah jetzt noch wütender aus als zuvor. Ihm schien zu dämmern, dass seine optimistische Kampfprognose ein wenig verfrüht abgegeben worden war.

Er versuchte immer wieder, mit einem entscheidenden Tiefschlag durchzukommen, aber die Schläge waren weit hergeholt, ich erkannte sie im Ansatz, und es kostete mich wenig Mühe, ihn abzublocken. Ich visierte ihn genau an und beendete den Kampf mit einem Leberhaken, der ihm die Luft nahm. Er verdrehte die Augen wie eine Plastikpuppe und fiel um.

Ich holte tief Luft. Erst jetzt merkte ich, dass auch an mir der Kampf nicht spurlos vorbeigegangen war. Die Sachen klebten mir am Leibe. Ich fühlte mich ziemlich ausgepumpt.

„Haben Sie...“, begann ich und drehte mich nach dem Mädchen um.

Das Wort blieb mir im Halse stecken, als ich sah, dass Sie eine Pistole in der Hand hielt.

„Legen Sie das Ding weg!“, sagte ich scharf.

Das Mädchen antwortete nicht. Sie blickte mich nur an. Ihre Augen waren sehr kalt. Sie stand auf der Schwelle des Wohnzimmers. Es war nicht schwer sich vorzustellen, dass sie die Waffe aus dem Jackett des Gangsters geholt hatte.

„Es hat keinen Zweck, Hill“, sagte sie. „Ich stecke zu tief mit drin. Ich muss abhauen. Ich muss der Organisation beweisen, dass ich nach anfänglicher Kopflosigkeit wieder zu einem verlässlichen Mitglied des Teams geworden bin. Ich habe einiges gutzumachen.“

Der Boxer stemmte sich in die Höhe. Er hatte die letzten Worte mitgehört. Er glotzte Dona an. Ein triumphierendes Grinsen kroch über seine Visage, als er die 45er Automatik in ihrer Hand bemerkte.

„So ist es recht, Baby“, keuchte er. „Gib ihr, was sie verdient! Los, drück schon ab!“

Dona blickte den Boxer nur kurz und verächtlich an.

„Steh auf und mach dich fertig, rasch!“, sagte sie. „Es wird Zeit, dass wir von hier verschwinden.“

Der Ex-Boxmeister kam auf die Beine. Er sah ziemlich mitgenommen aus. Seine kleinen, dunklen Augen richteten sich hasserfüllt auf mich.

„Wir sind nicht so sehr in Eile, wie du zu glauben scheinst“, meinte er halblaut.

„Gib mir die Kanone her, ich will mit dem Weib abrechnen!“

„Du wirst nichts dergleichen tun“, erklärte das Mädchen kühl und leicht verärgert. „Ich dulde keinen Mord!“

Er starrte sie an. „Bei dir ist wohl ’ne Schraube locker? Sie muss von der Bildfläche verschwinden! Sie weiß zu viel! Sie ist die einzige, die unser Hauptquartier kennt!“

„Unser Hauptquartier!“, echote das Mädchen verächtlich. „Was ist das schon? Eine Villa, die Paul unter einem Decknamen gemietet hat, angeblich, um eine Versicherungsgesellschaft darin unterzubringen. Wir können das Haus räumen, ohne irgendwelche Spuren zurückzulassen.“

„Verdammt nochmal, das haben wir aber nicht nötig! Diese Schnüfflerin muss sterben! Das war Pauls Wille “

„Paul ist tot.“

„Die Interessen der Organisation haben sich nicht geändert“, erklärte der Boxer schwer atmend.

„Ich mache eine Menge mit“, meinte das Mädchen. „Mehr, als mir lieb ist. Ich tue es, weil ich weiß, dass Luxus, Komfort und Reichtum ihren Preis haben. Aber in diesem Spiel gibt es für mich Grenzen. Mord werde ich nicht zulassen. Ich habe keine Lust, im Knast zu enden.“

Der Boxer zögerte. „Du bildest dir ein, auf diese Weise eine Rückversicherung abzuschließen“, meinte er dann halblaut und grollend. „Du denkst, wenn sie dich eines Tages doch mal schnappen, wird sich Carrie Hill großmütig deines heutigen Verhaltens erinnern. Gib dich keinen Illusionen hin. Polypen sind alle gleich. Sie kennen keinen Dank und keine Gnade. Sie hassen uns und kennen nur ein Ziel: unsere Vernichtung! Es ist ein Kampf, in dem es kein Pardon gibt! Je früher du das begreifst, desto besser!“

„Bist du endlich fertig?“, fragte das Mädchen ungeduldig. Sie zuckte zusammen, weil sie bemerkt hatte, dass ich einen Schritt auf sie zugegangen war.

„Stopp!“, sagte sie blass und entschlossen. „Täuschen Sie sich nicht, Hill. Ich will kein Blutvergießen, aber wenn Sie aus meinen Worten den Schluss ziehen sollten, dass es kein Risiko bedeutet, mir die Pistole abzunehmen, werden Sie eine böse Überraschung erleben! Ich will Sie schonen, das haben Sie sicherlich gemerkt. Erschweren Sie mir diese Arbeit nicht durch irgendwelche Tricks! Zwingen Sie mich nicht, zur Mörderin zu werden!“

„Ich habe nicht vor, das Durcheinander zu vergrößern“, sagte ich.

„Sie müssen sich aber darüber im Klaren sein, dass der Kampf weitergeht.“

„Das ist Ihre Sache und die von Pauls Männern“, meinte sie. „Ich bleibe jedenfalls meinem Grundsatz treu. Kein Mord mit meinem Wissen und in meiner Gegenwart!“

„Mir kommen gleich die Tränen!“, höhnte der Boxer.

„Du hast keinen Grund, dich aufzuspielen!“, sagte das Mädchen barsch. „Warte, wie die anderen reagieren werden, wenn sie hören wie Hill dich zusammengeschlagen hat!“

Der Ex-Meister sah auf einmal ziemlich kläglich aus. Er leckte sich die pralle, aufgeplatzte Unterlippe und meinte: „Willst du mich blamieren? Du weißt genau, dass in meinen Fäusten Dynamit steckt! Möglicherweise befinde ich mich in einem Formtief, das kommt selbst bei den tüchtigsten Leistungssportlern vor. Das nächste Mal verarbeite ich Hill zu Sägemehl!“

„Komm jetzt!“, sagte das Mädchen ungeduldig.

„Moment“, meinte der Boxer. „Erst muss ich den Telefonanschluss zerstören.“ Er ging ins Wohnzimmer. Ich hörte, wie er das Telefonkabel aus der Verankerung riss.

Dann kam er wieder. Das Jackett hatte er über die Schultern gehängt.

„Wo ist dein Handy?“, schnauzte er sie an. „Gib es mir“

Dona ging in den Flur und kramte in ihrer Handtasche. Sie überreichte ihm das Handy, was er sogleich in seine Jackentasche gleiten ließ.

„Alles, was hier geschieht, musst du verantworten!“, sagte er zu Dona.

„Sieh nach, ob der Schlüssel noch an der Wohnungstür steckt“, befahl sie.

„Er steckt.“

„Gut. Geh jetzt zum Lift. Stoße einen leisen Pfiff aus, wenn er da ist und du die Tür geöffnet hast.“

„Okay“, brummte er und marschierte zur Tür. Auf der Schwelle blieb er stehen. Er wandte sich um und sagte drohend zu mir: „Wir sehen uns wieder!“

„Davon bin ich überzeugt“, erwiderte ich.

Er grunzte etwas und verschwand. Im Haus war es sehr still, so dass man das Summen des Liftes deutlich hörte. Kurz darauf ertönte das abgesprochene Signal. Dona ging rückwärts zur Tür. Die Pistolenmündung zielte genau auf mein Herz.

„Treten Sie zurück“, sagte sie. „Bis ins Wohnzimmer ja, so ist es gut!“

Sie schloss blitzschnell die Wohnungstür. Fast gleichzeitig drehte sie den Schlüssel herum und zog ihn ab. Ich war eingeschlossen. Ich hörte, wie sich das helle Klicken ihrer hochhackigen Absätze rasch entfernte und trat im Wohnzimmer ans Telefon. Es kostete mich keine Mühe, das Telefonkabel zu reparieren, der Trottel von Mann hatte lediglich den Stecker aus der Wandbuchse gerissen.

Ich wählte Rayns Privatnummer. Er meldete sich nicht. Ich rief die Dienststelle an. Rayn war da.

„Hör mal“, sagte ich. „Willst du heute überhaupt nicht in die Klappe kriechen?“

„Mensch, Carrie!“, sagte er. Seiner Stimme war anzuhören, wie froh er war, dass ich endlich anrief. „Hast du überhaupt eine Ahnung, in welcher Sorge wir sind, seitdem diese undurchsichtige Geschichte in der Pilgrims Lane passierte? Ich bin hingefahren und habe dort den Dienstwagen entdeckt.“

„Alles halb so wild“, unterbrach ich, „zumindest soweit es mich betrifft. Für Ronny Wilson und Paul Dozer sehen die Dinge beträchtlich ernster aus. Beide sind tot.“

„Dozer?“, echote Rayn erstaunt. „Wie kommt der denn in die Geschichte rein?“

„Das erzähl ich dir später.“

„Wo bist du jetzt?“

„In der 66. Straße, in der Wohnung von Dona Mitchell. Ich bin von ihr eingeschlossen worden, werde aber keine Mühe haben, die Tür zu öffnen. Rufe Hoover an und stelle eine Verbindung mit der City Police her. Sorge vor allem dafür, dass schnellstens Haftbefehle für Johnny Tiggers und seine Nichte ausgefertigt werden.“

„Wie heißt das Mädchen?“

„Nancy Summer. Hast du den Namen?“

„Ja, ich schreibe mit. Wie motivierst du den Haftbefehl?“

„Beihilfe zum Mord“, sagte ich.

Rayn pfiff leise. Durch das Telefon klang es wie ein schriller Misston.

„Sonst noch etwas?“

Ich nannte ihm die Nummer des Grundstücks in der Westend Avenue und sagte: „Das Haus muss sofort umstellt werden. Vorsicht ist geboten! Bei den Bewohnern handelt es sich um Angehörige von Paul Dozers Gangsterorganisation. Ich wette, die Burschen werden von ihren Schusswaffen Gebrauch machen.“

„Das ist eine lange Auftragsliste“, sagte Rayn. „Fertig?“

„Fertig!“, sagte ich. „Ich erwarte dich hier. 66. Straße West, Nummer 68, dritte Etage, bei Dona Mitchell.“

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