Читать книгу Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland - Страница 23
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Am nächsten Morgen zogen wir die Bilanz.
Sie sah nicht sehr erfreulich aus.
Turner war tot. Dozer war tot. Auf der Habenseite standen diesen Verbrechen nur einige Theorien und Namen gegenüber, nichts Handfestes, keine Erkenntnisse, die wir dem Distrikt Attorney mit einigen Empfehlungen auf den Tisch legen konnten.
Meine Vermutung hatte sich übrigens bestätigt.
Weder Johnny Tiggers noch seine Nichte hatten verhaftet werden können. Scheinbar spurlos waren sie aus der Pilgrim Lane verschwunden.
Das gleiche galt für die Toten. Bis zur Stunde hatte die Polizei die Leichen von Ronny Wilson und Paul Dozer nicht zu entdecken vermocht.
„Dozer war ein alter Fuchs“, sagte Rayn. „Ich wette, er hatte für alle Eventualitäten Vorsorge getroffen. Bestimmt existiert irgendwo ein Haus, eine alte Villa, oder eine verlassene Fabrik, wo die Bande jetzt Unterschlupf gefunden hat.“
„Sehr wahrscheinlich“, nickte ich. „Die Frage ist nur, wie wir diesen Unterschlupf ausfindig machen können“.
„Wir haben ein paar gute Hinweise“, meinte Rayn, dem ich inzwischen einen vollen Bericht der Ereignisse des Vorabends gegeben hatte. „Den Lancia zum Beispiel. Es gibt nicht sehr viele Cabriolets dieser Marke in New York. Wenn wir ihn finden, haben wir auch die Bande.“
Ich sprach mit Rayn noch einige Details ab, dann verließ ich die Dienststelle und fuhr zu Mrs. Turner.
Ich traf sie zu Hause an.
Sie war ganz in Schwarz gekleidet und machte einen ruhigen, gefassten Eindruck. Wir nahmen im Wohnzimmer Platz. Ich machte ihr klar, in welche Richtung unsere Gedanken zielten und fragte: „Existiert in der Bekanntschaft Ihres Mannes irgendjemand, der sich durch besonders kleine Füße auszeichnet?“
Sie dachte kurz nach. „Ich muss Ihnen gestehen, dass ich bei keinem Menschen auf die Größe der Füße achte“, sagte sie schließlich.
„Sicher“, nickte ich, „das sind Dinge, die man normalerweise nicht ins Auge fasst, die einem aber sofort auffallen, wenn sie ins Extreme gehen.“
„Ich kann mich nicht erinnern“, sagte sie.
„Nannte ihr Mann mal den Namen Babyfeet?“
Sie starrte mich an. „Wie kommen Sie darauf?“
„Ehe er starb, äußerte er dieses Wort“
Die Frau presste die schmalen Lippen fest zusammen. Sie blickte an mir vorbei.
„Ich höre das Wort zum ersten Mal“, sagte sie mit gepresst klingender Stimme. Ich hatte das Gefühl, dass sie log, und sagte es ihr auf den Kopf zu.
Sie atmete schwer. „Und wenn ich tatsächlich die Unwahrheit sage, was ist schon dabei?“, fragte sie. „Ich habe keine Lust, wie mein Mann zu enden!“
„Das ist etwas anderes. Sie fürchten sich also vor dem Mörder, so, wie Ihr Mann sich fürchtete?“
Die Frau schwieg. Sie starrte noch immer an mir vorbei ins Leere.
„Es gibt nur einen Weg, diese Furcht zu töten“, sagte ich. „Sie müssen uns helfen, den Mörder zu finden!“
„Ich weiß nichts von ihm.“
„Immerhin ist Ihnen bekannt, wer Babyfeet ist.“
„Mein Mann redete nicht gern darüber. Sie wissen, dass er ein guter und braver Beamter war. Er schämte sich, in seiner Jugend einen Mann gekannt zu haben, der später im ganzen Lande als Bankräuber gesucht wurde.“
„Sie meinen Babyfeet Miller?“
„Ja, ich spreche von George Miller“, murmelte sie und senkte den Kopf.
„Zur Zeit des Überfalls war Miller nicht auf freiem Fuß“, sagte ich. „Er sitzt noch immer in St. Quentin.“
„So? Dann hat sich dieser Punkt von selbst erledigt.“
„Wo hat ihr Mann Miller kennengelernt?“
„Sie besuchten das gleiche College. Miller ging früher ab, das heißt, er wurde gezwungen, die Schule vorzeitig zu verlassen. Ich glaube, da war irgendeine dunkle Geschichte, die mit der Frau eines Lehrers begonnen hatte. Es gab einen deftigen Skandal, und Miller wurde relegiert.“
„Blieb er mit Ihrem Mann in Verbindung?“
„Damals waren wir noch nicht verheiratet.“
„Ich weiß, aber Ihr Mann hat Ihnen doch sicherlich alles Wichtige aus seiner Vergangenheit erzählt?“
„In dieser Hinsicht bin ich nicht ganz sicher“, meinte sie seufzend. „Ich weiß nur, dass die beiden Männer sich in den letzten Jahren völlig aus den Augen verloren hatten. Das war nur natürlich. Sie hatten völlig entgegengesetzte Interessen. Der eine war ehrlich und fleißig, ein Mann, der als Bankkassierer arbeitet, und der andere war ein skrupelloser Verbrecher, der Banken beraubt.“
„Vielen Dank, Mrs. Turner. Sie haben mir sehr geholfen.“
Ich fuhr zur Dienststelle.
„Wir wissen, woher das Messer stammt!“, informierte mich Rayn triumphierend, als ich das Office betrat.
„Das Messer, mit dem Turner getötet wurde?“
„Ganz recht“, sagte Rayn. „Du weißt, dass eine Aufnahme des Messers in allen Morgenzeitungen erschienen ist. Vorhin erhielt ich den Anruf eines Mannes, der ganz sicher ist, dass es sich dabei um das Messer handelt, das vor drei oder vier Tagen bei ihm gestohlen wurde.“
„Wie heißt der Mann?“
„Ernest Parker.“
„Hast du seine Adresse?“
„Natürlich, er hat vor fünf Minuten angerufen. Wollen wir hinfahren?“
„Auf geht’s“, sagte ich.
Ernest Parker wohnte in Brooklyn, in einer kleinen Straße unweit der Docks. Er betrieb dort eine Vulkanisierwerkstatt. Als er uns empfing, sah er aus, als hätte er gerade das Innere einer Reifenpresse saubergemacht. In seinem verschmutzten Gesicht waren nur die Augen klar und hell. Auf dem Werkstatthof sah es ziemlich wüst aus. Alte Reifen stapelten sich zu biegsamen Pyramiden; dazwischen lagen Autoersatzteile und ausrangierte Werkzeuge herum.
„Es ist mein Messer, da gibt es gar keinen Zweifel“, meinte Parker. Es war, so wie er im Moment aussah, nicht leicht, sein Alter zu bestimmen, aber die Vierzig hatte er sicherlich schon überschritten. Er trug eine schmutzige Kappe auf dem Kopf. Hinter dem Ohr steckte eine Zigarette. „Dort lag es immer, auf der Betonfläche“, fuhr er fort und wies auf den Platz vor der Einfahrt „Da parken stets die Kundenfahrzeuge. Das Messer habe ich dazu benutzt, um die Reifenprofile zu säubern. Ich habe den Dreck herausgekratzt, um zu sehen, ob die Reifen noch etwas taugen.“
„Können Sie uns genau sagen, an welchem Tag es verschwunden ist?“, fragte Rayn.
Er nahm die Zigarette vom Ohr und schob sie sich zwischen die Lippen, steckte sie an und inhalierte tief. „Ich entdeckte den Verlust am Dienstagmorgen, am Dienstag voriger Woche. Das Ding ist nichts wert, nicht mal fünf Penny, aber Sie wissen, wie es mit Werkzeug geht, an das man sich gewöhnt hat. Man ersetzt es ungern durch ein anderes.“
„Am Dienstagmorgen“, meinte Rayn und verschränkte die Arme vor der Brust. „Sie können uns doch gewiss sagen, wer an diesem Tag bei Ihnen war?“
„Da brauche ich nur in mein Kundenbuch zu sehen“, sagte Parker. „Kommen Sie mit in mein Büro.“
Das Büro entpuppte sich als ein Verschlag innerhalb der Werkstatt, dessen Gesamtcharakter mit der Unordnung auf dem Vorplatz mühelos Schritt halten konnte. Parker schob einige Papiere zur Seite, ohne sich darum zu kümmern, dass er auf jedem Bogen oder Zettel deutliche Schmutzspuren zurückließ. Als er endlich das Kundenjournal gefunden hatte, war ich froh, dass er es selber aufklappte. Ich hätte das Ding nicht mal mit der Zange anfassen mögen, so speckig und ölig sah es aus. Parker fuhr mit dem Finger einige Spalten entlang.
„Hier haben wir es“, sagte er. „An diesem Tag waren nur vier Kunden da. Der Fahrer von der Leather Factory Company, Mr. Hopper von gegenüber, Mr. White und Mr. Sundale.“
„Das sind alles alte Kunden Ihrer Firma?“
„Ja ich kenne jeden einzelnen davon.“
„Sie haben sicherlich in der Zeitung die Beschreibung des mutmaßlichen Mörders gelesen“, meinte Rayn. „Es ist ein etwa fünfunddreißigjähriger Mann mit einer auffallend heiseren Stimme.“
„Habe ich gelesen“, bestätigte Mr. Parker kopfnickend, „aber das trifft auf keinen der vier Kunden zu.“
„Sonst war an dem Tag niemand bei Ihnen?“
„Ich kann mich nicht erinnern.“
„Denken Sie nach, Mr. Parker“, bat Rayn.
Parker zuckte die Schultern. „Das tue ich doch schon die ganze Zeit!“, meinte er. „Ich kenne niemand, der so aussieht wie der Kerl, der in der Zeitung beschrieben wird.“
„Erzählen Sie uns etwas über die vier Kunden, die am Dienstag hier waren. Was tun sie beruflich?“, fragte Rayn.
„Na, der eine ist Lieferwagenfahrer, das erwähnte ich bereits. Mr. Hopper hat auf der anderen Straßenseite eine Ankerwickelei. Kein großer, aber ein gesunder Betrieb, 20 Arbeiter. Mr. White ist ein Drugstorebesitzer, er wohnt nur zwei Häuserblocks von hier entfernt. White ist ein gütiger alter Mann, mit dem ich zweimal im Monat ein bisschen pokere, nur so, zum Zeitvertreib. Den können Sie gleich von Ihrer Liste streichen! Na, und Mr. Sundale hat ganz in der Nähe eine Tankstelle. Er betätigt sich als Zulieferer, das heißt, er nimmt Vulkanisieraufträge an und bringt mir die Reifen ins Haus. Dafür beteilige ich ihn am Gewinn.“
„Wer ist der Fahrer der Leather Factory Company?“, fragte ich.
„Ein älterer Bursche, der sich John nennt. Ganz umgänglich soweit.“
„Kommt er oft her?“
„Nein, höchstens einmal im Jahr.“
„Ist seine Firma in der Nähe?“
„Das weiß ich nicht.“
„Darf ich mal einen Blick in Ihren Computer werfen?“, fragte ich.
„Bitte“, sagte er und nickte mit dem Kopf in Richtung Schreibtisch. Die Tastatur sah nicht viel besser aus als das Kundenjournal. Ich googelte und entdeckte, dass es in New York gar keine Firma dieses Namens gab.
„Wie kommen Sie auf Leather Factory Company?“, fragte ich Parker. „Die Firma steht nicht im Internet.“
„Tatsächlich?“, fragte er. „Aber der Name stand doch an der Tür des Lastwagens...“
„Was war das für ein Wagen?“, fragte ich.
„Ein Ford, Anderthalb-Tonner, Baujahr 2002“, sagte Parker. „Noch gut in Schuss.“
„Farbe?“
„Knallrot.“
„Sie haben sich nicht zufällig die Nummer gemerkt?“
Parker schüttelte den Kopf. „Nein. Da hätte ich viel zu tun! Sie meinen, dieser John könnte es gewesen sein?“
Ich ignorierte die Frage und erkundigte mich:„Was hatte er geladen?“
„Flaschen“, erinnerte sich Parker. „Ich wunderte mich darüber und fragte ihn, was eine Lederfabrik denn damit anstelle, und er meinte, dass die Lieferung für die Betriebskantine bestimmt sei.“
Ich gab eine präzise Beschreibung von Johnny Tiggers und schloss: „Sah der Fahrer so aus?“
Parkers Augen hatten sich geweitet.
„Ja, genau so!“, sagte er. „Woher kennen Sie ihn?“
„Ich kenne ihn, aber nicht gut genug. Er wohnt hier in Brooklyn“, sagte ich. „Oder besser: wohnte. Seit heute Nacht ist er verschwunden.“
„Soll das heißen, dass er ein Gangster ist und gar nicht für diese Leather Factory Company arbeitet?“, fragte Parker. Er war ganz atemlos.
„Vielleicht ja, vielleicht nein“, meinte ich ausweichend. „Seit wann ist er Ihr Kunde?“
„Lassen Sie mich nachdenken“, murmelte Parker und legte einen schmutzigen Finger an die Lippen. „Wenn ich mich recht erinnere, kreuzte er vor zwei Jahren zum ersten Mal hier auf.“
„Mit dem gleichen Wagen?“
„Ja.“
„War er stets allein?“
„Ja“
„Haben Sie ihn allein oder in Begleitung anderenorts schon einmal gesehen?“
„Nein.“
„Hat er mit einem Scheck oder bar bezahlt?“
„Bar.“
„Danke, Mr. Parker.“ Rayn und ich klemmten uns in meinem Sportwagen und rollten von Parkers Vorplatz. Ich dachte daran, dass es für Kinder eine Wonne sein müsste, hier spielen zu dürfen, dann konzentrierte ich meine Gedanken wieder auf die Arbeit.
„Ich habe in der Zentrale nachgefragt, was man dort von Johnny Tiggers und seiner angeblichen Nichte weiß“, sagte Rayn.
„Und?“, fragte ich.
„Die beiden Namen sind nicht registriert. Tiggers und das Mädchen sind entweder noch nicht vorbestraft, oder sie haben sich Decknamen zugelegt.“
„Das macht es für uns nicht leichter. Hast du etwas wegen Tom unternommen?“
„Selbstverständlich“, sagte Rayn. „Im Moment stellt man für uns eine Liste der Leute zusammen, deren Vornamen Tom lautet und die in der elektronischen Zentraldatenbank erfasst sind.“
„Ein paar hundert werden wohl dabei herauskommen“, sagte ich.
„Haben wir nicht einen herrlichen Job?“, fragte Rayn.