Читать книгу Mit Killern muss man teilen: Thriller Sammelband 11 Krimis - A. F. Morland - Страница 26

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Ich schaute mir den Toten zwei Stunden später an. Sein Gesicht sagte mir nicht mehr und nicht weniger, als dass er erschossen worden war. Ich fuhr zu Hoover und hörte, dass die Schwester bereits vor mir dagewesen sei. „Sie ist davon überzeugt, dass es dieser Kenneth war, der Turner im Krankenhaus besuchte“, sagte er zufrieden.

„Wissen Sie inzwischen mehr über diesen Greenland?“

„Ja. Ich hatte Glück, als ich bei der KFZ-Zulassungsstelle nachfragte. Er fuhr einen Chevy, letztes Baujahr. Als Adresse wurde mir die Fulton Street angegeben. Nummer 144.“

„Waren Sie schon dort?“

„Nein. Wenn Sie wollen, können Sie mir den Job abnehmen“, meinte Hoover. „Ich habe noch genug Schreibtischarbeit zu erledigen.“

„Ich fahre gleich los. Schlüssel haben sich in Greenlands Taschen nicht befunden?“

„Nein.“

Zwanzig Minuten später kletterte ich in der Fulton Street aus meinem Flitzer.

Das Haus Nummer 144 war groß, modern, repräsentativ, wie fast alles in dieser Straße. Ich ging hinein und zeigte dem Portier meinen Ausweis. Ich erklärte ihm kurz, worum es ging. Er wurde etwas blass und begann zu zittern. Offenbar hatte er ein Nervenleiden. „Mr. Greenland ermordet!“, murmelte er und schüttelte den Kopf. „Unbegreiflich, was in dieser Welt alles passiert! Sie möchten die Wohnung sehen? Augenblick, bitte ich hole den Zweitschlüssel.“

Wir fuhren mit dem Lift nach oben. Greenland hatte ein Apartment im neunten Stock gemietet. „Zwei Zimmer mit Küche und Bad“, informierte mich der Portier, als wir den Lift verließen. „Das ist die beliebteste Einheit im Hause. Darf ich vorangehen?“

„Vorsicht, bitte!“, warnte ich ihn, als er die Tür aufschloss. „Rühren Sie nichts an. Ich bin ziemlich sicher, dass schon vor uns Besucher hier waren.“

Die Diele war klein und quadratisch. An einem Haken hing eine Jacke, und auf der Ablage lag eine schwarze Schiebermütze. Wir betraten das Wohnzimmer. Es war ein mittelgroßer, modern eingerichteter Raum ohne besondere persönliche Eigenart. Die Schubläden des Schreibsekretärs waren geöffnet. Papiere lagen auf dem Boden verstreut. Ich bückte mich und hob einen Zettel auf. Er enthielt einige Notizen über Pferderennen, sonst nichts.

„Sehen Sie jetzt, was ich meine?“, fragte ich. „Vor uns war schon Besuch da.“

Ich steckte den Zettel ein.

„Mr. Greenland war viel unterwegs, oft wochenlang!“, erinnerte sich der Portier.

„Welchen Beruf übte er aus?“

„Er verkaufte landwirtschaftliche Maschinen, glaube ich“, meinte der Portier.

„Empfing er oft Besuch?“

„Das weiß ich nicht. Das Haus ist zu groß, um da richtigen Einblick zu gewinnen.“

„Na ja, aber Sie müssen doch gesehen haben, ob er gelegentlich Leute mitbrachte oder mal ein Mädchen.“

„Mädchen? Es war immer die gleiche“, erinnerte sich der Portier. „Ein hübsches Ding, so um die fünfundzwanzig herum, gut gebaut, rotblond, blauäugig, Wirklich Klasse!“

„Kennen Sie ihren Namen?“

„Nein, aber ich weiß, dass sie am Hudson Terminal in dem großen Schnellrestaurant arbeitet. Sie sitzt dort an der Kasse. Wahrscheinlich hat er sie dort kennengelernt. Es ist ja nur drei Häuserblocks von hier entfernt.“

„Vielen Dank“, sagte ich. Ich betrachtete noch einige der Zettel, die aus dem Schreibsekretär gefallen waren, und sah mir dann den Rest der Wohnung an. Zwanzig Minuten später fuhr ich mit dem Portier nach unten. Ich verabschiedete mich von ihm und ging zu Fuß zum Hudson Terminal. In dem rundum verglasten Schnellrestaurant war ziemlich viel Betrieb. Von den vier Kassiererinnen hatte nur eine rotblondes Haar. Sie sah wirklich hübsch aus. Ich ging auf sie zu und zeigte ihr meinen Ausweis.

„Sie werden sich ein paar Minuten ablösen lassen“, sagte ich. „Ich möchte Sie sprechen.“

Sie schaute mich böse an. „Sie sehen doch, dass ich beschäftigt bin!“, sagte sie. „In anderthalb Stunden habe ich Feierabend. Kommen Sie dann noch einmal wieder und treten Sie zur Seite, bitte. Sie sehen doch, dass hinter Ihnen zwei Kunden stehen.“

„Anderthalb Stunden?“ Ich machte Platz. „So lange kann ich nicht warten.“

„Okay“, meinte sie wütend und tippte in die Kasse, was die Kunden auf den Tabletts vorbei trugen. „Ich spreche mit dem Geschäftsführer.“

Sie schloss die Kasse, ab, stellte das CLOSED-Schild vor dem Zugang auf und eilte davon. Zwei Minuten später kam sie zurück. „Wir können uns im Büro unterhalten“, sagte sie.

Das Mädchen hatte eine blendende Figur. Wie alle weiblichen Angestellten des Restaurants trug sie eine Art Uniform, einen grünen Kittel mit gemustertem Kragen. Auf dem Kittel war ein Schildchen mit ihrem Namen befestigt: MISS RONDA. Wir gingen nach oben, in die Büroetage. In der Rezeption stand ein kleiner, runder Tisch mit einigen hochmodernen, höchst unbequemen Stühlen. Wir setzten uns.

„Wann haben Sie Mr. Greenland zuletzt gesehen?“, fragte ich.

„Tom? Lassen Sie mich nachdenken. Vor einer Woche. Was ist mit ihm?“

„Er wurde ermordet“, sagte ich unverblümt und schaute sie an.

„Sie lügen, das darf nicht wahr sein!“, hauchte sie mit großen, erschreckten Augen und bebenden Lippen.

„Wir suchen seinen Mörder“, sagte ich. „Was wissen Sie von ihm? Kennen Sie seine Freunde, seine Feinde?“

„Nein. Sind Sie sicher, dass...?“

„Wenn Sie wollen, können Sie sich den Toten ansehen, nur, um ganz sicherzugehen. Aber ich rate Ihnen davon ab. Es ist nichts für schwache Nerven.“

„Ich glaube, ich brauche einen Kognak“, meinte sie. Sie stand auf und ging hinaus. Nach fünf Minuten kam sie zurück. Sie hatte die Dienstkleidung abgestreift und trug jetzt ein zartgrünes Kostüm im Chanel-Schnitt. Es stand ihr gut zu Gesicht. „Ich habe mich bei dem Geschäftsführer entschuldigt – ich darf nach Hause gehen. Es wird am besten sein, Sie begleiten mich“, sagte sie.

Wir verließen das Restaurant. „Ich wohne ganz in der Nähe“, informierte mich das Mädchen. Sie war blass und nervös; ich hatte das Gefühl, dass sie etwas auf dem Herzen hatte, ohne so recht zu wissen, ob es zweckmäßig war, das Thema anzuschneiden.

„Erzählen Sie mir etwas von Tom“, bat ich. „Wie lange kennen Sie ihn?“

„Etwa drei Monate“, sagte sie. „Macht es Ihnen etwas aus, wenn wir zu Fuß gehen? Es sind nur zehn Minuten bis zu meiner Wohnung.“

Ich nickte. „Ich verschaffe mir gern ein bisschen Bewegung.“

„Wie ist es passiert?“, fragte sie.

„Er wurde erschossen.“

„Von wem?“

„Das wissen wir noch nicht.“

„Ich kann es nicht fassen.“

„Waren Sie sehr eng mit ihm liiert?“

„Er, er wollte mich heiraten.“

„Und Sie?“

„Natürlich wollte ich auch, aber... “

„Aber?“

Sie zuckte die Schultern. „Ich kann das schwer erklären. Ich fürchtete mich davor.“

„Vor der Ehe, oder vor Greenland?“

„Er war mir manchmal direkt unheimlich. Es gab Dinge, die er mir nicht plausibel machen konnte. Er hatte Geheimnisse vor mir.“

„Zum Beispiel?“

„Ich habe nie erfahren, für welche Firma er arbeitet. An Geld hat es ihm nie gefehlt, aber ich weiß bis zum heutigen Tage nicht, wer es ihm zahlte.“ Sie blieb stehen und blickte mich an. Ich blieb ebenfalls stehen. „Hat er krumme Geschäfte gemacht?“, fragte sie mich.

„Fest steht, dass sein Umgang nicht der beste war“, sagte ich und fügte rasch hinzu: „Das bezieht sich nicht auf Sie. Ich meine damit die Leute, die ihm beim Geldverdienen halfen.“

„Kennen Sie sie?“

„Nur zum Teil. Wie steht es mit Ihnen? Hat er Sie mal mit seinen Freunden bekannt gemacht?“

„Er hat mir niemals einen Bekannten vorgestellt“, maulte sie. „Das war auch so eine Sache, die mir nicht gefiel. Ich entschuldigte es damit, dass er vielleicht eifersüchtig sei, aber es war eines von den Dingen, die mich zuweilen in Rage brachten.“

„Würden Sie ihm ein Verbrechen Zutrauen?“

Das Mädchen ging weiter. Ich blieb an ihrer Seite. „Ein Verbrechen? Schwer zu sagen. Wer weiß schon, was in einem Menschen steckt? Nein, ich glaube nicht, dass ich ihn eines wirklich schweren Verbrechens für fähig hielte. Er konnte hart sein, das spürte ich zuweilen, er war auch vital und energisch, aber weshalb hätte er sich dem Verbrechen widmen sollen? Er war intelligent und wendig genug, um sein Dasein auf korrekte Weise fristen zu können.“

„Ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen. Nicht alle Leute benutzen ihren Intellekt, um damit der Moral die Stange zu halten.“

„Sie sagen das nicht ohne Grund, nehme ich an? Sie beziehen es auf Tom?“

„Er steht im Verdacht, zwei Menschen ermordet zu haben.“

Das Mädchen blieb abermals stehen. Diesmal waren ihre Augen noch größer und erschreckter als vorher. „Nein!“, stieß sie hervor. „Das halte ich für ausgeschlossen! Er war clever, er wäre vielleicht bereit gewesen, sich durch irgendwelche betrügerischen Manipulationen zu bereichern – aber Mord? Das ist unmöglich.“

Ich fasste sie behutsam unter und führte sie weiter.

„Mörder tragen kein Kainszeichen im Gesicht“, sagte ich. „Sie sprechen und leben wie die meisten von uns, es gibt keine klar erkennbaren Hinweise auf das, was in ihnen ist. Wir vom FBI erleben das immer wieder. Gerade die nächsten Angehörigen von Mördern sind immer die Ahnungslosesten. Mörder sind nicht nur brutal und gefühlskalt, sie haben auch gute, positive Eigenschaften. Den Frankenstein-Typ gibt es im Leben kaum. Der Jammer ist, dass Hollywood Gruselfilme einen Schablonentyp geprägt haben, den die Kriminologie nicht kennt.“

Ich ließ ihren Arm los. Sie ging allein weiter, etwas stolpernd und unsicher, als hätte sie keine Kraft in den Füßen.

„Sie sagen, er war ein Mörder“, meinte sie kaum hörbar. „Ich kann nicht entscheiden, inwieweit das richtig oder falsch ist. Aber es stimmt doch, dass er erschossen wurde, nicht wahr? Also ist er das unschuldige Opfer!“

„Das Wort unschuldig können wir, fürchte ich, in diesem Zusammenhang beiseitelassen. Er wurde ermordet, weil er sich innerhalb einer Gangsterorganisation Rechte anmaßte, die ihm von anderen abgesprochen wurden. Er mordete, und ein paar andere Leute rächten diesen Mord. So lautet meine These. Sie kann falsch sein. Ich bin gerade dabei, sie zu untermauern, und hoffe, dass Sie mir helfen können.

„Wie sollte ich das? Ich hatte keine Ahnung von dem Leben, das er führte!“

„Sie waren oft mit ihm zusammen. Oder?“

„Ziemlich oft.“

„Wie oft?“

„Ein bis zweimal wöchentlich“, meinte sie.

„Na, bitte! Sie haben mit ihm gesprochen. Sie konnten manchmal, bewusst oder unbewusst, einen Blick in seine Brieftasche werfen, Telefongespräche mithören, die ihn erreichten, Notizen lesen, die auf seinem Schreibsekretär lagen. Kurz und gut, wenn Sie genau nachdenken, fallen Ihnen sicherlich tausend Dinge ein, die für uns von Bedeutung sind.“

„Was für Dinge?“, fragte sie, wartete aber die Antwort nicht ab, sondern blieb stehen und meinte: „Wir sind da. Hier wohne ich. Ist es Ihnen recht, wenn ich vorangehe?“ Ich nickte. Wir betraten ein leidlich modernes Apartmenthaus. Der Lift brachte uns ins sechste Stockwerk. Miss Rondas Wohnung war recht niedlich, eine Art Superpuppenstube, den man oft bei alleinstehenden jungen Mädchen findet. Bestickte Sofakissen waren Trumpf.

„Setzen Sie sich, bitte“, sagte sie. „Ich brauche jetzt einen Drink. Und Sie?“

„Mir genügt ein Glas Orangensaft, falls Sie so etwas im Hause haben sollten.“

„Es ist alles da, ich bin sofort wieder zurück“, meinte sie und verließ das Wohnzimmer. Ich hörte, wie sie die kleine Diele durchquerte und die Küchentür öffnete.

Im nächsten Moment geschah es.

Sie stieß einen lauten, gellenden Schrei aus.

Fast gleichzeitig hörte ich ein Geräusch, das einem dumpfen Schlag oder Zusammenprall ähnelte.

Schritte hasteten durch die Diele.

Im Nu war ich auf den Beinen. Ich riss die Wohnzimmertür auf und sah zwei Dinge: Miss Ronda lag bewusstlos in der Diele und ein Mann hastete aus der Wohnung.

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