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Der Boxer hieß Randolph Torres, sein Komplize nannte sich David Carter.

Die beiden hatten die Angaben zur Person ohne Widerstreben gemacht. Sie waren mehrfach vorbestraft, innerhalb der letzten acht Jahre waren sie allerdings nicht mehr im Strafregister aufgetaucht. Paul Dozer hatte es offenbar meisterhaft verstanden, die beiden so einzusetzen, dass nicht einmal der Schatten eines Verdachts auf sie fiel.

Torres und Carter gaben zu, für Paul Dozer gearbeitet zu haben.

„Als ’ne Art Leibwächter“, sagte Torres. „Wir mussten ihn beschützen. Sonst nichts. Was er an krummen Dingern gedreht hat, wissen wir nicht.“

Bei dieser Version blieben sie.

Nein, sie hatten ihn nicht ermordet.

„Wir hätten verrückt sein müssen, wenn wir das getan hätten!“, meinte Carter, der etwas gesprächiger als sein Komplize war, wenn auch nicht sehr viel. „Dozer war ein strenger, aber gerechter Boss. Er hatte ein paar Macken, er war manchmal ein bisschen merkwürdig, aber einen Spleen hat jeder, oder? Er zahlte prima. Wir waren bei ihm gut aufgehoben. Wir haben mit seinem Tod nichts zu schaffen.“

„Wer hat ihn erschossen?“, fragte ich.

Wir waren zu fünft in dem Office: Rayn, Lieutenant Hoover, die beiden Ganoven und ich. Den Wachpolizisten hatten wir rausgeschickt. Er stand vor der Tür.

Carter und Torres saßen auf Stühlen dicht nebeneinander. Wir hatten ihnen ein Päckchen Zigaretten überlassen, und jetzt steckten sie sich einen Glimmstängel nach dem anderen an.

Ich nickte. „Ja, Dozer war für Sie mehr als der Boss. Er war für Sie der Pol, um den sich alles drehte. Als Tom Greenland ihn auf eigene Faust ermordete, liefen Sie Amok. Sie fühlten sich verpflichtet, Dozers Tod zu rächen. Sie fackelten nicht lange und erschossen Greenland.“

„Verdient hätte er’s, und wir sind froh, dass das ein anderer für uns erledigt hat“, brummte Torres.

„Sie vergessen, dass wir Ihre Pistole im Labor haben, Torres“, sagte ich. „Eine 45er. Das gleiche Kaliber, mit dem Greenland getötet wurde.“

„Na und?“, brauste er auf. „Ich kann mich ja täuschen, aber halten Sie’s nicht für denkbar, dass es im Staat New York noch mehr Bleischleudern dieses Kalibers gibt?“

„Mein Riecher ist auf gewisse Duft Kombinationen eingearbeitet“, sagte ich. „Ihre Pistole ist vor wenigen Stunden benutzt worden. Jetzt erzählen Sie mir bloß nicht, dass sie Ihnen einige Stunden entschwunden war.“

„Unsinn“, knurrte er. „Ich hatte sie immer bei mir. Ich muss Ihnen sagen, dass ich häufig damit herumballere. Zum Spaß? Ja und nein. Ich will in Form bleiben. Ich schieße ab und zu auf Scheiben, oder auf Vögel, um nicht zu verlernen, wie man einen Treffer anbringt. Das war ich der Bezahlung schuldig, die Paul leistete. Also, gestern habe ich ein paar Schüsse im Garten abgegeben. Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen den Baum; die Kugeln stecken gewiss noch drin.“

„Haben Sie ein Alibi für die vergangene Nacht? Für die Zeit zwischen drei und vier?“, fragte ich.

„Ein Alibi!“, schnaufte Torres. „Sie wissen, verdammt genau, dass wir alle Hände voll zu tun hatten, die wichtigsten Klamotten aus dem Haus zu retten.“

„Vor allem das Geld, nicht wahr?“

„Welches Geld?“, fragten beide wie aus einem Mund.

„Die Beute vom Bankraub“, sagte ich.

„Von einem Bankraub wissen wir nichts!“, erklärten sie geschlossen.

Ich legte die Ellenbogen auf den Schreibtisch und blickte Torres scharf an.

„Ah, vermutlich hatten Sie keine Ahnung, was in dem Paket ist, das Sie aus Miss Rondas Wohnung zu entwenden versuchten, nicht wahr? Ich kann Ihnen den Inhalt nennen. Es waren genau zweihunderttausend Dollar darin. Auf den Cent genau. Wir haben die Nummern der Scheine geprüft. Sie stammen aus dem Vierzehn-Millionen-Bankraub.“

„Das wirft mich um“, murmelte er unsicher und warf einen Blick auf Carter. „Ich hatte keine Ahnung davon, Ehrenwort! Mr. Dozer gab mir gestern ein paar Stunden vor seinem Tod Anweisung, das Paket zu holen. Genau das habe ich getan.“

„Obwohl er inzwischen erschossen worden war?“

„Das hat damit nichts zu tun.“

„Wo ist das andere Geld?“, fragte ich.

„Weiß ich nicht“, sagte Torres.

„Es gibt kein anderes Geld“, erklärte Carter.

„Wer hat an dem Bankraub teilgenommen?“

„Fangen Sie schon wieder an?“, fragte Torres.

„Von einem Bankraub wissen wir nichts.“

„So viel Unschuld öffnet meine Tränendrüsen“, bemerkte Rayn seufzend.

„Ich wollte mir gerade von Ihnen ein Taschentuch leihen“, sagte Hoover.

Das Telefon klingelte. Ich nahm den Hörer ab und meldete mich. Crowner, der Ballistiker, war am Apparat. „Ich bin gerade dabei, den Bericht zu tippen, wollte Sie aber vorab schnell telefonisch informieren“

„Fein“, unterbrach ich ihn.

„Ist es die Mordwaffe?“

„Nein, bestimmt nicht. Die Kugeln, die Greenland töteten, wurden aus einer anderen Waffe abgefeuert“

„Danke, Crowner“, sagte ich und hängte auf.

Rayn kratzte sich die Nase. Er hatte den Gesprächsinhalt mitgekriegt.

„Was ist aus dem toten Dozer geworden?“, fragte ich.

„Wir haben ihn begraben.“

„Wissen Sie, was darauf steht?“

„Das ist uns egal, wir wollten ihn nicht der Polizei in die Hände fallen lassen“, sagte Torres.

„Sie wollen doch, dass Dozers Mörder gefasst wird?“

„Den hat’s ja schon erwischt“, meinte Torres. „Ich persönlich zweifle nicht daran, dass Greenland geschossen hat. Er wollte den Boss spielen.“

„Schön, aber wer hat Greenland getötet?“

Wieder kam es im Chor: „Wissen wir nicht.“

„Sie sollten sich bei der Show America's Got Talent bewerben“, spottete Hoover.

„So viel Harmonie ist wirklich selten.“

„Wir sagen die Wahrheit“, meinte Torres.

„Wo liegt der Tote?“, fragte ich.

„Dozer?“, knurrte Torres. „Im Garten unseres neuen Domizils. Drüben in Jersey, unweit von Hoboken. Erie Road 188.“

Rayn notierte sich die Adresse. „Dort werden wir uns mal ein wenig umsehen“, sagte er.

„Du bist ein Idiot!“, sagte Carter zu Torres.

„Ach, shut up! Es hat doch keinen Sinn, wie das Orakel von Delphi zu quasseln. Solange wir keine präzisen Angaben machen, kriegen wir keinen Fuß an den Boden.“

„Wir haben schon beide in der Zelle“, knurrte Carter übelgelaunt. „Je mehr du quatschst, desto länger werden wir sie drin behalten.“

„Du bist ein Herzchen! Als ob’s etwas helfen würde, die Unschuld vom Lande zu spielen!“, meinte Torres.

„Okay, mach nur weiter so!“, schnaufte Carter. „Du wirst schon sehen, wohin uns das bringt.“

„Was ist mit Tiggers und seiner Nichte?“, fragte ich.

„Was soll mit ihnen sein? Sie haben sich rechtzeitig abgesetzt“, meinte Torres.

„Wohin?“

„Weiß ich nicht.“

„Sie gehörten zu Dozers Gang?“

„Ja, sie waren meistens dabei, wenn irgendetwas los war.“

„Abführen“, sagte ich und drückte auf einen Klingelknopf. Der Polizist kam herein.

„Zurück ins Untersuchungsgefängnis mit den beiden“, sagte ich. Der Polizist führte Torres und Carter ab.

„Du hast sie sehr früh nach Hause geschickt“, meinte Rayn. „War das richtig?“

„Ab sofort vernehmen wir sie einzeln“, sagte ich und griff nach dem Telefonhörer. Die Zentrale meldete sich. „Stellen Sie eine Verbindung mit der Handelskammer her“, sagte ich. Rayn schaute mich fragend an. „Nur so eine Idee von mir“, sagte ich. Ich musste zwei Minuten warten, dann hatte ich die Handelskammer an der Strippe. Zwei weitere Minuten verstrichen, ehe ich den richtigen Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung hatte. „Guten Tag, es geht um eine Firma, die angeblich nicht mehr existiert“, sagte ich. „Ihr Name war Leather Factory Company. Es würde mich interessieren zu erfahren, ob eine Firma dieses Namens wirklich existiert hat, und wenn ja, wo.“

„Moment, ich sehe sofort nach“, sagte der Mitarbeiter. Nach einer Minute meldete er sich wieder: „Hier habe ich den Eintrag“, meinte er. „Die Firma hat im Jahre 2012 Pleite gemacht. Sie hatte nur zwei Gesellschafter, einen Mr. Johnny Herford und seine Frau. Der Konkurs ist später mit einem Vergleich abgeschlossen worden. Genügt Ihnen diese Information?“

„Nein. Was wissen Sie über die ehemaligen Gesellschafter?“, fragte ich.

„Eigentlich gar nichts“, meinte er, „ausgenommen einige Angaben zur Person. Geburtsdaten und so weiter.“

„Geben Sie sie mir, bitte.“ Ich notierte, was er mir sagte. Dann bedankte ich mich und hängte auf.

„Etwas von Bedeutung?“, fragte Rayn.

„Johnny Herford“, las ich vor. „Geboren am 11. März 1967, und Laura Herford, geboren am 7. August 1992. Ganz hübscher Altersunterschied, was?“

„Johnny“, murmelte Rayn. „Du glaubst, es könnte sich um Tiggers und seine Nichte handeln?“

„Ich bin ziemlich sicher, dass es sich so verhält. Der Kuckuck mag wissen, weshalb er damals die Firma gegründet hat. Er machte Pleite und änderte seinen Namen. Seine Frau gab er als seine Nichte aus. Nur den Lieferwagen der Firma behielt er. Er nahm sich nicht einmal die Mühe, die Firmenaufschrift zu entfernen. Johnny Herford und Frau! Vielleicht finden wir ihn unter diesem Namen.“

„Ich leite sofort alles in die Wege“, sagte Rayn und machte sich einige Notizen. „Jetzt müssen wir erst mal Dozer ausbuddeln. Willst du dabei sein?“

„Vielen Dank, darauf kann ich verzichten. Hast du das Flugticket für den Trip nach St. Quentin besorgt?“

„Ja, es liegt im Sekretariat bereit. Die Maschine geht schon sehr früh, zweiundzwanzig Minuten nach sechs.“

Ich stand auf. „Dann wird’s Zeit, dass ich noch eine Mütze voll Schlaf bekomme.

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