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New York.

June March legte ihre Nagelfeile gelangweilt beiseite. Es kam nicht oft vor, aber ab und zu gab es doch eine kurze Ruhepause im Geschäft. Anderswo wäre eine solche Verschnaufpause zwischen all der normalerweise anfallenden Hektik begrüßt worden, doch im Office des Privatdetektivs Bount Louis Reiniger drückte dies auf die Stimmung.

Die hübsche, blonde Detektiv-Volontärin warf ihrem Chef einen gelangweilten Blick zu.

„Wenn du nicht bald wieder einen gewinnträchtigen Auftrag erhältst, musst du dein Sparschwein schlachten, um mir mein Monatsgehalt bezahlen zu können.“

Bount verzog sein Gesicht. „Ehe ich das tue, versuche ich dir dein Gehalt lieber schuldig zu bleiben.“

„Und was machst du, wenn ich dir sage, dass du bei mir keinen Kredit hast?“

„Dann pumpe ich mir ein bisschen Geld von meinem lieben Freund Wilkie Lenning.“

Der schlaksige blonde Junge grinste breit. „Wenn du aus mir mehr als fünfzig Dollar herausholen kannst, bist du ein Zauberer, Bount.“

Bount Reiniger hob gleichmütig die Schultern. „Bleibt mir immer noch der Konkurs.“

„Tief bist du gesunken“, meinte June mit gespieltem Bedauern. Das Telefon auf ihrem Schreibtisch schlug an.

Bount rieb sich die Hände. „Ich hab’s im Gefühl, dass es wieder aufwärtsgeht.“

June meldete sich mit ihrem stereotypen Spruch: „Detektei Reiniger. Büro für private Ermittlungen ...“

Gespannt blickten Bount und Wilkie die Sekretärin an.

„Ja, der ist hier, Mr. Cavanagh. Einen Moment, ich übergebe“, sagte June March. Sie nahm den Hörer vom Ohr und hielt ihn Bount entgegen. Ihre schlanke Hand lag auf der Sprechmuschel. Sie sagte zu Bount Reiniger: „Es ist Clarence Cavanagh. Der Anruf kommt von Hawaii.“

„Hallo, Mr. Cavanagh! Hier ist Bount Reiniger! Was kann ich für Sie tun?“

Clarence Cavanagh war Schrottmillionär. Sein Vater hatte mit Schrott schon ein Vermögen gemacht. Und davor dessen Vater, und davor dessen Vater, und davor dessen Vater ... Eine Dynastie sozusagen.

Bount hatte schon mal für Cavanagh gearbeitet.

Das war vor zwei Jahren gewesen, als Clarence Cavanagh geglaubt hatte, seine Tochter Miriam wäre gekidnappt worden.

Es hatte sich dann aber herausgestellt, dass Miriam nach einem heftigen Streit mit ihrem Vater einfach ausgerückt war.

Bount hatte sie dann in einem New Yorker Motel gefunden und sie Cavanagh schon am nächsten Tag zurückgebracht. Darüber hat sich der Millionär so sehr gefreut, dass er sein Glück auf einem Scheck in vielen Nullen ausgedrückt hat, vor die er eine Eins setzte.

Es zahlte sich aus, mit Clarence Cavanagh Geschäfte zu machen.

„Hören Sie, Mr. Reiniger, ich brauche Ihre Hilfe. Haben Sie Zeit? Ich möchte Sie sofort engagieren“, kam Cavanagh sofort zur Sache.

Die Stimme des Millionärs klang so, als wäre etwas Furchtbares vorgefallen. Die Verbindung war ausgezeichnet. Man hätte meinen können, Cavanagh würde von seinem New Yorker Büro und nicht von Hawaii aus anrufen.

„Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung“, erklärte Bount.

„Gut. Was Ihr Honorar anbelangt ... Ich bin bereit, Ihnen zwanzigtausend Dollar plus Spesen zu bezahlen.“

„Das ist selbst nach der Abwertung noch eine Menge Geld, Sir.“

„Dafür verlange ich auch einiges von Ihnen.“ Cavanagh teilte Bount mit, wo er wohnte. Danach sagte er: „Kommen Sie so schnell wie möglich hierher, Mr. Reiniger. Ich habe Sie noch nie so sehr gebraucht wie eben jetzt.“

Das bedeutete, dass wieder etwas mit Miriam vorgefallen war. Cavanagh hing sehr an seinem einzigen Kind. Er war seit acht Jahren Witwer. Seine Frau, die er über alles geliebt hat, war bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen.

Seither hing Cavanagh mit seiner ganzen Liebe an Miriam.

„Ich fliege mit der nächsten Maschine, Mr. Cavanagh“, versprach Bount Reiniger. „Würden Sie mir jetzt noch schnell sagen, womit ich mich auf Hawaii befassen soll? Ist es wieder Ihre Tochter?“

„Das erfahren Sie, wenn Sie hier sind, Mr. Reiniger. Wenn Sie einen Vorschuss auf Ihr Honorar haben wollen, wenden Sie sich an meinen Sekretär. Er hat Weisung, Ihre finanziellen Ansprüche bis zu einer Höhe von zehntausend Dollar zu erfüllen.“

„Das ist sehr großzügig“, dachte Bount. Er versprach noch einmal, noch in dieser Stunde abzureisen, dann legte er auf.

Danach informierte Bount Reiniger seine Mitarbeiter vom Inhalt des Gesprächs. Er trug June March auf, sich mit Cavanaghs Sekretär in Verbindung zu setzen, eilte nach nebenan in ein kleines Zimmer, und während er dort seine Reisetasche packte, reservierte Wilkie Lenning über den zweiten Apparat für Bount das Flugticket bei der PanAm.

Im Vorzimmer sagte Bount dann reisefertig: „Im Vergleich zu New York ist Hawaii ein Paradies. Goldene Strände. Palmen. Blauer Himmel. Ewig blaues Meer. Schade, dass ihr nicht mitkommen könnt. Ich werde euch eine Ansichtskarte schicken und braungebrannt zu euch Bleichgesichtern zurückkehren.“

Wilkie Lenning verzog das Gesicht, als hätte er Essig getrunken. „Ich finde, du hast den Beruf verfehlt, Bount. Du hättest nicht Privatdetektiv, sondern Folterknecht werden sollen bei deinen Fähigkeiten, anderen Menschen wehzutun...“

„Gute Reise“, wünschte June.

Auswahlband Krimi Winter 2020

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