Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 19
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ОглавлениеAm nächsten Morgen traf Bount Maggie McOmie beim Frühstück. Sie saßen am selben Tisch. Die attraktive Lehrerin war bereits wieder voller Pläne.
Als sie ihre zweite Tasse Kaffee trank, senkte sie verlegen den Blick. „Ich war gestern Nacht ein wenig beschwipst. Das kommt bei mir nicht oft vor. Ich kann nicht viel vertragen, wissen Sie?“
„Sie waren ganz reizend“, erklärte Bount.
„Ich ... ich habe doch nichts gesagt, wofür ich mich schämen müsste?“
„Nein, Maggie. Sie haben sich wie eine Lady benommen.“
„Da fällt mir ein Stein vom Herzen, Bount. Ich dachte schon ... Ich kann mich nämlich nicht mehr an alles erinnern, was ich gestern gesagt habe.“
„Es fiel kein Wort, dessen Sie sich zu schämen brauchten“, versicherte Bount der jungen Lehrerin.
Zwanzig Minuten später verließ er das Hotel, um Clarence Cavanagh im Waikiki Feriendorf aufzusuchen. Von weitem schon sah er die Bescherung: sein weißer Mustang stand mit vier platten Reifen auf dem Hotelparkplatz.
Das war jedoch kein Streich von Lausbuben, sondern dafür war der Kerl verantwortlich, der sich Bount in der vergangenen Nacht mit einem Anruf vom Hals schaffen wollte.
Um seiner Warnung mehr Nachdruck zu verleihen, hatte er alle vier Pneus aufgeschlitzt, und auf die weiße Motorhaube hatte er mit einem dicken Filzschreiber geschmiert: AB MIT DIR NACH NEW YORK, SCHNÜFFLER!
Das waren jedoch Mätzchen, von denen sich Bount Reiniger nicht beeindrucken ließ. Er kannte solche Effekthaschereien zur Genüge. Sie ließen ihn kalt. Er entnahm dem Kofferraum gelassen einen Putzlappen und wischte das Geschmiere erst einmal ab.
Anschließend ging er ins Hotel zurück und veranlasste, dass die vier Reifen ausgewechselt wurden. Er verlangte, dass ihm der Mustang zum Feriendorf an der Waikiki Beach nachgebracht werden solle, bestellte sodann ein Taxi und ließ sich zur Bungalowsiedlung fahren.
Als Bount kurze Zeit später an Orson Kings Bungalow vorbeikam, begegnete er dem Star und seinen beiden Superbienen. Sie kamen vom Schwimmen. Wasserperlen glitzerten noch auf ihrer sonnengebräunten Haut.
„Hallo, Mr. Reiniger“, rief King und lächelte freundlich. „Ich habe gestern vergessen, Ihnen meine prächtigen Mädchen vorzustellen.“ Er wies auf das Girl mit dem schwarzen Tanga. „Das ist Beah Bell. Und dies ist Gladys Boyd. Kinder, sagt guten Tag zu Mr. Reiniger.“
„Guten Tag“ sagten Beah und Gladys. Sie lächelten strahlend, und ihre regelmäßigen Zähne blitzten.
„Beah und Gladys spielen in meinem nächsten Film mit. Zwei hervorragende Begabungen. Von mir persönlich entdeckt. Die können etwas. Können Sie mir ruhig glauben.“
Fragt sich nur, was sie können, dachte Bount amüsiert.
„Ist es nicht toll, dass uns Orson eine Chance gibt, Mr. Reiniger?“, flötete Beah Bell.
„Das Showgeschäft ist verdammt hart“, erklärte King. „Ohne Beziehungen kommt man kaum nach oben. Nicht einmal dann, wenn man mehr Talent hat als mancher andere. Beah und Gladys werden noch mal das ganz große Geld machen, Mr. Reiniger. Sie haben zwei zukünftige Stars vor sich. Diese beiden Girls werden ihren Weg machen, davon bin ich überzeugt. Die kleine Starthilfe, die ich ihnen gebe, bin ich ihrer Begabung einfach schuldig. Nicht wahr, Mädchen? Man muss doch auch an die Kunst denken.“
Die Starlets lachten, und Orson King bekam links und rechts einen dicken Kuss auf die Wange gedrückt.
King wurde ernst. „Kommen Sie mit Ihren Ermittlungen voran, Mr. Reiniger?“
Bount hob die Schultern. „Ich wollte, es ginge schneller.“
„Dieser Kerl, der Miriam Cavanagh ermordet hat... Der hat schon wieder zugeschlagen, aber davon wird Ihnen sicherlich Cavanagh erzählen oder wissen Sie’s bereits?“ Bount schluckte.
Ein neuer Mord! Bount Reiniger hatte das Gefühl, eine Eishand würde ihm über die Wirbelsäule streichen.
„Allmählich fängt mich die Sache an zu beunruhigen“, sagte Orson King. „Sie sollten sich etwas einfallen lassen, um den Kerl zu kriegen, ehe unter den Feriengästen eine Panik ausbricht.“
Bount entschuldigte sich und begab sich zu Clarence Cavanagh.
Der Millionär nickte ernst. „Ja, Mr. Reiniger. Es stimmt, was Ihnen Orson King, erzählt hat. Der Mörder hat sich sein zweites Opfer geholt.“ „Wieder ein Mädchen aus dieser Feriensiedlung?“, fragte Bount erschüttert.
„Die Frau eines prominenten Anwalts aus San Francisco. Sein Name ist Ian Casson. Seine Frau hieß Julie.“
„Wo ist es passiert?“, wollte Bount Reiniger wissen.
„Unweit von hier. Auf der Jacht, die das Ehepaar gemietet hatte. Nicht einmal in Begleitung ihres Mannes war die Frau vor diesem maskierten Ungeheuer sicher! Der Mörder hat Casson niedergeschlagen, um an dessen Frau heranzukommen.“
Bount erfuhr die Einzelheiten, soweit sie Clarence Cavanagh bekannt waren. Die Kaltblütigkeit, mit der der Mörder seine Verbrechen verübte, war erschreckend.
Der Mann hatte Mut. Er musste kräftig sein, musste sich selbst Männern gegenüber überlegen fühlen. Und er ging schnurstracks auf sein Ziel los.
Eine herzlose Bestie ohne Gewissen.
Es würde nicht leicht werden, diesen eiskalten Mörder zu fassen.
Bount erzählte Cavanagh von dem Drohanruf, den er erhalten hatte, und dass der Killer die Reifen seines Wagens aufgeschlitzt hatte.
„Wie denken Sie darüber, Mr. Reiniger?“, fragte Cavanagh.
„Ich glaube, meine Anwesenheit macht den Mann unsicher. Er möchte sich den Rücken freihalten. Deshalb will er, dass ich mich zum Teufel schere. Aber diesen Gefallen tu’ ich ihm nicht.“
Bount stutzte plötzlich.
Er hatte etwas bemerkt. Sein Blick war zufällig über die Fettholzsträucher geglitten, die den Bungalow einfriedeten, und dabei hatte er eine rasche Bewegung wahrgenommen.
Die großen dunkelgrünen Blätter zitterten jetzt noch!
„Bin gleich wieder hier“, zischte Bount.
Er ließ den Millionär stehen und eilte aus dem Haus. Sicherheitshalber angelte er während des Laufens seine Automatic aus dem Schulterholster. Er entsicherte die Pistole mit dem Daumen.
Der teppichweiche Rasen schluckte seine Schritte.
Er erreichte die Stelle, an der die Blätter gezittert hatten. Sofort warf er sich in die Buschwand hinein.
Zweige klatschten Bount ins Gesicht. Wurzeln versuchten, ihm ein Bein zu stellen. Bount wühlte sich kraftvoll durch die lebende Wand.
Unweit von ihm entfernt floh jemand. Äste brachen. Es knisterte und knackte. Bount arbeitete sich auf die Geräusche zu.
Er hörte das Keuchen eines Menschen. Dann sah er den Mann, der sich abzusetzen versuchte.
„Hiergeblieben!“ befahl Bount Reiniger.
Seine Linke schoss vor. Die Finger bekamen eine Nylonjacke zu fassen. Mit einem Ruck riss Bount Reiniger den Mann herum.
Der Fremde schlug aus der Drehung heraus zu. Bount fing den Schlag ab, und als der Bursche nach seinem Schienbein trat und schmerzhaft traf, rammte ihm Bount Reiniger die 38er in den Bauch.
„Ich denke, das reicht!“, sagte Bount grimmig.
Er zerrte den Unbekannten aus dem Gebüsch und drückte ihn gegen den rissigen Stamm einer Palme.
„Ganz ruhig jetzt, sonst kann ich für nichts garantieren!“, sagte Bount Reiniger. „In solchen Situationen habe ich immer einen verflixt nervösen Zeigefinger!“
Der Kerl, mit dem Bount es zu tun hatte, war ein Ausbund an Hässlichkeit. Reiniger hatte noch nie einen so hässlichen Burschen gesehen. Er hatte brandrotes, gekraustes Haar, zwei verschieden große Augen, eine Nase wie ein Papagei und der Rest des Gesichts war noch viel schlimmer.
An einem Lederriemen hing ein Fotoapparat um seinen Hals. Mit Teleobjektiv. Bount tastete den Mann nach Waffen ab.
Er konnte keine finden. Dafür fand er einen Journalistenausweis, ausgestellt auf den Namen Keenan Hiller. Das Foto zeigte den Rothaarigen.
„Darf ich erfahren, aus welchem Grund Sie hier um die Bungalows herumschleichen, Mr. Hiller?“, fragte Bount frostig.
Der Rothaarige zuckte mit den Schultern. „Die Zeiten sind nicht mehr so rosig wie früher. Man muss sich ranhalten, wenn man überleben will.“
„Beantworten Sie meine Frage, Hiller!“, herrschte Bount den Journalisten an.
„In diesem Feriendorf wimmelt es nur so von Prominenz“, erklärte Keenan Hiller. „Ich weiß, wer Sie sind. Sie heißen Bount Reiniger und sind ein bekannter Privatdetektiv aus New York.“
„Ich weiß, wer ich bin.“
„Mr. Cavanagh hat Sie engagiert, damit Sie den Mord an seiner Tochter aufklären. Es wird Ihnen nicht gelingen.“
„Behalten Sie Ihre wertlose Prognose für sich. Ich will endlich wissen, was Sie hierhertreibt, Hiller. Reden Sie, sonst werde ich ungemütlich!“
„Stecken Sie die Pistole weg. Die brauchen Sie nicht, Mr. Reiniger. Wie ich schon sagte, sind die Zeiten für uns Journalisten schlecht. Alles wird teurer. Aber das Gehalt zieht nicht mit. Das ist der Grund, weshalb ich mich hier herumtreibe. Die Leute, die hier wohnen, sind bekannt, sie sind reich, die Öffentlichkeit ist an ihrem Leben interessiert. Ich schieße eine Menge Fotos, auf denen zu sehen ist, was die Prominenz so treibt. Damit lässt sich natürlich nicht allzu viel verdienen. Mehr Geld bringt es schon ein, wenn es mir gelingt, hin und wieder eine anstößige Aufnahme zu schießen. Vermutlich verachten Sie mich jetzt, aber das stört mich nicht, Reiniger. Jeder versucht auf seine Weise, sich die Wurst aufs Brot zu verdienen.“
„Ihre Zeitung darf solche anstößigen Aufnahmen doch gar nicht bringen. Das würde gegen das Pressegesetz verstoßen“, sagte Bount.
Keenan Hiller grinste. „Richtig, Mr. Reiniger. Deshalb biete ich solche Aufnahmen auch nicht meiner Zeitung zum Kauf an, sondern den Personen, die auf dem Foto drauf sind.“ „Sie sind ein widerlicher Schmutzfink, Hiller.“
„Das sagen Sie. Ich bezeichne mich als geschäftstüchtig.“
Bount nahm dem Mann den Fotoapparat ab. Er öffnete die Kamera.
„He, was machen Sie da?“, protestierte Keenan Hiller.
Bount nahm dem Mann den Fotoapparat aus und klappte das Gehäuse wieder zu. Er hing Hiller die Kamera wieder um und erklärte ihm so ruhig er konnte: „So, Mann, jetzt verschwinden Sie. Lassen Sie sich in diesem Feriendorf nicht noch mal blicken, sonst sorge ich dafür, dass Sie ins Kittchen kommen!“
Schimpfend zog der Journalist davon.