Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 13

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Die Dämmerung hatte kaum merklich eingesetzt. Ein Silberstreifen blieb noch kurz am Horizont. Dann verabschiedete sich der Tag, und der Abend nahm seinen Anfang. Lichtpunkte hingen in der Dunkelheit.

Vom Strand her war das monotone Rauschen der Wellen zu vernehmen, während der Wind mit seinen unsichtbaren Fingern über die hohen Palmenwipfel strich.

Nervös und kribbelig war der Mann, der Miriam Cavanagh getötet hatte. Er erinnerte sich sehr genau an seine Tat.

Die Spannung in seinem Inneren war beinahe schon unerträglich gewesen, als ihm dieses Mädchen in die Hände gefallen war.

Er hatte sich mit dem Mord befreit. Er hatte eine Last, die ihn zu erdrücken gedroht hatte, von sich genommen. Die innere Spannung war sofort gewichen, nachdem es geschehen war.

Doch nun waren diese schrecklichen Zustände wieder da und er musste einen neuen Mord begehen, um sich wieder von dieser schrecklichen Umklammerung, die ihn fertigmachen wollte, zu befreien.

Wieder war er auf der Suche nach einem weiblichen Opfer. Ein Mädchen oder eine Frau musste es sein, denn sein krankes Gehirn sagte ihm, dass er eine Mission zu erfüllen hatte.

Er handelte unter Zwang. Ein höherer Einfluss wirkte auf ihn. Er führte in gewisser Weise nur Befehle aus. Er war lediglich ein Werkzeug, das zu gehorchen hatte.

Geschmeidig huschte er durch die Dunkelheit. Da er schwarz gekleidet war, verschmolz er buchstäblich mit der Finsternis.

Man musste gute Augen haben, um ihn auf Anhieb zu sehen. Es war heiß unter der Strickmaske. Dennoch nahm der Mörder sie nicht ab.

Er wollte nicht, dass irgendjemand sein Gesicht beschreiben konnte. Niemand sollte wissen, wer sich hinter der schwarzen Maske verbarg.

Lautlos schlich der schwarze Mörder auf ein Strandhaus zu. Er hörte Stimmen, Musik und Gelächter.

Da war eine Party in vollem Gange.

Keine Party ohne Mädchen und Alkohol. Der Killer witterte sofort eine Chance, sich hier sein nächstes Opfer zu holen.

Als er auf zwanzig Yards an das Strandhaus herangekommen war, schlug er sich seitlich in die Büsche. Der glutrote Schein eines Lagerfeuers spiegelte sich in seinen Augen.

Das verlieh ihm ein noch unheimlicheres Aussehen.

Sein Atem ging schnell. Er zog sich tiefer in die Büsche zurück. Vier junge Paare feierten vor dem Strandhaus ein wildes, ausgelassenes Fest.

Keiner von ihnen hatte mehr am Leib, als unbedingt nötig war. Die Mädchen, ausnahmslos gut gewachsen, versuchten sich zum Gaudium der Jungs im Hula Tanz. Die männlichen Zuseher klatschten zwischendurch begeistert im Takt mit, tranken Schnaps und versuchten schließlich ihrerseits die Darbietungen der Mädchen zu überbieten.

Das gab ein Gelächter.

„Ja, ja, lacht nur“, flüsterte der Killer, der seine Unruhe kaum noch bezähmen konnte. „Schon bald wird das Lachen aufhören!“

Seine Mordlust nahm ständig zu.

Sie überwucherte ihn und vergiftete seinen Geist. Bald hatte in seinem kranken Gehirn nur noch dieser eine Gedanke Platz: Mord! Er wollte töten.

Was heißt, er wollte… er musste töten! Weil dies seine Mission war.

Eines dieser vier Mädchen durfte den nächsten Morgen nicht erleben. Welche? Der Mörder nahm sich Zeit, die richtige auszuwählen.

Seine dämonisch funkelnden Augen musterten ein Girl nach dem anderen. Schließlich entschied er sich für die Schönste, ein Mädchen mit wehendem nussbraunem Haar. Sie trug einen knappen Bikini und hatte eine Traumfigur.

Sie hieß Carmilla. Ihr Name fiel mehrmals.

„Carmilla!“, hauchte der Killer hochgradig nervös, und seine Hände zuckten, als könne er es nicht mehr erwarten, die Finger um den schlanken Hals des Mädchens zu legen. „Carmilla, du wirst sterben. Du bist meine Auserwählte. Fühle dich geehrt.“

Sie lachte eben wieder, warf den Kopf zurück und lachte so herzhaft, dass es auf die anderen ansteckend wirkte.

Der Mörder zermarterte sich das Gehirn, wie er Carmilla von den anderen fortlocken konnte. Er musste mit ihr allein sein. Nur wenige Augenblicke würden ihm genügen.

Während der Maskierte noch überlegte, wie er es anstellen sollte, um mit Carmilla für eine kleine Weile allein zu sein, vernahm er Rufe, die ihn irritierten.

Er ließ ein gedämpftes Knurren hören und schüttelte unwillig den Kopf. Mürrisch knirschte er: „Verdammt!“

Vielstimmig waren die Rufe. Sie kamen schnell näher. Und dann fiel eine ganze Bande von Jugendlichen, wie eine Vogelschar in den Weingarten ein. Es wimmelte plötzlich nur so von jungen Menschen.

Fünfzehn oder zwanzig waren es. Den Maskierten machte der Tumult ganz krank. Carmilla ging in der lachenden, hüpfenden und schnatternden Menge unter.

Der Mörder konnte das Opfer, das er sich ausgesucht hatte, plötzlich nicht mehr sehen. Nur ab und zu tauchte sie kurz auf, verschwand aber gleich wieder in der Menge.

Zornig stampfte der Killer mit dem Fuß auf. Dieser Massenauflauf hatte ihm gerade noch gefehlt.

Er war maßlos wütend. Am liebsten hätte er lauthals geschrien und sich auf Carmilla gestürzt.

Aber das hätte diese Bande nicht zugelassen. Man hätte sich auf ihn gestürzt, hätte ihn von Carmillä fortgerissen, überwältigt und demaskiert. Sein Herz hämmerte wild.

Noch hoffte er, dass die junge Schar, die grölend angekommen war, bald weiterziehen würde. Doch diese Hoffnung sollte sich nicht erfüllen.

Jemand machte den Vorschlag, gemeinsam ins Meer schwimmen zu gehen, und dieser Vorschlag wurde einstimmig und mit viel Jubel angenommen.

Das Ganze wurde zu einem Weltlauf, denn der letzte - so hieß es - müsse eine Runde Bier springen lassen. Kreischend hetzte die Menge davon.

Und der Killer hatte das Nachsehen.

Er hatte nicht mehr die Kraft, auf Carmillas Rückkehr zu warten. Seine innere Spannung folterte ihn nun schon sosehr.

Grimmig zog er weiter.

Er war sicher, anderswo ein Opfer zu finden …

Auswahlband Krimi Winter 2020

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