Читать книгу Auswahlband Krimi Winter 2020 - A. F. Morland - Страница 11

4

Оглавление

Nach einer Flugzeit von etlichen Stunden traf Bount Reiniger in Honolulu ein. Es war ein kurzweiliger Flug gewesen, denn Bount hatte die Bekanntschaft einer reizenden jungen Frau gemacht.

Sie war klein und zierlich und trug ein nettes, einfaches Strickkleid, das ihre gut proportionierten Körperformen wunderbar zur Geltung brachte.

Ihr Name war Maggie McOmie. Sie hatte rabenschwarzes Haar. Es war in der Mitte gescheitelt und fiel zwanglos, aber wirkungsvoll auf die Schultern. Ihr Gesicht war ein wenig herzförmig, ihr Teint blass.

Die Frau konnte nicht älter als dreiundzwanzig sein, und ihre schiefergrauen Augen verrieten sehr viel Intelligenz.

Ihre Nase war klein und fein geformt, und der Mund war sorgfältig geschminkt.

Sie war Lehrerin in New York. Eine Freude für die Schüler. Verstehend, verzeihend und obendrein auch noch nett anzusehen.

Sie wollte auf Hawaii ihren Urlaub verbringen. Allein.

Im Flugzeug hatte sie Bount gestanden: „Eigentlich bezwecke ich mit dieser Reise nichts Anderes als vor meinen Problemen davonzulaufen.“

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie überhaupt Probleme haben“, hatte Bount erwidert.

„Oh, doch. Doch, die habe ich“, hatte Maggie McOmie geantwortet. Ihr Blick war daraufhin traurig geworden. Leise hatte sie fortgesetzt: „Vor zwei Wochen wurde meine Ehe geschieden.“

„Das tut mir leid.“

„Es braucht Ihnen nicht leid zu tun. Es war die Hölle. Wissen Sie, wie lange ich verheiratet war? Eineinhalb Jahre. Davon war ich einen ganzen Monat lang glücklich. Ist das nicht schon viel? Manche Frauen haben nicht einmal das. Nach vier Wochen ließ mein Mann dann die Maske fallen. Er sagte mir ganz offen ins Gesicht, dass er es satthabe, sich zu verstellen. Er zeigte sich mir von diesem Tag an nur noch, wie er wirklich war. Ich hätte es vor meiner Ehe nicht für möglich gehalten, dass es so etwas geben kann. Hyram trank, kam nächtelang nicht nach Hause, er spielte, und er brachte mir billige Flittchen ins Haus. Wenn ich dagegen protestierte, verprügelte er mich ... Ich bin froh, dass dieser Alptraum ein Ende hat.“

„Das kann ich verstehen“, hatte Bount gesagt.

Nun trat er mit Maggie McOmie aus der Halle des Honolulu International Airport.

Da sich herausgestellt hatte, dass Maggie im selben Hotel wie Bount wohnen würde, fuhren sie in einem Taxi dorthin.

Die junge Lehrerin blickte aus dem Fenster. „Ist es nicht paradiesisch hier, Mr. Reiniger?“

„Wie lange werden Sie bleiben?“, fragte Bount.

„Vierzehn Tage. Dann geht es wieder zurück ins triste New York. Aber bis dahin habe ich ein reichhaltiges Programm zu absolvieren. Es gibt so viele Sehenswürdigkeiten, die ich mir unbedingt anschauen muss: den Iolani Palast, das Bishop Museum, den Kapiolani Park ... Ich werde Ausflüge nach Pearl Harbor und zum Oceanic Sea Life Park machen. Und ich werde selbstverständlich so oft wie möglich baden. Darauf freue ich mich schon sehr.“

„Die Zeit wird Ihnen bestimmt zu knapp werden“, meinte Bount und schmunzelte.

„Umso besser. Wenigstens komme ich nicht dazu, nachzugrübeln, was ich in New York zurückgelassen habe.“

Sie erreichten das Hotel. Es war direkt am Strand gebaut worden. Der Ausblick von allen Zimmern war traumhaft. Das leise Rauschen der Palmen wurde vom lauteren Rauschen des Meeres übertönt.

Bevor sich Bount von Maggie McOmie verabschiedete, sagte er: „Sollten Sie sich wider Erwarten einsam fühlen ... Meine Zimmernummer ist einhundertelf.“

Die Frau nickte und dankte für die Einladung.

Auf seinem Zimmer duschte Bount kurz. Danach zog er sich um, bestellte einen Leihwagen vor das Hotel, setzte sich in den schneeweißen Mustang und fuhr in Richtung Waikiki Beach, wo sich ein Bungalowdorf befand, in dem die Reichen und die Superreichen unter sich waren.

Eine prachtvolle Anlage, die alles das bot, was vom dollargespickten Feriengast verlangt wurde.

Man konnte Golf und Tennis spielen. Es gab die Möglichkeit, zu reiten, zu tauchen, Wasserski zu fahren oder sich beim Windsurfen zu versuchen. Außerdem gab es in der riesigen Anlage einen großen Süßwasserpool, in dessen Mitte eine kleine Insel angelegt worden war.

Das Restaurant bot erlesene Gaumenfreuden an, und zu trinken gab es hier mehr als anderswo.

Auch hier gab es jede Menge Palmen. Dazwischen prachtvolle Tropengewächse mit phantasievollen Blüten in allen erdenklichen Farben.

In einem der zahlreichen Bungalows wohnte Clarence Cavanagh.

Bount hatte seinen Wagen auf dem Parkplatz vor dem Feriengelände abgestellt und war nun zu Fuß auf der Suche nach Cavanagh. Der Mann von der Information hatte den Weg zu Cavanaghs Heim so umständlich erklärt, dass Bount Reiniger prompt falsch lief.

Er betrat eine schattige Terrasse. Im Haus kicherten zwei Mädchen. Bount ging auf die offene Terrassentür zu. Er schlug den Vorhang zur Seite und betrat den großen Livingroom.

Auf dem Teppichboden lag ein Mann, dessen Gesicht Bount sofort wiedererkannte. Das war Orson King. Eine Größe im Showgeschäft.

Es gab nichts, was King nicht gekonnt hätte. Er war Tänzer, Sänger und Schauspieler. In Hollywood zahlte man ihm Supergagen.

Seine Filme spielten jedes Mal ein Vermögen ein. Und wenn er als Entertainer in Las Vegas auftrat, musste der Saal polizeilich umstellt werden.

Dieser Orson King lag also auf dem Teppichboden, trug nur eine winzige Badehose und alberte mit zwei kurvigen Blondinen herum.

Bount räusperte sich. Daraufhin schaute Orson King ihn an. „Sie wünschen?“, fragte er, während er sich erhob. Er war muskulös und durchtrainiert. Und er sah verdammt gut aus. Das blonde Haar war etwas in Unordnung geraten, doch das störte nicht.

Die beiden Girls, von denen die eine einen knallroten, die andere einen rabenschwarzen Tanga trug, standen ebenfalls auf.

Sie waren ein bisschen außer Atem.

„Entschuldigen Sie die Störung, Mr. King“, begann Bount. Der Schauspieler war nicht erstaunt, dass Bount Reiniger ihn mit seinem Namen ansprach.

Jedes Kind in den Staaten wusste, wer Orson King war.

„Sie haben sich wohl verlaufen, wie?“, fragte der Star. Es klang nicht spöttisch, sondern freundlich. Dahinter lag die Bereitschaft, zu helfen.

„Ich suche Mr. Cavanagh“, sagte Bount.

Jetzt musterte Orson King Bount Reiniger mit interessiertem Blick. „Dann sind Sie wohl der Privatdetektiv aus New York: Bount Reiniger.”

„Ganz recht. Sie sind gut informiert, Mr. King.“

„Cavanagh hat viel über Sie gesprochen.“

„Wo finde ich ihn?“, fragte er freundlich.

„Er wohnt in dem Bungalow nebenan. Machen Sie sich auf einiges gefasst, Mr. Reiniger.“

„Warum?“

„Cavanagh erwartet, dass Sie für ihn ein Wunder vollbringen.“ King sah besorgt aus.

„Ich habe noch keine Ahnung, worum es geht. Würden Sie mir ...?“

Orson King schüttelte entschieden den Kopf. „Ich möchte nicht vorgreifen. Im Übrigen ist es mir lieber, wenn ich mich aus dieser Sache heraushalten kann. Ich habe Ferien, und ich gedenke sie zu genießen.“ Der Star schlang seine Arme um die schmalen Taillen seiner gut gebauten Mädchen und sagte: „Ehrlich gesagt, ich beneide Sie nicht um Ihren Job.“

Bount verließ den Bungalow.

Er begab sich nach nebenan und klopfte an die Eingangstür.

Vor zwei Jahren hatte Bount den Millionär zum letzten Mal gesehen. Es schien, als wären seit damals zwanzig Jahre vergangen.

Clarence Cavanagh wirkte alt und resigniert. Von seiner einstigen Vitalität und Spannkraft schien nichts mehr übrig zu sein.

Seine Augen lagen in schattigen Höhlen. Die sonnengebräunte Haut wirkte faltig und fahl.

Bount begab sich mit Cavanagh in den luxuriös ausgestatteten Livingroom. Compact Anlage, Farbfernseher, Hausbar - alles war vorhanden. Bount setzte sich mitten in die silbergraue Wohnlandschaft aus Samtvelours.

„Ich danke Ihnen, dass Sie so schnell gekommen sind, Mr. Reiniger“, begann Clarence Cavanagh. Er trug einen weißen Seidenanzug, der tadellos saß.

„Ihr Anruf hörte sich so an, als würde es hier brennen“, erwiderte Bount Reiniger.

„Möchten Sie etwas trinken?“

„Orangenjuice. Keinen Alkohol. Jedenfalls nicht vor dem Abend. Am Tag ist es hier zu warm dafür.“

Bount bekam seinen Juice. Cavanagh blieb vor ihm stehen. Er schien zu nervös zu sein, um sitzen zu können.

Der Millionär seufzte schwer. „Es fällt mir nicht leicht, darüber zu reden, Mr. Reiniger. Leider muss es sein: Meine Tochter Miriam ... sie lebt nicht mehr. Jemand hat sie grausam umgebracht. Erwürgt.“

Bount stellte das Glas weg. „Was sagen Sie da?“ Damit hatte Bount Reiniger nicht gerechnet.

„Der Mörder meiner Tochter war ganz in Schwarz gekleidet und trug eine schwarze Wollmaske über dem Kopf.“

„Woher wissen Sie das?“, fragte Bount und steckte sich eine Pall Mall an.

Clarance Cavanagh berichtete, was er von Marty Caine erfahren hatte. Die Polizei hatte dem Millionär versprochen, alles zu tun, um den geheimnisvollen Mörder schnellstens zu finden.

„Ich habe selbstverständlich Vertrauen zur hiesigen Polizei“, erklärte Cavanagh, „es sind wirklich tüchtige Leute. Aber ich möchte alle Möglichkeiten ausgeschöpft wissen, die zur Klärung dieses sinnlosen Verbrechens beitragen können, deshalb habe ich Sie, Mr. Reiniger, gebeten, hierherzukommen.“

Der Millionär war den Tränen nahe. Aber er schämte sich deren nicht.

Bount konnte dem Mann das nachfühlen. Bount hatte Miriam gekannt. Wenn sie auch mal von zu Hause ausgerückt war, das war nichts weiter als eine Jugendtorheit gewesen.

Miriams Kern war gut gewesen. Ein solches Kind zu verlieren, war für einen Vater sehr schmerzlich. Zumal es das Liebste war, was er noch hatte.

Cavanagh wandte sich ab. Er wischte sich über die feuchten Augen. Dann holte er einen Plan, den er vor Bount auf dem Couchtisch ausbreitete.

Er zeigte dem Detektiv, wo das Kapitalverbrechen verübt worden war. Bount nahm sich vor, sich am Tatort bei der nächsten Gelegenheit umzusehen.

Clarence Cavanagh schüttelte den Kopf. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass Miriam nicht mehr lebt. Sie war ein so lebenslustiges Ding. Sie konnte vom Leben nicht genug kriegen. Am Nachmittag nahm sie noch ihre Tennisstunde. Und wie sie hinterher von Scatman Crothers, ihrem Tennislehrer, geschwärmt hat ... abends war sie mit Marty Caine tanzen. Sie war überall beliebt. Alle Jungs mochten sie. Dennoch konnte ich Miriam voll vertrauen. Sie wusste stets, wie weit sie gehen durfte ... Und nun ... nun ist dieses fabelhafte Mädchen tot. Erwürgt von einem Unbekannten, dem sie bestimmt niemals etwas zuleide getan hat. Ich verstehe es nicht, Mr. Reiniger. Ich versteh's einfach nicht...“

„Haben Sie Feinde, Mr. Cavanagh?“

„Vielleicht gibt es jemanden, der Ihnen Ihren Reichtum neidet.“

„Sehen Sie sich doch in diesem Feriendorf um, Mr. Reiniger. Ich bin bei Gott nicht der einzige, der viel Geld hat. Im Gegenteil. Es gibt noch wesentlich reichere Leute als mich.“

Bount leerte sein Glas. Er steckte den Tatortplan mit Cavanaghs Erlaubnis ein und erhob sich.

„Werden Sie diese maskierte Bestie, die mir so großes Leid zugefügt hat, finden, Mr. Reiniger?“, fragte Clarence Cavanagh heiser.

„Ich werde mir die größte Mühe geben“, erwiderte Bount ernst. Das war ein Versprechen. Bount Reiniger würde jetzt alles versuchen, was in seiner Macht stand. Das wusste jeder, der ihn kannte.

Auswahlband Krimi Winter 2020

Подняться наверх