Читать книгу Mörderdutzend: 12 Thriller - Sammelband 1200 Seiten Krimi Spannung - A. F. Morland - Страница 19
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Mündungsfeuer leckte wie eine rote Drachenzunge aus der Mündung der Automatik. Fünfmal hintereinander geschah das. Die Schüsse waren ohrenbetäubend laut.
Der Mann, der plötzlich mit einer Waffe in der Hand hinter einer Hausecke hervorgetreten war, hatte zwei Treffer in den Kopf und zwei in den Oberkörper bekommen. Ein dritter Schuss war daneben gegangen.
Gunnar Bellenborn wirbelte herum, als er aus den Augenwinkeln heraus von der anderen Seite eine Bewegung wahrnahm. Bellenborn feuerte sofort.
Drei Schüsse trafen die Frau mit Kinderwagen, ehe Bellenborn den Beschuss einstellte.
„So eine Scheiße!”, sagte er und riss sich den obligatorischen Ohrenschutz vom Kopf. Zwei volle Stunden hatte er jetzt schon in dem privaten Schießstand verbracht, den er im Keller seines Anwesens eingerichtet hatte. Die Räume waren absolut schalldicht isoliert. Man konnte im Rest des Hauses von der Schießerei nichts mitbekommen. Anders wäre das für seine Familie wohl auch unerträglich gewesen. Mehr als hundert Schuss hatte Gunnar Bellenborn in den letzten zwei Stunden hier unten verballert.
Die Simulationsanlage gehörte zum Besten, was es auf dem Markt gab. Die Drei-D-Effekte ähnelten denen im Kino. Bellenborn trug deswegen eine spezielle Brille, die ihn außerdem vor dem Schmauch der Waffe schützte.
Bellenborn betätigte das Terminal. Die Simulation stoppte. Und die eingeblendete Anzeige brachte es mit gnadenloser Deutlichkeit an den Tag: Ich bin schlechter geworden! Und zwar erheblich!
Eigentlich war das auch kein Wunder.
Es war schließlich lange her, dass er regelmäßig mit der Waffe trainiert hatte. Zu lange, wie es schien.
Eine Anzeige blinkte auf. ANZAHL DER LETALEN TREFFER AN UNBETEILIGTEN PERSONEN IM GESAMTEN DURCHGANG, stand dort in Großbuchstaben.
Die die Zahl dahinter war deprimierend.
Jeden Streifenpolizisten mit diesem Ergebnis würde ich sofort entlassen, dachte er. Es ist halt schon eine ganze Weile her, dass du selbst auf der Straße warst und in brenzligen Situationen Sekundenschnell die richtige Entscheidung treffen musstest...
„Gunnar”, sagte eine Stimme. Eine weibliche Stimme. Sie klang ziemlich energisch und etwas angenervt. So als wäre sie verstimmt darüber, dass sie ihn schon mehrfach angesprochen, aber keine Antwort erhalten hatte.
Gunnar Bellenborn drehte sich um. Seine Frau Jolanda stand da. Er hatte nicht bemerkt, dass sie den Raum betreten hatte und jetzt erinnerte er sich dunkel daran, dass sie vielleicht schon mehrfach zu ihm gesprochen hatte, ohne dass ihm das bewusst geworden war. Er war einfach zu sehr in seinen Gedanken gewesen. Fokussiert auf die Simulation.
„Was gibt es?”, fragte er.
„Schön, dass du doch nicht taub bist”, sagte Jolanda.
„Damit das nicht geschieht, trage ich ja auch einen Ohrenschutz”, sagte er und schaltete die Simulation jetzt ganz aus. Er hatte keine Lust, noch einen Durchgang zu machen. Nicht heute. Seine Laune war einfach zu schlecht. Und wenn er schlechte Laune hatte oder angespannt war, dann war seine Trefferquote einfach zu niedrig. Das wollte er unbedingt vermeiden.
Heute, so wusste er, machte er besser Schluss.
„Liebling, wir müssen über ein paar Dinge reden.”
„Jolanda...”
Er nahm das Magazin aus dem Griff der Automatik und die Brille ab.
„Mir gefallen diese Leute nicht, die jetzt im Haus sind, Gunnar.”
„Jolanda, du hast doch mitbekommen, was passiert ist.”
„Natürlich.”
„Jemand hat es auf mich abgesehen. Jetzt ist es noch der Kopf irgendeines Idioten, den sie am Tor aufgespießt haben! Als nächstes ist es vielleicht meiner.”
„Gunnar...”
„Oder deiner, Jolanda! Weiß Gott, ich bin froh, dass unser Sohn im Ausland studiert und nicht hier in der Gegend.”
„Mir gefallen die Leute nicht, die jetzt auf unserem Grundstück herumhängen, Gunnar.”
„Die hängen nicht herum, sondern sorgen für unsere Sicherheit, Jolanda”, stellte Gunnar Bellenborn unmissverständlich klar. „Private Security Guards. Männer, denen ich absolut vertraue.”
„Und warum vertraust du nicht dem Polizeischutz deiner eigenen Behörde?”, fragte Jolanda etwas verständnislos. „Du bist doch immer noch der Chef der Polizei.”
Gunnar Bellenborn ging auf seine Frau zu und fasste sie bei den Schultern.
„Ich habe meine Gründe”, sagte er.
„Du traust deinen ehemaligen Kollegen nicht zu, dass sie für unsere Sicherheit sorgen können? Gunnar, das erstaunt mich jetzt doch ziemlich.”
„Sagen wir so: Ich halte es für besser, nicht nur auf den Schutz der Frankfurter Polizei zu vertrauen. Einige der Männer, die uns jetzt bewachen und in nächster Zeit für unsere Sicherheit sorgen werden, sind übrigens ehemalige Polizisten. Ich kenne den einen oder anderen schon seit Jahren. Manche waren in meiner Abteilung, als ich noch Hauptkommissar war und andere habe ich selbst eingestellt - und wieder entlassen müssen, weil sie leider ein besseres Angebot aus der privaten Wirtschaft bekommen haben.”
„Ich weiß nicht...”
„Jolanda, ich möchte doch nur, dass wir in nächster Zeit einigermaßen ruhig schlafen können. Und diesen Leuten vertraue ich absolut. Die verstehen ihr Handwerk.”
„Da war übrigens so ein komischer Typ vom BKA... Du hast dich ja hier unten eingegraben und warst über Stunden nicht zu sprechen.”
„Jeder hat eben seine Art, mit der Situation fertig zu werden”, sagte Gunnar Bellenborn. „Die nächsten Tage werden auch für mich nicht leicht. Die Medien werden sich auf mich stürzen, es wird unzählige offizielle und halb offizielle Anhörungen geben, ich werde Erklärungen abgeben müssen und ich werde sehr aufpassen müssen, damit diese ganze Affäre einigermaßen spurlos an mir vorübergeht.” Er zog die Stirn in Falten. „Ein Typ vom BKA, sagst du?”
Sie nickte.
„Ja.”
Er sagte: „Da sollen zwei Kriminalinspektoren aus Berlin kommen, weil die den Luschen in Frankfurt wohl nicht allzu viel zutrauen. Aber eigentlich haben die sich erst für Morgen angesagt.”
„Nein, das war kein Kriminalinspektor, sondern ein Forensiker, der wie ein Hamburger spricht und angeblich zu einem sogenannten Ermittlungsteam Erkennungsdienst in Quardenburg gehört. Ich habe mir seinen Ausweis zeigen lassen.”
„Wenn er einen Gesprächstermin will, soll er sich mit meinem Sekretariat in Verbindung setzen. Wenn die glauben, sie können hier auftauchen, wann sie wollen...”
„Förnheim heißt er. Und er wollte dich gar nicht sprechen, obwohl ich ihm angeboten habe, dir Bescheid zu sagen.”
„Was wollte dieser Förnheim denn?”
„Sich alles genau ansehen. Er hat alle möglichen Untersuchungen am Tor und in der Umgebung durchgeführt. Inzwischen ist er nicht mehr da.”
„Es soll jeder seinen Job machen”, meinte Gunnar Bellenborn. „Und ich hoffe, dieser Forensiker macht seinen Job.”
„Gunnar, ich muss dich etwas fragen.”
„Was?”
„Kennst du den Mann, dessen Kopf auf das Tor gespießt wurde?”
„Was willst du jetzt damit andeuten, Jolanda?”
Er ließ sie los.
„Das war nur eine Frage”, gab Jolanda Bellenborn zurück. „Ich sollte gar nichts damit andeuten. Aber ich hätte gerne eine Antwort.”