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„Wie heißen Sie?“

„Benny Schmitt.“

„Und wie lange bleiben Sie?“

„Mal sehen. Ein paar Tage.“

„Spielen Sie Golf?“

„Wieso?“

„Wegen der Tasche. Sie scheinen ja eine richtige Profi-Ausrüstung zu haben.“

„Wissen Sie was? Ich mag keine Hotelportiers, die viel quatschen.“

„Ist ja schon gut.“ Der Mann hinter dem Tresen im Foyer legte die Geldscheine, die Benny Schmitt ihm gegeben hatte, einzeln unter die Speziallampe, um zu überprüfen, ob es sich um Falschgeld handelte. Immerhin, hier im STERN HOTEL nahm man wenigstens noch Bargeld und bestand nicht auf eine Kreditkarte. Früher war das STERN HOTEL mal eines jener Häuser gewesen, in denen man Zimmer stundenweise mieten konnte. Ein Bordell, so die langjährige Einschätzung unserer Kollegen der Kripo. Inzwischen war die Prostitution aus dieser Gegend verdrängt worden und für das STERN HOTEL hatte das einen noch tieferen Fall bedeutet. Ein Teil der Zimmer wurde jetzt von Leuten bewohnt, die gerade einen Schritt von der Obdachlosigkeit entfernt waren.

Der Putz blätterte von den Wänden und es war kein Geld dafür da und der Aufzug war defekt. Aber für Benny Schmitt war das genau die richtige Unterkunft. Aus mehreren Gründen.

Schmitt bekam den Schlüssel ausgehändigt. Etwa ein Drittel der Zimmer waren inzwischen dauerhaft vermietet, ein weiteres stand leer und in dem letzten Drittel wurde das getrieben, wozu das STERN HOTEL schon immer gedient hatte.

Nur, dass diese Zimmer nicht mehr Stundenweise gemietet werden konnten, sondern die Prostituierten jetzt auch hier wohnten.

„Sie finden den Weg zu Ihrem Zimmer allein?“, fragte der Portier. Er musterte Schmitt auf eine intensive Weise, die diesem nicht gefiel. Sein Blick konzentrierte sich aus irgendeinem Grund an Schmitt‘ Hals.

Schmitt trug ein relativ großes Kruzifix aus Gold um den Hals. Und da im Moment die ersten beide Knöpfe seines Hemdes offen waren, hatte der Portier einen freien Blick auf das kleine Kunstwerk aus Rotgold. Wenn man genau hinschaute, konnte man sehen, dass das Kreuz nicht aus zwei Balken gebildet wurde, sondern aus zwei Schwertern.

„Übertreiben Sie es nur nicht mit dem Service!“, sagte Schmitt zwischen den Zähnen hin durch.

„Erster Stock!“

„Danke.“

Schmitt ging die Freitreppe hinauf. In den dreißiger Jahren hatte dieses Foyer sicher mal richtig nobel ausgesehen!, ging es ihm durch den Kopf. Aber das war lange her.

Das Zimmer hatte er schnell gefunden. Er schloss auf, warf seine Sachen auf das Bett und streckte die Arme aus. Dann öffnete er das Fenster, um die muffige Luft loszuwerden, die den Raum erfüllte. Er ging zum Fenster, das zur Straßenseite ausgerichtet war.

Gut so, dachte Schmitt.

Dann hatte er alles im Blick.

Mit der Hand berührte er kurz das Kreuz an seiner Brust, ehe er das Hemd schloss. Der Tag des Gerichts kommt für jeden einmal, dachte er. Und wenn es soweit ist, dann wirst du vorbereitet sein, und nicht mit leeren Händen erscheinen.

Er zog die Jacke aus, knöpfte die Hemdsärmel auf und krempelte sie hoch, sodass man das Sonnenblumen-Tattoo sehen konnte. Er vermied es, sich das Tattoo anzusehen. Er vermied jeden unnötigen Blick dorthin. Das Tattoo brannte wie Feuer. Er wusste, dass es Einbildung war. Eine Art von Schmerz, gegen die es nicht einmal Medikamente gab. Dann ging er zum Waschbecken, drehte den Hahn auf und hielt den Arm darunter, sodass das Tattoo überspült wurde. Wasser half. Auch das war Einbildung. Aber so tötet eben eine Wahnvorstellung die andere!, ging es ihm durch den Kopf. Er atmete tief durch und verharrte minutenlang so.

Das Wasser lief seine Arme entlang und er dachte an die Schmerzen, die er gehabt hatte, als die Sonnenblume gestochen worden war.

Es war, als ob er jeden einzelnen Stich noch einmal durchleben würde. Nein, schlimmer, dachte er. Viel schlimmer...

Es ist dein Zeichen!, ging es ihm durch den Kopf. Ein Zeichen, vor dem du nicht in Angst erstarren solltest, sondern dass du stolz vor dir herzeigen solltest.

Eine Stimme drang in sein Bewusstsein – und wenig später auch die Erkenntnis, dass diese Stimme wohl schon etwas länger auf ihn einredete. Jemand klopfte zusätzlich an der Tür.

„Heh, lassen Sie doch nicht das Wasser die ganze Zeit über laufen!“, beschwerte sich eine brüchige Männerstimme.

Der Mann, der sich Benny Schmitt nannte, straffte seinen Körper.

Von einer Sekunde zur anderen war er wieder im Hier und Jetzt. Er drehte das Wasser ab. Der Mann auf der anderen Seite der Tür klopfte so heftig, dass er davon wahrscheinlich gar nichts mitbekam.

„Ist ja gut!“, rief Schmitt.

Aufsehen konnte er jetzt wirklich am wenigsten gebrauchen. Er ging zur Tür, öffnete. Ein weißhaariger Mann, kaum ein Meter sechzig groß, stand vor ihm. Er stützte sich auf einen Krückstock. Die Gläser seiner Brille, die ihm ziemlich weit nach vorn auf die Nase gerutscht war, waren flaschendick.

„Das ist nicht zum Aushalten, wenn Sie die ganze Zeit das Wasser laufen lassen!“, meinte er. „Ich wohne nebenan. Die Leitung führt an meiner Wand entlang.“

„Ich habe es ja abgestellt“, versuchte Schmitt ihn zu beruhigen.

„Bleiben Sie länger hier, Herr...“

„Ich glaube nicht“, sagte Schmitt.

„Ein halbes Jahr hat hier niemand gewohnt, da war himmlische Ruhe. Wissen Sie, ich lege mich um diese Zeit immer etwas hin, und wenn dann das Wasser durch die Leitung rasselt.“

„Ich werde versuchen, auf Sie Rücksicht zu nehmen“, versprach der Mann mit dem Sonnenblumen-Tattoo.

Der Blick des alten Mannes war jetzt auf genau dieses Tattoo gefallen. „Sind Sie zur See gefahren – oder waren Sie im Knast?“, fragte er.

„Das war zu Ihrer Zeit so. Heute tragen alle möglichen Leute Tattoos – und manche davon wählen sogar die CDU oder gehen zur Kirche!“ Schmitts Handy klingelte. Er hatte es in der linken Hosentasche und holte es hervor. Ein Blick auf das Display sagte ihm, dass es wichtig war. „Sie entschuldigen mich jetzt bitte“, wandte er sich noch einmal kurz an den Alten und ließ ihn dann ziemlich verdutzt stehen. Schmitt schloss die Tür und nahm das Gespräch entgegen.

„Jacqueline?“

„Heute Abend ist es so weit. Scirea wird pünktlich am vereinbarten Ort sein.“

„Dann hat er sich darauf eingelassen,“ murmelte Schmitt und ein eisiges Lächeln umspielte seine Lippen.

„Dem steht das Wasser bis zum Hals, denke ich“, meinte Jacqueline. „Der weiß genau, was geschieht, wenn er nicht erscheint.“

„Es hat eben seine Vorteile, wenn man gut informiert ist“, sagte Schmitt. „Bis heute Abend.“

„Tun Sie mir einen Gefallen.“

„Das haben Sie sich verdient, Jacqueline!“

„Schießen Sie nicht daneben.“

„Soll das ein Witz sein?“

Er beendete das Gespräch. Dann schloss er sorgfältig die Tür hinter sich ab und ging zu seiner Golftasche. Viel Zeit blieb ihm nicht, um alles zu überprüfen – aber auf jeden Fall hatte er noch genügend Patronen, um aus deren Hülsen am Ende ein Kreuz legen zu können.

Spezial Krimi Koffer Juli 2021 - 9 Thriller auf 1500 Seiten

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