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Ludwig Valkensee hatte inzwischen mithilfe eines Lasergeräts gepeilt, von wo der Schuss gekommen war. Es war tatsächlich das Gebäude, dessen Dach ich von Anfang an in Verdacht gehabt hatte.

Tommy und Leonhard machten sich dorthin auf den Weg. Unser Spurensicherer Pascal Horster begleitete sie. Schließlich rechnete niemand mehr ernsthaft damit, dass der Täter sich dort noch aufhielt. Spuren sichern, das würde das einzige sein, was uns noch blieb. Und dazu vielleicht wieder ein paar Patronenhülsen, die in Kreuzform angeordnet waren.

Rudi und ich gingen unterdessen hinauf zu Tyra Berentzen. Sie musste jetzt Farbe bekennen. Ich hoffte, dass uns Jacquelines Zwillingsschwester jetzt endlich reinen Wein einschenken würde.

Ich war überzeugt davon, dass sie keineswegs so ahnungslos war, wie sie zunächst getan hatte.

Sie war in ihrer Wohnung. Als sie uns öffnete, sah sie uns mit einem Gesicht an, das sofort verriet, dass sie geweint hatte. Das Make-up war zerlaufen. Die Augen waren rot und wirkten gereizt. Sie atmete tief durch und brauchte erstmal ein Papiertaschentuch, das Rudi ihr freundlicherweise gab.

„Frau Berentzen, ich weiß, dass Sie der Tod Ihrer Schwester sehr mitgenommen hat“, begann ich, aber ich wusste sofort, dass dieser Anfang nicht besonders gut ankam. Aber wahrscheinlich wäre in diesem Moment auch nichts anderes gut angekommen, was ich gesagt hätte. In so fern spielte es keine Rolle, was ich sagte. Vielleicht war sogar die Art und Weise, wie ich es sagte, von größerer Bedeutung.

„Nein, ich glaube nicht, dass Sie sich das wirklich vorstellen können“, erwiderte sie scharf.

„Frau Berentzen, es wird Zeit, dass Sie uns die volle Wahrheit sagen und alles auspacken, was Sie wissen!“

„Ach – was sollen das denn für großartige Geheimnisse sein, die ich die ganze Zeit über vor Ihnen verborgen habe? Meine Schwester war einfach nur eine junge Frau, die versucht hat, sich so gut wie möglich durchs Leben zu schlagen und sich dabei ihre Träume zu verwirklichen. Und irgendein Verrückter hat sie jetzt abgeschossen wie ein Tier und Sie stehen hier herum und unternehmen nichts. Stattdessen trampeln Sie auf meinen Gefühlen und Nerven herum wie ein durchgedrehter Elefantenbulle. Fangen Sie lieber diesen Verrückten!“

„Fangen wir doch mal so an: Was hatte ein Mafioso wie Raimund Scirea mit Ihrer Schwester vor?“

„Was weiß ich! Bin ich vielleicht die Anstandsdame meiner Schwester? Die Zeiten sind doch wohl wirklich vorbei, Kommissar Kubinke. Wahrscheinlich sehen Sie zu viele alte Filme.“

„Wir werden die Konten Ihrer Schwester überprüfen, ihr Handy unter die Lupen nehmen – alles! Aber ich kann mir schon denken, was dabei herauskommen wird.“

„Ach, ja?“

„Jacqueline war die Freundin von Jimmy Talabani - oder sie hat zumindest so getan. Denn irgendwie glaube ich ihr die trauernde Gangsterbraut nicht so richtig. Und die Tatsache, dass sie alle Spuren zu vernichten versuchte, bevor sie aus Jimmys Wohnung ausgezogen ist, spricht auch nicht dafür.“

Tyra atmete tief durch. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und ging zum Fenster, um hinauszusehen. „Davon wusste ich nichts“, sagte sie. „Also, ich weiß nicht, was sie mit Raimund Scirea vorhatte. Dass er ihr Geld gezahlt hat, mag ja sein. Ehrlich gesagt wollte ich auch nie wissen, wofür eigentlich.“

„Ich hatte den Verdacht, dass sie Jimmy Talabani dem Todesschützen vor die Flinte locken sollte“, sagte ich. „Und ich gebe auch zu, dass ich gedacht habe, dass er das vielleicht im Auftrag von Raimund Scirea gemacht hat. Das wäre zumindest eine Möglichkeit gewesen, auch wenn die beiden verwandt waren. Raimund Scirea gilt schließlich als jemand, der kompromisslos durchzieht, was er für richtig hält – ohne Rücksicht auf Verluste. Aber jetzt hat dieser Unbekannte auch Scirea getötet.“

„Ich verstehe nicht ein Wort von dem, was Sie sagen“, behauptete Tyra Berentzen.

„Was Scirea angeht, scheint der tatsächlich nichts damit zu tun zu haben. Aber was Ihre Schwester angeht, könnte sie in beiden Fällen dieselbe Rolle gespielt haben – die des Lockvogels nämlich.“

Tyra drehte sich um.

„Das meinen Sie nicht ernst.“

„Es würde einiges erklären.“

„Und warum ist Jacqueline jetzt tot?“

„Vielleicht, weil der Killer sie nicht mehr brauchte.“

Tyra wirkte nachdenklich. Einen Moment lang hatte ich den Eindruck, dass sie etwas sagen wollte, es sich dann aber doch anders überlegte. Warum auch immer...

Ich trat auf sie zu und zeigte ihr den Führerschein auf den Namen Benny Schmitt. „Dieser Mann – kennen Sie ihn?“

„Wieso sollte ich ihn kennen?“

„Wieso antworten Sie mir mit einer Gegenfrage, anstatt einfach ja oder nein zu sagen?“

„Sie verdrehen mir das Wort im Mund!“

„Er ist hier gesehen worden! Raimund Scirea hatte ein paar Jugendliche aus der Gegend damit beauftragt, Ihre Schwester im Auge zu behalten und ihn darüber zu informieren, mit wem sie sich traf.“

Tyra riskierte jetzt einen etwas längeren Blick auf das Bild auf der Fahrerlaubnis.

„Ja, es stimmt“, sagte sie dann. „Dieser Mann war hier. Und meine Schwester hat auch mehrfach mit ihm telefoniert. Sie nannte ihn Herr Schmitt. Sie hat ihn in einem Club kennengelernt, in dem sie als Gogo-Tänzerin gearbeitet hat.“

„Das war nicht zufälligerweise das STARFIRE, der Club von Darko Garvcia?“, fragte ich.

Sie zuckte mit den Schultern. „Weiß ich so genau nicht mehr. Ich weiß nur, dass er einmal hier war und wenn er sich tatsächlich Schmitt nennt, dann hat er wohl auch einige Male mit ihr telefoniert. Aber das werden Sie ja wohl noch herauskriegen, wenn Sie ihr Handy unter die Lupe nehmen.“

„Und sonst noch?“

„Sie wollte nicht, dass ich davon etwas mitkriege, hat sich aber nicht sonderlich geschickt dabei angestellt.“

„Und was haben Sie mitgekriegt?“

„Es ging um Termine. Um Treffpunkte.“

„Hat Jacqueline Namen erwähnt?“

„Nicht, dass ich es mitgekriegt hätte.“

„Und Sie haben Ihre Schwester nie gefragt?“

„Doch. Sie hat mir gesagt, dieser Schmitt sei eine Art Gönner. Jemand, von dem sie Geld bekommt. Und dann hat sie nur gegrinst. Wir sind daraufhin etwas in Streit geraten, denn ich habe gedacht, dass sie für Sex bezahlt wird und ihr das auch so gesagt.“

„Wann war das?“

„Das war heute! Und als sie sich dann aufgebrezelt hat, um mit Raimund Scirea wegzugehen, war für mich der Fall klar. Meine Schwester ist eine Luxus-Nutte. 'Du kannst ja es ja unserer Verwandtschaft erzählen, wenn du willst!', hat sie mir daraufhin gesagt. Wir haben danach nicht mehr miteinander geredet. Was sie sagte, schien meine Vermutung zu bestätigen.“

„Und jetzt?“, fragte ich.

„Nach dem, was Sie mir gerade gesagt haben, klingt das etwas anders.“ Sie schüttelte dann ihren Kopf. „Sie müssen mich verstehen. Ich war mit meiner Schwester im Streit, als ich sie zuletzt gesehen habe, sie wird erschossen und nun erfahre ich, dass sie vielleicht nicht nur ein Call Girl, sondern der Lockvogel für einen Killer war. Das ist alles etwas viel für mich.“

„Das verstehe ich. Noch etwas. Sind Sie ihm begegnet, als er Ihre Schwester besucht hat?“

„Ja, ich habe ihm die Tür aufgemacht. Aber Jacqueline ist mit ihm auf den Flur gegangen. Sie waren sehr leise und ich konnte deshalb von ihrem Gespräch nichts mitbekommen. Er hat mich zuerst verwechselt.“ Tyra atmete tief durch. „Wenn ich einfach abgewartet hätte, anstatt meiner Schwester Bescheid zu sagen, dann wüsste ich nun, worum es ging.“

„Seien Sie froh, dass es nicht so war.“

„Wieso?“

„Sie haben doch gesehen, was dieser Täter mit seinen Mitwissern macht.“

Sie schluckte. „Ja.“

„Ich hoffe, dass dieser Schmitt nicht auf die Idee kommt, dass Sie etwas über ihn wissen, weil Ihre Schwester Ihnen vielleicht mehr erzählt hat. Ich werde dafür sorgen, dass Sie Polizeischutz bekommen.“

„Meinen Sie, das ist wirklich nötig?“

„Ich würde es sonst nicht vorschlagen.“ Dann griff ich zum Handy, um Sami Oldenburger anzurufen.

„Hi, Harry, was gibt’s? Wo steckst du?“

„Oben, in der Wohnung, in der Jacqueline Berentzen zuletzt gelebt hat. Wir durchsuchen noch ihre Sachen.“

„Tütet alles sorgfältig ein, wovon ihr glaubt, dass es uns weiterbringt. Wir haben hier noch eine ganze Weile zu tun.“

„Die Tür möchte ich ungern aushängen und mitnehmen, Sami“, sagte ich.

„Wie bitte?“

„Es ist nur ein Schuss ins Blaue – aber es wäre möglich, dass der Mann, den wir suchen, zuerst an der Tür von Tyra Berentzen gelauscht hat, bevor er klingelte. Unser Killer ist ein sehr vorsichtiger Mann.“

„Du denkst an den Ohrabdruck, den wir bei Sonny Avakovitsch gefunden haben?“

„Richtig“, bestätigte ich. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir hier auch einen finden. Wenn wir Glück haben.“

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