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2. Teil Die Funktion und Struktur von Rechtsgeschäften › B. Definition des Rechtsgeschäfts

B. Definition des Rechtsgeschäfts

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Im Gesetz wird der Begriff „Rechtsgeschäft“ nicht näher definiert, sondern einfach zitiert.[1] Die Bestandteile eines Rechtsgeschäfts ergeben sich erst aus einer Zusammenschau verschiedener Normen. In jedem Fall benötigt man mindestens eine Willenserklärung. Je nach Rechtsgeschäft können dann noch weitere Elemente notwendig sein, um den gewünschten Erfolg herbeizuführen.


Das Rechtsgeschäft ist ein Tatbestand aus einer oder mehrerer Willenserklärungen, die allein oder in Verbindung mit anderen Tatbestandsmerkmalen eine Rechtsfolge herbeiführen, weil sie gewollt ist.[2]

2. Teil Die Funktion und Struktur von RechtsgeschäftenB. Definition des Rechtsgeschäfts › I. Willenserklärung

I. Willenserklärung

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Aus der Funktion des Rechtsgeschäfts als Mittel der willentlichen Gestaltung von Rechtsverhältnissen ergibt sich ein zwingendes und selbstverständliches Element von Rechtsgeschäften: Rechtsgeschäfte müssen zumindest eine „Willenserklärung“ aufweisen. Wenn eine Person mit Hilfe eines „Rechtsgeschäfts“ ihre rechtlichen Verhältnisse nach ihrem Willen autonom gestalten kann, muss der jeweilige Wille dieser Person im konkreten Fall auch bekannt werden. Der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeiführen zu wollen, muss also irgendwie zum Ausdruck kommen. Verbindliche Wirkungen lassen sich durch den Willen allein nicht erzielen, weil niemand, auch kein Richter, ermitteln kann, was insgeheim im Kopf einer Person vor sich geht. Unsere Rechtsordnung kann nur den nach außen zutage getretenen Willen berücksichtigen.

Beispiel

Wer beim Bäcker Brötchen kaufen will, muss dies in irgendeiner Form erklären – sonst wird er sie nicht bekommen.


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Das Rechtsgeschäft „als solches“ gibt es in der Lebenswirklichkeit nicht als abstraktes Gebilde. Das Rechtsgeschäft existiert immer nur in einer konkreten Ausformung: Kauf eines bestimmten Gegenstandes, Rücktritt von einem bestimmten Vertrag, Kündigung eines bestimmten Vertrages mit oder ohne Frist, etc.). Welches Ziel genau verfolgt wird, hängt vom erklärten Willen der Person ab, die das Rechtsgeschäft vornimmt. Die Willenserklärung konkretisiert also das im Einzelfall verfolgte Rechtsgeschäft. Sie legt fest, welche Wirkungen konkret gewollt sind.[3]

Beispiel

Für das Rechtsgeschäft „Kaufvertrag“ brauchen wir Willenserklärungen (Angebot und Annahme), die den Verkäufer, den Käufer, den Kaufgegenstand und Kaufpreis festlegen;

für das Rechtsgeschäft „Anfechtung“ benötigen wir eine entsprechende Anfechtungserklärung, also eine Willenserklärung, die zum Ausdruck bringt, dass ein bestimmte andere Willenserklärung – und damit zugleich ein anderes Rechtsgeschäft (z.B. ein Vertrag) – wegen eines Willensmangels des Erklärenden nicht gelten soll;

für das Rechtsgeschäft „Kündigung“ brauchen wir eine Kündigungserklärung, also eine Willenserklärung, die deutlich macht, dass ein bestimmter Vertrag mit oder ohne Frist für die Zukunft beendet sein soll.

2. Teil Die Funktion und Struktur von RechtsgeschäftenB. Definition des Rechtsgeschäfts › II. Zusätzliche Elemente

II. Zusätzliche Elemente

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Je nach Art des konkret gewollten Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag, Übertragung von Eigentum, Anfechtung, Aufrechnung, Kündigung, etc.) müssen zur Willenserklärung regelmäßig noch weitere Voraussetzungen hinzutreten, um die gewünschten Wirkungen auszulösen.

1. Weitere Willenserklärung(en)

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Zum einen kann das Rechtsgeschäft zumindest eine weitere Willenserklärung erfordern. Wie viele Willenserklärungen notwendig sind, ergibt sich aus der Art des jeweiligen Rechtsgeschäfts.

Beispiele

Anfechtung, Kündigung und Rücktritt bestehen aus nur einer Willenserklärung. Ebenso ist es beim Beschluss des Alleingesellschafters einer GmbH (vgl. § 48 Abs. 3 GmbHG). Anders liegen die Dinge, wenn etwa die Kündigung bei mehreren Vertragspartnern auf einer Seite nur von allen Personen erklärt werden kann. Dann besteht die Kündigung aus mehreren Willenserklärungen.

Beim Vertrag genügt eine einzige Willenserklärung nie, da sein Zustandekommen ja eine Einigung durch zwei Willenserklärungen voraussetzt, Angebot/Antrag und die Annahme (vgl. §§ 145 ff.).

2. Sonstige Erfordernisse

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Weitere Voraussetzungen ergeben sich aus gesetzlichen Regeln über das konkrete Rechtsgeschäft, die an seinen Inhalt oder an Eigenschaften der an ihm beteiligten Personen anknüpfen sowie aus den Bestimmungen der Parteien selbst.

Beispiele

Zustimmung eines Dritten im Fall der §§ 108, 177; Realakte wie die Übergabe bei § 929; die Eintragung im Grundbuch bei § 873; die Einhaltung einer gesetzlich oder vertraglich vorgeschriebenen Form; Befugnisse wie die Kündigungs- oder Anfechtungsbefugnis.

2. Teil Die Funktion und Struktur von RechtsgeschäftenB. Definition des Rechtsgeschäfts › III. Abgrenzungen

III. Abgrenzungen

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Unsere Rechtsordnung knüpft eine Veränderung der rechtlichen Verhältnisse nicht nur an (wirksame) Rechtsgeschäfte. Vielmehr werden rechtliche Wirkungen auch per Gesetz angeordnet. Der Gesetzgeber lässt bestimmte Wirkungen eintreten, wenn die von ihm in den jeweiligen Normen beschriebene Umstände eingetreten sind. Der Unterschied zum Rechtsgeschäft besteht darin, dass die Wirkungen auch dann eintreten können, wenn sie von der betroffenen Person gar nicht gewollt sind. Deswegen ist es in der oben unter Rn. 65 angezeigten Definition des Rechtsgeschäfts so wichtig aufzunehmen, dass die Rechtsfolgen dort gelten, weil sie gewollt sind.

1. Geschäftsähnliche Handlung

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Dem Rechtsgeschäft am nächsten kommt die sog. „geschäftsähnliche Handlung“. Auch bei ihr liegt eine menschliche Äußerung vor, die Rechtsfolgen auslöst. Inhalt der Erklärung ist aber nicht die Anordnung einer bestimmten Rechtsfolge, sondern ein rein tatsächlicher Erfolg. Die aufgrund der Erklärung ausgelösten Rechtsfolgen treten kraft Gesetzes unabhängig vom Willen des Erklärenden ein.[4] Die Rechtsfolgen gelten nicht, weil es der Erklärende will, sondern weil es der Gesetzgeber wegen der Äußerung so angeordnet hat.

Beispiel

Bei der Aufforderung nach § 177 Abs. 2 geht es dem Erklärenden darum, dass der Vertretene das Handeln des Vertreters ohne Vertretungsmacht genehmigt. Die Erklärung der Genehmigung ist der gewünschte tatsächliche Erfolg. Das Gesetz knüpft an diese Aufforderung Rechtsfolgen, die in § 177 Abs. 2 beschrieben sind und an die der Erklärende womöglich gar nicht gedacht hatte: Eine vor der Aufforderung gegenüber dem Vertreter erklärte Genehmigung oder Verweigerung der Genehmigung wird jetzt unwirksam (§ 177 Abs. 2 S. 1 Hs. 2). Außerdem beginnt nun nach § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 eine Zwei-Wochen-Frist zu laufen, auch wenn diese in der Aufforderung nicht ausdrücklich gesetzt wurde. Und schließlich gilt die Genehmigung nach § 177 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 als verweigert, wenn die Frist ohne Reaktion des Vertretenen verstreicht. Dies wiederum führt zu einer Haftung des Vertreters nach § 179.


Eine geschäftsähnliche Handlung ist eine auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Äußerung eines Menschen, die kraft Gesetzes mit Rechtsfolgen verbunden ist.[5]

Beispiel

Zu den geschäftsähnlichen Handlungen zählen z.B. Aufforderungen nach §§ 108 Abs. 2, 177 Abs. 2, die Verweigerung i.S.d. § 179 Abs. 1[6], die Mahnung i.S.d. § 286, Fristsetzungen gem. §§ 281, 323, Schadensersatzverlangen nach § 281 Abs. 4, Anzeige nach § 409 Abs. 1.

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Auf die geschäftsähnlichen Handlungen finden die Vorschriften über Willenserklärungen und Rechtsgeschäfte trotz dieser Unterschiede grundsätzlich entsprechende Anwendung, da in beiden Fällen eine menschliche Erklärung den Ausgangspunkt bildet.[7] Dies gilt insbesondere für die §§ 104 ff. (Geschäftsfähigkeit), §§ 116 ff. (Willensmängel), §§ 130 ff. (Abgabe und Zugang), §§ 133, 157 (Auslegung), §§ 164 ff. (Stellvertretung) und §§ 182 ff. (Zustimmung).

2. Realakte

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Neben der Willenserklärung und der geschäftsähnlichen Handlung kennen wir noch die sog. „Realakte“. Wie bei den geschäftsähnlichen Handlungen handelt es sich um tatsächliche menschliche Handlungen, an die das Gesetz Rechtsfolgen knüpft. Die rechtlichen Wirkungen treten auch hier allein kraft Gesetzes ein, also unabhängig davon, ob der Handelnde dies will. Von den geschäftsähnlichen Handlungen unterscheiden sich die Realakte dadurch, dass es sich nicht um Erklärungen handelt.[8]


Unter einem Realakt verstehen wir jedes auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtete Verhalten eines Menschen, das weder Willenserklärung noch geschäftsähnliche Handlung darstellt.[9]

Beispiele

Besitzerwerb gem. § 854 Abs. 1, Übergabe i.S.d. § 929 S. 1, Verbindung, Vermischung, Verarbeitung i.S.d. §§ 946 ff., Fund (§ 965), Verletzung eines Rechtsguts i.S.d. § 823 Abs. 1 durch tatsächliches Handeln.

Auf Realakte sind die Vorschriften über Willenserklärungen nicht anwendbar.[10] So gelten beispielsweise beim Besitzerwerb gem. § 854 Abs. 1 die Regeln zur Geschäftsfähigkeit nach §§ 104 ff. oder zur Stellvertretung nach §§ 164 ff. BGB nicht.

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