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IV. Kausale und abstrakte Rechtsgeschäfte
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Wir haben eben unter Rn. 83 gesehen, dass Zuwendungen aufgrund unwirksamer Verpflichtungsgeschäfte mit Hilfe des Bereicherungsrechtes rückabgewickelt werden. Verpflichtungsgeschäfte begründen eine Leistungspflicht und schaffen damit regelmäßig einen Rechtsgrund[26] für das Behalten der zugewendeten Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1. Es gibt allerdings Ausnahmen. Sie werden in § 812 Abs. 2 angesprochen: Danach gilt auch die „durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses als Leistung.“ Die Anerkennung eines Schuldverhältnisses i.S.d. § 781 begründet eine Leistungspflicht und ist damit sicher ein Verpflichtungsgeschäft.[27] Gleichwohl ist der Vertrag mit dem Schuldanerkenntnis seinerseits „Leistung“ und nicht zugleich Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1. Was unterscheidet nun das Schuldanerkenntnis von anderen Verpflichtungsgeschäften, die neben der Leistungspflicht zugleich einen Rechtsgrund schaffen? Die Antwort besteht darin, dass der Anerkenntnisvertrag gem. § 781 nicht beantwortet, zu welchem Zweck er vorgenommen wurde. Verpflichtungsgeschäfte, die zugleich die Frage beantworten, warum die Leistung zugewendet wird, stellen einen Rechtsgrund i.S.d. § 812 Abs. 1 (sog. „causa“) dar. Sie werden daher auch „kausale Geschäfte“ oder kurz „Kausalgeschäfte“ genannt.[28]
Hinweis
Damit ist nicht gemeint, dass Kausalgeschäfte sämtliche Motive der Parteien offenlegen. Das geschieht nie. Entscheidend ist vielmehr, ob aus der Vereinbarung die wirtschaftliche Zweckrichtung der Leistung hervorgeht, insbesondere ob eine Leistung dauerhaft oder nur vorübergehend und ob sie entgeltlich oder unentgeltlich zugewendet wird.
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Rechtsgeschäfte, die ihrerseits keinen Rechtsgrund darstellen, nennt man „abstrakte Rechtsgeschäfte“.[29] Sie sind von einem bestimmten Rechtsgrund losgelöst („abstrahiert“) und unabhängig (Trennungs- und Abstraktionsprinzip!).
Verfügungsgeschäfte sind daher zugleich abstrakte Rechtsgeschäfte.[30] Der Grund und Zweck der Verfügung liegt außerhalb des Rechtsgeschäfts begründet und kann sich aus einem Kausalgeschäft oder aus dem Gesetz ergeben.
Beispiel
Die Übereignung eines Kartons mit zehn Eiern gem. § 929 S. 1 besagt nichts darüber, zu welchem Zweck sie vorgenommen wird. Die Übereignung kann der Erfüllung einer vertraglichen Pflicht dienen, zum Beispiel aus einem zugrunde liegenden Kaufvertrag, einem Tausch, einer Schenkung, einem Werklieferungsvertrag oder einem Sachdarlehen. Sie kann aber auch zur Erfüllung eines gesetzlichen Schuldverhältnisses vorgenommen werden, zum Beispiel aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1, wenn eine rechtsgrundlose Übereignung rückabzuwickeln ist oder aus §§ 823 Abs. 1, 249 Abs. 1, wenn für zerstörte zehn Eier dem Eigentümer der zerstörten Eier Naturalrestitution durch Übereignung gleichartiger Eier zu leisten ist.
Verpflichtungsgeschäfte sind hingegen bis auf ganz wenige Ausnahmen immer Kausalgeschäfte.
Als Ausnahmen bleiben diejenigen Verpflichtungsgeschäfte, die der Erfüllung verschiedener Kausalgeschäfte dienen können und daher von diesen ihrerseits losgelöst sind. Sie sind ebenfalls „abstrakte Rechtsgeschäfte“. Die mit diesen Geschäften geschaffenen Ansprüche können für unterschiedliche Zwecke eingeräumt werden, wobei sich der Zweck erst aus dem kausalen Rechtsverhältnis ergibt. Sie erkennen diese abstrakten Verpflichtungsgeschäfte daran, dass sie die Frage nach der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit und auch nach dem Zweck der Leistung nicht beantworten.
Beispiel
Schuldversprechen und Schuldanerkenntnis (§§ 780, 781), Anweisung (§§ 783 ff.), Inhaberschuldverschreibung (§ 793), Verpflichtungen aus Wechsel oder Scheck.[31]
Schuldversprechen oder Schuldanerkenntnis können beispielsweise der Abrechnung wechselseitiger Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis, Darlehen oder Giro(konto)vertrages zur einvernehmlichen Ermittlung eines Schlußsaldos dienen, um damit einer vertraglichen oder gesetzlichen Abrechnungspflicht zu genügen (vgl. § 782).[32]
Sie können auch als Sicherungsinstrumente dienen, indem jemand etwa eine Zahlungsverpflichtung gem. § 780 verspricht, um damit der Bank eine (nichtakzessorische[33]) Personalsicherheit für das Darlehen eines anderen zuzuwenden.[34] Der Zweckzusammenhang zwischen der abstrakten Zahlungsverpflichtung aus dem Schuldversprechen und dem Darlehensvertrag ergibt sich erst aus der kausalen Sicherungsabrede. Dies ist bei der Bürgschaft anders: Hier ergibt sich der Sicherungszweck aus dem Bürgschaftsvertrag selbst, der den Sicherungswillen des Bürgen und wegen der Akzessorietät der Bürgschaft zugleich auch die zu sichernde Hauptforderung festlegen muss. Die Bürgschaft ist daher ein kausales Verpflichtungsgeschäft.[35]
Die Eingehung einer Scheckverbindlichkeit kann zum Beispiel der Erfüllung einer Zahlungsverpflichtung aus Kauf, Schenkung, Dienst- oder Werkvertrag dienen = regelmäßig eine Leistung erfüllungshalber, § 364 Abs. 2.