Читать книгу Klinische Hypnose und Hypnotherapie - Agnes Kaiser Rekkas - Страница 26
1.4 Therapieplanung, Verlauf und Rückfallprophylaxe
ОглавлениеKommt ein Patient ausdrücklich wegen Hypnose in die Therapie, schwingt in seiner Motivation die Erwartung mit, er möge schnell Fortschritte machen und geheilt werden. Da mit Hypnose verstärkt unbewußte Prozesse aktiviert werden, können in vergleichsweise wenigen Sitzungen oft gute Fortschritte erzielt werden. Das beruht auf mehreren Faktoren:
– schneller Aufbau von Vertrauen durch therapeutische Veränderungen schon in der ersten Sitzung
– Dichte und Prägnanz der hypnotherapeutischen Diagnostik mit Hilfe ideomotorischer Signale
– vereinfachtes und direktes Auffinden von Widerstand
– Involvierung des Patienten durch Spannung, Spiel, Freude
– stimulierende Zusammenarbeit zwischen Patient und Therapeut, beruhend auf dem Glauben an die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen
– Beteiligung des Patienten an der Arbeit durch Ausüben von Selbsthypnose und damit Gewinn an Autonomie
– spielerische Breite des Verfahrens zwischen Traumaarbeit in der Zeitregression und lösungsorientiertem Vorgehen in der Zeitprogression
– Möglichkeit, parallel auf Ursachen- und Symptomebene zu arbeiten
– Depoteffekt der Hypnosearbeit, besonders dank der posthypnotischen Suggestionen
– assoziative Trancearbeit mit der Halluzination von Zuständen, in denen das Therapieziel schon erreicht worden ist (siehe Übung: „Stell dir vor, heute nacht geschieht ein Wunder, und das Problem ist morgen früh gelöst. Was ist anders?“, nach der Technik „Kristallkugel“ von de Shazer 1985). Es ist zu vermuten, daß diese Arbeit permanente Aufträge an die unbewußte Ebene gibt, sich mit dem Weg zur Problemlösung zu beschäftigen.
– möglicher Einbezug von Partner oder Familie in hypnotherapeutische Übungen (Arbeit mit dem System, systemische Einbettung)
und: Veränderungen und Entwicklungen dürfen und sollen Zeit brauchen.
Natürlich kann es zu Spontanheilungen kommen, und wir sollten dem Patienten diese Option nicht versperren. Normalerweise aber braucht jede Therapie ihre Zeit. Unser Patient lebt nicht in luftleerem Raum, sondern ist in menschliche Systeme eingebunden, deren Rückkoppelungsprozessen er – auch wenn er diese mitgestaltet – unterworfen ist. Er hat während seiner Therapie eine Menge anderer Menschen in seinem Schlepptau, die sich (oft notgedrungen) mit ihm verändern werden. Das erklärt die gewisse Trägheit des Prozesses, aber auch die oft frappierenden Auswirkungen der Therapie auf Partnerschaft oder Familie. Wenn ein Mitglied sich weiterentwickelt, bleibt das nicht ohne Spuren im gesamten Systemmechanismus. Und manchmal wirkt es gerade so, als ob der Partner sich verändere, und nicht derjenige, der brav die Therapie aufsucht. Das sind alles ganz normale Erscheinungen, die die Vielfalt der Reaktionen menschlicher Systeme widerspiegelt. Ganz abgesehen davon, sollte der Patient seine Fortschritte wirklich Schritt für Schritt genießen dürfen. Gönnen wir ihm den Stolz auf seine Veränderungen, seien sie objektiv auch noch so klein.
Die Zeitdauer mag tatsächlich kürzer, die Therapiestundenzahl weniger sein, was aber als wesentlicher Vorzug der Intervention mit Hypnose erscheint, ist, daß der Patient sich schneller wohl fühlt.
Arbeit sollte möglichst nicht aufgeschoben und Probleme nicht verschleppt werden, sonst wird der Erfahrung nach alles schlimmer. Wenn mich also jemand bezüglich eines Wunsches nach Therapie anruft, verabrede ich – wenn mir die Anfrage plausibel, das Problem bearbeitbar erscheint, und ich überhaupt noch Kapazitäten habe – möglichst bald, meistens innerhalb der nächsten zehn Tage einen Termin. Wenn dann die erste Sitzung eine gewisse menschliche Stimmigkeit zwischen uns ergibt, die Methoden abgeklärt sind und das Therapieziel formuliert ist, muß die Therapie wie ein Medikament richtig dosiert werden. Nach meinen Erfahrungen ist hoch dosiert am Anfang das Bewährteste. So werden die Sitzungen nach dem Abschließen des Therapiekontraktes mit einer Stunde wöchentlich über vier bis sechs Wochen geplant, während denen sich die Arbeitsbasis zwischen Therapeut und Patient bildet. Dieser erlernt Selbsthypnose und diverse Techniken, wie z. B. das ideomotorische Signalisieren. Erste Erfolge werden verbucht, eventuell ein Rückfall abgefangen. Die erste Partnersitzung findet statt. Der Patient darf mich jederzeit bei „Fragen, die nicht warten können“, anrufen, was überaus selten in Anspruch genommen wird. Der Patient formuliert eher: „Beinahe hätte ich Sie angerufen, aber dann habe ich es auf einmal alleine geschafft.“ Wir vereinbaren in gemeinsamer Absprache immer drei bis vier Termine im voraus. Ein Termin darf aber (rechtzeitig) abgesagt werden, wenn äußere Ereignisse sich überstürzen, er sich erstmals „prima“ fühlt und die Woche ohne Therapie bestreiten will oder wenn ihm alles „zu eng“ wird. (Dabei muß wiederum im Auge behalten werden, daß „Verschleppung“ z. B. der Konfliktsituation oder der Angstzustände, schlecht ist.) Genauso darf angefragt werden, ob schon früher als geplant ein Termin vereinbart werden kann.
Auch in der Hypnotherapie ist das Vorgehen prozeßorientiert. Das (sich evtl. modifizierende) Therapieziel immer im Auge behaltend, arbeitet man am aktuellen Geschehen, weil auf dieser Bühne die momentane Inszenierung spielt. Auf welchem inhaltlichen Gebiet ein Problem (der Abgrenzung, der Hierarchie, der Macht und Ohnmacht, des Ungleichgewichtes von Geben und Nehmen u.v.a.m.) gelöst wird, spielt keine Rolle. Es wird gelöst und ist übertragbar. Den gesamten Lebensrahmen immer überschauend, weiß der Therapeut Fortschritte zu verallgemeinern und zu unterstützen.
Arbeiten Sie permissiv! Drängen Sie nie! Der Patient kommt, weil er in Druck ist. Die Therapie selber darf nie zum Druck werden. So lassen sich die besten Erfolge verbuchen, da unbewußte Tätigkeit Freiraum braucht. Setzen Sie nicht auf Zwang und Kontrolle, sondern Vertrauen. Dann wird der Patient gerne kommen. Sie sind Modell für das, was Sie lehren. So adaptiert er automatisch, Vertrauen in sich selbst zu etablieren. Nach der Hypnose soll er die Wirkung verspüren und genießen, nicht analysieren oder interpretieren. Wenn er aber dazu neigen sollte, ist er nach der Beendigung einfach abzulenken (z. B.: „Was werden Sie mit dem Rest des Tages jetzt noch anfangen?“). Beispiele vom Gärtner, der sät und auch nicht täglich die Erde wieder aufwühlt, um zu prüfen, ob sich da wohl schon ein Keimling erspähen läßt oder von der neugierigen, dummen Schneidersfrau, die doch glatt die Heinzelmännchen derart verschreckte, daß sie für immer verschwanden, helfen, unbewußte Arbeit zu verstehen. Es gilt, den Zauber zu wahren. Der Patient muß seine Therapie schützen lernen. Er darf nicht darüber schwatzen.
Sobald der Patient Therapieerfolge aufweist, sind die Intervalle der Sitzungen nach der Devise ‚So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich‘ in Abstände von zwei bis drei Wochen zu strecken, und es ist Zeit, an Rückfälle zu denken und Prophylaxe zu betreiben. Es bedarf der Information, daß Psychotherapien eine Eigendynamik aufweisen, die einer Art höher strebender Wellenbewegung entspricht: Fortschritte und Rückfälle, wobei die Vorwärtsbewegung dominieren sollte. Rückfälle sind also natürlich und gehören zur Therapie dazu. Hierbei sollen nicht Rückfälle suggeriert werden, sondern es geht um Voraussehen und Vorbeugen. Im Wortlaut: „Ich höre von Ihnen, daß es Ihnen besser geht, und das kann man Ihnen auch ansehen. Das ist schön, und ich könnte mir vorstellen, daß Sie auf sich selber stolz sind. Nicht, daß ich Sie ärgern oder vergraulen möchte, aber es ist jetzt das erste Plateau der Therapie erreicht, und wir müssen uns mit dem Thema Rückfall beschäftigen. (‚Nach dem Motto der Polizei: Vorbeugen heißt verhindern.) Ich frage Sie jetzt: „‚Nehmen wir an, es kommt ein Rückfall, was werden Sie tun?‘“
Der Patient sollte zuerst seine Ideen beschreiben. Diese werden daraufhin mit folgenden Anweisungen komplettiert:
1. Deklarieren Sie die Situation für sich selber als Rückfall.
2. Erinnern Sie sich an die Information von mir als Fachfrau, daß Rückfälle zur Therapie gehören.
3. Reflektieren Sie gut, ob der Rückfall Ihnen einen Hinweis geben will und letztendlich einen guten Sinn erfüllt.
4. Erinnern Sie sich der Fähigkeiten, die Sie zuletzt in den gleichen Schwierigkeiten erfolgreich eingesetzt haben.
5. Wenden Sie Ihre Art der Selbsthypnose mit Ihrer eigenen Technik (Fingerschluß o. ä.) an.
Alle diese Punkte helfen, einen psychischen Abstand zu der aktuellen Situation herzustellen. Die Betrachtung der Rückfälle als natürlich nimmt die Heftigkeit sowie die Tiefe. Mit diesem Programm in der Tasche fühlt sich der Patient sicherer, und in der Konsequenz wird die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalles verringert.
Während des Therapieprozesses soll der Patient es als erlaubt empfinden, zu experimentieren und Entwicklungen auf anderem Weg zu gehen, als wir ihm vorgeschlagen hätten. Jede Art von Autarkie sollte recht sein. Manche Störung in der Therapeut-Patient-Beziehung kann vermieden werden, wenn wir als Therapeuten immer wieder unsere eigenen Bezugssysteme flexibel öffnen. Dann wird auch für uns das Therapiegeschehen spannender.
Rückt die Therapie der Stabilität des erreichten Therapiezieles nach 10, 20 oder 30 Sitzungen näher, sind Sitzungen in längeren Abständen (alle drei Monate) angebracht. Auf jeden Fall ist in einer Art Langzeitkontrolle nach einiger Zeit nochmals eine Sitzung zu planen, um den Therapieerfolg zu stabilisieren und sicherzugehen, daß der evtl. schnell erreichte Fortschritt auch anhält. Außerdem dient es uns als Selbstkontrolle zur Überprüfung und Korrektur unserer Interventionen.