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Aus irgendeinem Grund hing die Luft schwer und nach Heu duftend über Tiflis.

Pavneli sah, wie eine Mutter das Gesicht ihres Kindes mit rotem Wein wusch. In der einen Hand hielt sie eine Tonschale, goss kleine Mengen in die andere Hand und rieb dann kräftig über das Gesicht des Kindes.

Baduna erinnerte sich, wie seine Mutter sein Gesicht einmal auf die gleiche Weise gewaschen hatte.

Er ging den Hügel hinab zum Fluss, um über die Brücke in den anderen Teil der Stadt zu gelangen. Er konnte die Glocken der Metechi-Kirche läuten hören und als Antwort von der anderen Seite des Flusses das Geläut des Sioni-Doms und der Antschischati-Basilika.

In den vergangenen drei Monaten war Baduna Pavneli ein Bart gewachsen, der ihn allerdings nicht älter aussehen ließ. Er wusste ohnehin nicht, wie er aussah. Er war es nicht gewöhnt, in den Spiegel zu schauen, und hätte es, auch wenn er in der Kaserne einen zur Verfügung gehabt hätte, nicht getan. Eines jedoch bereitete ihm Vergnügen: der Gürtel um seine Hüften mit dem eingesteckten Schwert und dem Dolch. Endlich spürte er wieder ihr vertrautes Gewicht und fiel in seinen gewohnten Gang. Als er die Brücke überquerte, hielt er am Rande des Marktplatzes inne, direkt bei der Moschee. In dieser frühen Stunde war noch niemand unterwegs. Er machte kurz halt, als müsste er sich entscheiden, in welche Richtung er weitergehen wollte, dann folgte er den engen Straßen, die nun nicht mehr nach Heu, sondern nach Backwerk dufteten.

Er ging zur Heiliggeistkirche und sah vor sich die Kuppel, wie sie sich stolz erhob. Nach Badunas Berechnungen musste es Pfingsten sein. Einer seiner Verwandten war Priester in der Heiliggeistkirche; das war Pater Nimos, ein Mann in seinem Alter, aber sehr viel gebildeter und gelehrter in Glaubensfragen.

Die Luft um ihn herum war schon schwer vom Duft frischer Brote und wurde umso mehr davon erfüllt, je höher er stieg. Das war kein Stadtteil für einen hungrigen Mann.

Neben der Heiliggeistkirche buken sie heiliges Brot in riesigen Tonöfen. Es gab vier dieser Tonöfen und mit jedem Atemzug sog man den Duft ein.

Eine große Gemeinde hatte sich zur Messe in der Heiliggeistkirche versammelt. Frauen aus der Nachbarschaft, Witwen, Arme und, weil es ein Feiertag war, auch ein paar Herren, selbst wenn sie die Eucharistie viel später feiern würden. Der Priester erblickte Baduna Pavneli und war sichtlich erstaunt, aber Pavneli machte mit einer ruhigen Bewegung das Kreuzzeichen, ging hinaus, setzte sich an die Mauer der Bäckerei und schaute auf Tiflis hinunter. Er konnte den Ort sehen, an dem der russische Offizier sein Schwert zu spüren bekommen hatte, und bemerkte wieder, wie hungrig er war, aber er wollte hier noch kein Brot kaufen.

Dann schlief Baduna Pavneli ein und schlief, bis der Priester ihm seine Hand auf die Schulter legte und ihn herzhaft schüttelte.

„Komm mit, komm mit“, sagte er und ging schnell zur Kirchentür. Sobald sie in der Kirche waren, drehte sich der Priester brüsk um und sagte: „Erwarte bloß keine leichte Absolution. Du hast etwas genommen, das Gott gegeben hat …“

Und plötzlich umarmte er Baduna und drückte ihn an seine Brust.

So standen sie eine Weile, bis der Priester sich löste und Baduna von oben bis unten musterte. Er hob die Finger und berührte Badunas Bart.

Baduna Pavneli war dünn und sah anders aus als sonst. Er sagte nichts.

„Du hast nicht einmal deine Taufpaten besucht und sie sagen, dass sie dich auch nicht sehen wollen. Sie haben Blut geschwitzt bei dem Versuch dich zu befreien“, sagte der Priester. „Jetzt musst du im Dorf bleiben, bleib einfach hier, denk über alles nach, lerne. Arbeite auf deine Absolution hin. Du musst Tiflis bei Anbruch der Nacht verlassen, oder die Russen werden nicht zögern, dich ins Exil zu schicken.“

„Bei Anbruch der Nacht?“ Pavneli schien überrascht.

„Warum bei Anbruch der Nacht?“

Der Priester schaute ihn verwundert an.

„Haben sie es dir nicht gesagt? Du wurdest in dein Dorf verbannt und darfst es nie mehr verlassen.“

„Ja, das sagten sie mir“, sagte Pavneli, „aber ich kann Tadia sicher mitnehmen? Darf ich Tadia nicht sehen?“

„Ich habe Tadia letzte Woche besucht. Ihm geht es gut.“ Der Priester schaute nachdenklich. „Aber daran habe ich nicht gedacht.“

„Ja, Tadia. Ich nahm an, ich könnte ihn mitnehmen.“ Der Priester schüttelte den Kopf und bekreuzigte sich. Dann setzte sich Baduna wieder an die Mauer der Bäckerei. Er hielt ein heißes Lawasch-Brot in der einen Hand und riss mit der anderen kleine Stücke ab, die er langsam und gedankenverloren aß.

Der Priester brachte einen Tonkrug mit Wein. „Ich kann dir die Kommunion nicht erteilen. Noch nicht.“ Er dachte weiter darüber nach, was Pavneli gesagt hatte.

„Wann, liebe Erde, werde ich hierher zurückkehren?“, fragte Baduna Pavneli und sah zu Boden.

Er legte das Fladenbrot auf einen flachen Stein und stand auf. „Ich brauche ein Pferd … zwei Pferde … meins steht noch im Stall meines Taufpaten. Wie soll ich dahin gelangen?“

„Ich werde gehen“, sagte der Priester, „und ich werde dir dein Pferd bringen. Ich leihe dir auch meins. Es ist ein Maultier, denk dran …“

Sie lachten.

„Ich komme später wieder“, sagte Pavneli und ging den Hügel hinab.

Er war lange eingesperrt gewesen, was ohne Zweifel der Grund dafür war, dass der Brotduft so starke Gefühle in ihm weckte.

Von alten Herzen und Schwertern

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