Читать книгу Von alten Herzen und Schwertern - Aka Mortschiladse - Страница 15
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ОглавлениеDie Straßenlaternen leuchteten schon, aber Tadia lief immer noch irgendwo. Wäre er nicht schon vor zwei Tagen aufgebrochen, hätte Baduna Pavneli ihn in den Schluchten und Klammen Zentralgeorgiens gefunden, aber nach zwei Tagen, und sei es zu Fuß, war er sicher schon viel weiter gekommen.
Baduna wusste nur, wie er ihn suchen könnte. Da Tadia kein Geld hatte, würde er in jedem Dorf halten müssen, um sich Essbares zu beschaffen, oder müsste sich mit Reisenden anfreunden, die ebenfalls in Richtung Westen unterwegs waren.
Es war erstaunlich, wie geschickt Tadia darin war, auf diese Weise zu reisen. Er verfehlte nie die Richtung. Baduna konnte noch immer kaum glauben, dass er das so hinbekam. Ohne Zweifel gab es irgendwo einen Arzt mit einer passenden Theorie dazu, aber was hatten die Männer aus dem Geschlecht der Pavneli jemals mit Ärzten zu tun gehabt? Brauchten sie einen Arzt, um Tadias Leiden zu behandeln? Gab es einen solchen überhaupt? Tadia wusste nicht, was das Wort „Geografie“ bedeutet, auch Baduna wusste es nicht, aber Tadia war dennoch ein exzellenter Geograf und das wusste Baduna sehr genau. Deshalb war er auch so ängstlich. Während des ganzen Vorfalls und der ganzen Zeit, die er eingekerkert in der Kaserne verbringen musste, dachte er einzig an Tadia, und alles kam, wie er befürchtet hatte. Tadia hatte es nicht mehr ausgehalten und entschloss sich zur Flucht. Baduna konnte ihm das nicht vorwerfen. Keinem konnte so etwas zum Vorwurf gemacht werden.
Einst hatte im Dorf Pawnisi ein Edelmann gelebt, dessen Besitz aus einer alten Rüstung, zwei Pferden und Hunden und einigen Morgen Land bestand, die sein Vater ihm als einzigem Sohn hinterließ. Er hatte ein paar Bedienstete, eine Frau und zwei Söhne, was damals als erstrebenswert galt. Einer würde ihm nämlich in den Dienst der Kavallerie folgen, während der andere Priester würde. Auf diese Weise blieb der Besitz ungeteilt und die Nachfolge war gesichert.
Der Name des Edelmanns war Zaal-Beg Pavneli, und seine Frau, die ebenfalls von adliger Abstammung war, hieß Maiko. Ihre Söhne wurden auf die Namen Giorgi und Tadeoz getauft, aber den älteren nannten alle nur Baduna, den jüngeren Tadia.
Zaal-Beg Pavneli verbrachte den Großteil seiner Zeit im Dienste der Eristawi-Fürsten. Die Familie Pavneli war ihnen, solange man sich erinnern konnte, treu ergeben. Er diente ihnen als Oberhofmeister, was nicht nur wegen des Einkommens und der Reputation gut für die Familie war. Das bedeutete aber auch, dass Zaal-Beg sich meist im Hause der Eristawi aufhielt und Frau und Söhne sehr vermisste. Er galoppierte so oft er konnte nach Hause, um Zeit mit seiner Familie zu verbringen. Er war oft nachts zu Hause, aber seine Position erlaubte es ihm nicht, einen Dienst zu verweigern. Deshalb war er hinund hergerissen zwischen dem Haus der Eristawi-Sippe und seinem eigenen Haus, das er in der Obhut seines Verwalters und seiner Frau ließ.
Was nun geschah, war zu jener Zeit nicht unüblich und betraf in der Regel den Bauernstand. Zaal-Beg Pavnelis Frau wurde entführt und niemand konnte herausfinden, wo sie war. Zuerst sagten die Leute, sie wäre vom Stamm der Lesginen entführt worden, die dafür bekannt waren, heimtückisch und furchtlos genug zu sein, ein Dorf am helllichten Tag anzugreifen und sich zu schnappen, was sie kriegen konnten. Aber es gab keinen einzigen Beweis dafür, dass es Lesginen gewesen waren, eher war es jemand gewesen, der viel Zeit damit verbracht hatte, alles genau zu erkunden und zu beobachten …
Zu dieser Zeit lief der Handel mit Entführten nur schleppend. Entführungen kamen aber sporadisch vor und trafen vor allem die Bauern.
In Ostgeorgien war die Entführung der Frau eines Edelmanns jedenfalls beispiellos und unerhört.
Deshalb nahmen die Leute zuerst an, dass Pavnelis Frau von jemandem entführt worden war, der von weit her kam und viel Leidenschaft für sie hegte. Mehr als zwei Jahre drehte Zaal-Beg Pavneli jeden Stein in Ost- und Westgeorgien um, und es gab kein Dorf, in dem er nicht Nachforschungen angestellt hätte – ohne Erfolg. Seine Frau war entführt und, wie es schien, verkauft worden. Die Frau eines Edelmanns! Wie konnte es mit diesem Land nur so weit kommen …
Die Entführer wussten nur zu gut, dass der Oberhofmeister der Eristawi oft von zu Hause weg war. Maiko war eine schöne Frau, um die dreiundzwanzig Jahre alt, als es passierte, während Zaal-Beg Pavneli sechsundzwanzig Jahre alt war. Maiko war auch eine schöne Mutter.
Zaal-Beg Pavneli verließ seine Stellung und machte sich auf, seine Frau zu finden. Die Kinder ließ er bei seinem Verwalter und den Frauen des Dorfes.
Nach zwei Jahren kehrte er verzweifelt zurück und verstarb nach weiteren zwei Jahren an gebrochenem Herzen, wie alle sagten.
Damals war Baduna Pavneli neun, Tadia Pavneli sechs Jahre alt.
Die Eristawis nahmen sie zu sich und verwalteten den Besitz ihres Vaters, damit die Brüder auf etwas zurückgreifen konnten, wenn sie erwachsen waren.