Читать книгу Von alten Herzen und Schwertern - Aka Mortschiladse - Страница 7
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ОглавлениеWas später als „das Duell“ bezeichnet wurde, um eine einfache Erklärung für das zu finden, was geschehen war, war in keinster Weise ein Duell.
Baduna Pavneli – den Akten nach ein Waisenkind, Nachkomme eines Adelsgeschlechts, das dem Fürstenhaus Eristawi treu ergeben war, und Besitzer mehrerer Weinberge nahe dem Dorf Pawnisi – wurde in einen Schwertkampf mit einem russischen Offizier verwickelt, der erst kürzlich ruhmreich von der russisch-osmanischen Front zurückgekehrt war. Das geschah am helllichten Tag, direkt auf dem Zugang zum Marktplatz, nämlich vor dem Kojori-Tor.
Es war Mittag. Pavneli kam gerade aus der Taverne, wo er einer Partie Backgammon zugesehen hatte.
Der Offizier plünderte einen Marktstand, der orientalische Süßwaren anbot. Er zerstieß und zerschlug die Pyramiden aus Konfekt und Backwaren, die am Straßenrand aufgetürmt waren, und hatte offensichtlich sein Vergnügen daran. Der persische Händler hockte auf der Straße, hielt sich die Augen zu und hoffte, dass das Ganze bald überstanden wäre.
Eine Menschenmenge sammelte sich, aber niemand wagte einzugreifen. Der Offizier war eindeutig ein gut ausgebildeter Schwertkämpfer und schwang die Klinge mit großer Selbstgewissheit, mal in einer geschmeidigen Bewegung aus der Rückhand über den Marktstand hinweg, mal einen Stoß ausführend, mal nach unten schwingend. Einige in der Menge applaudierten, andere spornten ihn durch Zurufe an.
Der Offizier wusste, dass seine Vorgesetzten ihm dafür die Leviten lesen würden, aber das schien ihm die Sache wert zu sein. Nach jedem Hieb schaute er über die Köpfe der Menge hinweg zu einer geschlossenen Kutsche. Dort saß eine Frau, die alles beobachtete, was er tat.
Es ging einzig und allein darum. Darum und sonst nichts. Es war schwer vorstellbar, was der Frau an diesem Gebaren hatte gefallen können, aber wer weiß schon, was im Kopf eines unverkennbar adligen Offiziers vorgeht, der gerade siegreich aus einer Schlacht zurückgekehrt ist.
Als Baduna Pavneli das sah, stellte er sich hinter den Rücken des Offiziers zu dem Dutzend Schaulustiger, das sich um den Offizier versammelt hatte. Da stand er genau vor dem Fenster der Kutsche, nämlich dort, wo der von seinen Schwerthieben aufgekratzte Offizier fortwährend hinsah. Die Ermittlungen ergaben keine Antwort auf die Frage, ob der junge Edelmann absichtlich dort gestanden hatte oder ob es nahe dem Kojori-Tor einfach keinen anderen Platz gegeben hatte.
Im Büro des Statthalters wurde niemand klug aus der Abschrift von Pavnelis Vernehmung, die mithilfe eines Dolmetschers stattgefunden hatte. Pavneli hatte Folgendes erklärt: „Vor über neunhundert Jahren schenkte mein Vorfahr dem Schiomghwimi-Kloster vier Dörfer. In ähnlicher Weise gehört der Boden, auf dem ich stand, der Familie Zizischwili. Wenn also zwischen mir und dem Offizier irgendetwas geschah, dann ist es Aufgabe der Zizischwilis, es zu ermitteln.“
Das Land gehörte in der Tat der Familie Zizischwili. Die Angestellten des Statthalters waren so verunsichert, dass sie verschiedene Fürsten der Zizischwilis befragten und das altgeorgische Strafgesetzbuch zurate zogen, um ein besseres Verständnis davon zu erlangen, wie schwerwiegend das Verbrechen war, das der junge Pavneli begangen hatte.
In jedem Fall hatte sich Baduna Pavneli vor die Kutsche gestellt. Als der Offizier fertig damit war, den Stand zu verwüsten, langte er in seine Hosentasche, zog einige Geldscheine heraus und warf sie dem persischen Händler, der noch immer am Boden kauerte, vor die Füße. Dann spießte er mit seinem Schwert ein großes Stück türkischen Honigs auf, reckte seine Beute in die Luft und wirbelte geschickt damit herum, bevor er erneut zur Kutsche hinübersah und, die Mütze wieder auf dem Kopf, stolz darauf zuging.
Die Menge teilte sich, um ihn durchzulassen, bis auf einen Mann, der zwischen ihm und der Tür der Kutsche stehen blieb. Dieser Mann war Baduna Pavneli.
„Macht Platz, Herr! Macht Platz!“, rief der Offizier, aber Pavneli lächelte nur.
Der Oberst glaubte natürlich, dass der junge Pavneli die Tür der Kutsche absichtlich verstellt hatte, konnte es aber nicht beweisen.
Um die gebotene Diskretion zu wahren, wurden die Namen der Insassen der Kutsche nirgends erwähnt und auch dem Oberst stand es nicht zu, sie preiszugeben.
Eigentlich hatte sich der Offizier nur an den Süßigkeiten bedienen wollen. Aber niemand konnte den Oberst von seiner Überzeugung abbringen, dass hier zwei Rivalen ein Duell um die Zuneigung einer Dame ausgetragen hatten. Zumal Pavnelis Antworten komplett unerwartet waren und die Verdächtigungen des Obersts begannen, sein Urteilsvermögen zu trüben.
„Macht Platz, Herr! Macht Platz!“