Читать книгу Von alten Herzen und Schwertern - Aka Mortschiladse - Страница 14

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Es war fast am frühen Abend, als Baduna Pavneli Parviz’ Teehaus am Marktplatz in der Stadtmitte erreichte. Der Muslim Parviz war einer, dem der junge Pavneli vertrauen konnte. Er hatte seinen Vater gekannt und ihm etwas Geld anvertraut: ein paar Silbermünzen, einige russische Goldmünzen, sogar eine Banknote, alles in einem Geldbeutel aufbewahrt. Parviz begrüßte ihn herzlich.

Die Teestube war voller Leute, die ihren Tee in einem Dämmerlicht tranken, das so trüb war, dass sie sich kaum mehr sehen konnten. Wahrscheinlich sahen sie sich ohnehin nicht an. Hier saßen weder Dichter noch Sänger, deshalb herrschte Stille. Niemand rief Wetten aus oder stritt um die Rechnung, nicht einmal Backgammon wurde gespielt.

Inmitten des Schweigens war einzig zu hören, wie die Leute ihren Tee schlürften oder wie ein Teeglas auf der Untertasse klirrte.

Parviz war froh, den jungen Pavneli zu sehen. Er murmelte ein paar Beschwörungen und Segenswünsche, lotste Pavneli zu einem abgewetzten Kissen und ging den Geldbeutel holen.

„Tadia ist davongelaufen“, sagte Pavneli, sobald Parviz zurückgekehrt war.

Der Muslim war erstaunt.

„Vor zwei Tagen“, sagte Pavneli nachdenklich. „Ich muss noch heute Nacht aufbrechen. Ich muss ihn finden und ins Dorf bringen …“

Parviz murmelte eine weitere Beschwörung.

„Er wird weiterziehen“, sagte er, fast so, als würde er mit sich selbst sprechen. „Er wird weiter- und weiterziehen … Du musst ihm nach. In welche Richtung ist er denn gegangen?“

„Den gleichen Weg wie immer: Er folgt der Sonne“, sagte Baduna Pavneli. „Das ist der einzige Weg, den er kennt. Er macht sich einfach auf zur untergehenden Sonne. Sogar wenn die Sonne hoch steht, weiß er genau, wo sie untergehen wird.“

Parviz beugte den Kopf nach vorn und schüttelte ihn müde.

„Du hast ihn um zwei Tage verpasst, zwei Tage und zwei Nächte. Er wird einen großen Vorsprung haben“, sagte er. „Wenn du der aufgehenden Sonne folgst, kommst du irgendwann zum Meer. Folgst du der untergehenden Sonne, kommst du irgendwann zum Meer … auf der einen Seite Meer … auf der anderen Seite Meer.“

Baduna Pavneli hatte das Meer noch nie gesehen. Er konnte es sich nicht einmal vorstellen. „Wie ein See, nur größer“, so ähnlich erklärte es ihm Parviz. Und Tadia war auf dem Weg dorthin.

„Er ist seit zwei Tagen verschwunden. Hat er es dann vielleicht schon bis zum Meer geschafft?“, fragte Pavneli plötzlich.

Der Tatare legte den Kopf auf die Seite, als würde er zählen, und starrte auf seine Finger.

„Niemals! Dort ist das Meer und wir sind hier. Wie könnte er da schon jetzt am Meer sein?“

Baduna zuckte mit den Achseln.

„Ist es groß?“, fragte er noch einmal.

„Es ist groß, sehr groß“, seufzte der Tatare, „wie Mensch und Firmament. Mensch und Gott. Wenn du dort ankommst, siehst du, wo es anfängt, aber es endet nicht. Es reicht so weit dein Auge sehen kann … Es ist wie Gott. Es ist Gott. Es macht dich ehrfürchtig, und dann ist da noch sein Klang … Es überwältigt dich.“

Baduna nahm seinen Hut und erhob sich.

„Ich werde ein Pferd brauchen“, sagte er leise.

Parviz sah ihn traurig an. „Zähle das Geld.“

„Sei nicht albern“, entgegnete der junge Pavneli mit wegwerfender Geste und steckte den Geldbeutel in die Brusttasche.

„Geh, schnell“, sagte Parviz, und Baduna verschwand, ohne seinen Tee zu trinken.

Er musste vor Einbruch er Dunkelheit aufbrechen, weil er wusste, dass die Männer des Obersts ihn suchen würden, sobald es Nacht war.

Von alten Herzen und Schwertern

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