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Die Unklarheiten mit den drei Magiern
ОглавлениеFür besonders große Verwirrung sorgten die drei Magier, die zu dem nunmehr aus 80 Karten bestehenden Crowley-Tarot gehörten, das 1986 als druck- und fototechnisch erheblich verbesserte Neuauflage erschien. Das Rätselraten über mögliche Bedeutungen und über die geheimnisvolle Herkunft der zwei »neuen« Magier führte zu recht fantasievollen Erklärungen: Von den drei Magiern, die dem Stern von Bethlehem folgten bis zu dem schwarzen Magier, dem weißen und dem dritten, der die Polarität in sich vereinigt. Möglich ist aber auch eine profane: Als Werner Ganser, damaliger Besitzer des Urania-Verlags und Initiant für die Neuauflage, im Warburg Institute in London die Originalzeichnungen betrachtete, stellte er fest, dass dort 80 Karten ausgestellt sind. Lady Frieda Harris hatte seinerzeit drei Entwürfe für die Karte des Magiers gemalt, von denen Crowley jedoch nur einen akzeptierte. Da aber auch die beiden anderen von eindringlicher Symbolkraft waren, schlug Werner Ganser vor, die zwei Karten dem Tarotdeck als Sammlerstücke beizufügen und es dem Käufer zu überlassen, sich seinen Magier auszuwählen.4
Der ehemals »kalifornische« O.T.O., der von dem inzwischen verstorbenen Grady McMurtry (Caliph Hymenaeus Alpha) wieder belebt wurde und heute von seinem Nachfolger William Breeze (Hymenaeus Beta, Frater Superior) in New York geleitet wird, erhob Einspruch und untersagte der Kartenfirma das weitere Drucken der beiden »falschen« Magier. Nach jahrelangem Hin und Her akzeptierte die AGM schließlich den O.T.O. als Crowleys rechtmäßigen geistigen Erben, nicht zuletzt, um einen aufwändigen Rechtsstreit mit unsicherem Ausgang in den USA zu vermeiden. Seitdem erhält die Caliphats-Linie nicht nur Tantiemen an den Harris-Karten, sondern hat auch das Monopol hinsichtlich der Farbgestaltung, Kartentitel oder, wie in diesem Fall, innerhalb der Publikation der drei Magier. Das ist auch der Grund, warum es seit der neuen Druckausgabe von 2004 nur noch einen Magus gibt.
Die AGMüller schrieb einem Kunden, der sich nach den fehlenden Magiern erkundigte, folgende Begründung:
Aleister Crowley Thoth Tarot®
Vielen Dank für den Kauf des von uns publizierten »Aleister Crowley Thoth Tarots«. Wenn Sie das heutige Deck mit einer früheren Edition vergleichen, werden Sie feststellen, dass zwei Magier durch zwei andere Extrakarten ersetzt wurden. Die beiden zusätzlichen Magier wurden auf Betreiben des Ordo Templi Orientis (O.T.O.), der Erben Crowleys, entfernt. Der O.T.O. begründet dies wie folgt:
Der Grund, warum mehrere Ausführungen der Magus Karte existieren ist der, dass es bei den beiden überzähligen Karten um zusätzliche Entwürfe handelt, die vom Designer, Aleister Crowley, aber verworfen wurden. Diese waren für eine Einfügung in das Deck niemals vorgesehen, und so kehrten wir zum einfachen Magus zurück, um der Intention des Autors Rechnung zu tragen. Wir schätzen die künstlerische Ausführung der anderen genauso, doch diese Entscheidung haben wir nicht zu treffen. Wir konnten feststellen, dass eine erstaunliche Anzahl von Tarot-Einsteigern Versuche unternommen hat, mit drei Versionen einer Karte zugleich Divination zu betreiben.
Wir hoffen, wir konnten Ihnen die Situation näher erläutern, und wünschen Ihnen, dass Sie die Arbeit mit Ihrem Crowley Tarot genießen werden. Freundlichst, AGMüller
Auch Lon Milo DuQuette, führendes O.T.O.-Mitglied und bekannter Buchautor, bläst ins gleiche Horn: Es ist nicht im Entferntesten vorstellbar, dass Crowley 24 Trümpfe oder ein Deck mit 80 Karten schaffen wollte. Bei jeder dahingehenden Theorie oder Behauptung würde er sich im Grabe umdrehen, außerdem zeigt so etwas krasseste Unkenntnis Crowleys und des Buches Thoth. Crowley ließ nur eine Magier-Karte zur Aufnahme ins Thoth Tarot zu. Es ist diejenige, deren Abbildung im Buch Thoth wiedergegeben ist und zugleich der einzige Magus, der in neueren Decks vertrieben wird. (…) Also Schluss mit dem Gerede von den Drei Weisen!5
Es gibt aber auch ganz andere Meinungen: Diese nachfolgende, interessante esoterische Betrachtung verdanken wir Harald Schulze-Theiler aus Münster, der sich in seinem Buch »Judas und sein Sohn Ger« in tiefgründigster Weise mit esoterischer Symbolik befasst und dabei eindrucksvoll auf das Vorhandensein von zwei unsichtbaren Tarotkarten schließt. Zwar bezieht sich Harald Schulze-Theiler strikt auf den seiner Meinung nach einzig richtigen Tarot: die Oswald Wirth Karten in der Version von Elisabeth Haich. Er kommt nun in Analogie zu den »Drei tollen Tagen«, in denen wir uns seinem Weltkalender zufolge befinden, zu dem Schluss, dass es sich bei den fehlenden Karten um zwei weitere Narren handeln muss. Dennoch lässt sich seine Grundüberlegung sehr wohl auf die drei Magier in dem heutigen Crowley-Tarot übertragen. Die Quintessenz seiner Überlegungen ist stark vereinfachend verkürzt folgende: Die allen alten Zahlensystemen innewohnende Methodik läuft auf ein 24er System hinaus, von dem jedoch oft genug 10 % unsichtbar sind. So spiegelt zum Beispiel die astronomisch exakt berechnete Dauer eines Weltzeitalters (Fische-, Wassermannzeitalter etc.) von 2160 Jahren nur 90 % der »Wirklichkeit«. Es sind »tatsächlich« 2400 Jahre, von denen eben 10 % = 240 unsichtbar sind (2400 - 240 = 2160). Ebenso gab es eigentlich immer schon 24 Karten der Großen Arkana, von denen jedoch 10 % (das sind abgerundet 2 Karten) unsichtbar waren. So betrachtet wäre das Auftauchen dieser zwei verborgenen Karten ein Phänomen, das sehr gut in eine Zeit passt, in der vieles von dem, was jahrhundertelang strengster Geheimhaltung unterlag, in das Licht der Öffentlichkeit tritt.6
Wir sind bei der Gestaltung des Akron-Tarots7 selbst von ähnlichen Überlegungen ausgegangen und haben die Anzahl der Trümpfe durch die beiden neuen Karten Die schwarze Göttin und Das dunkle Kind ebenfalls von 22 auf 24 erweitert, wenn auch aus anderen Gesichtspunkten. Aber was wissen wir schon über die Beweggründe eines Mannes, bei dem tiefste Gedanken und Ironie und Spott sich so ansatzlos die Türklinke in die Hand gaben. Beispielsweise hat einiges, was Crowley über den Magus schreibt, wenig mit der offiziellen Karte gemein: Die andere Form des Thoth stellt ihn vorrangig als Weisheit und das Wort dar. In seiner rechten Hand trägt er den Stilus (Schreibgriffel) und in seiner Linken den Papyrus.8 Von den drei Magiern kommt für diesen Sachverhalt allein der »Herr mit dem Gorilla im Rücken« in Frage, denn er ist der einzige, der diese Utensilien mit sich führt. Und auch die von Crowley mit Christus in Verbindung gebrachte Fisch-Symbolik wird durch den Griffel allegorisch dargestellt, denn wir sehen, wie der Stilus mit seinem Ende wie eine Harpune im Maul des Fisches steckt. Crowley schreibt: Eine Hälfte des Fischsymbols ist sowohl Christus wie Merkur gemeinsam; Fische sind dem Merkur heilig.9 Auch die expressiven Schilderungen in Der Herr der Illusionen verweisen eher auf den Schatten-Magier, denn keine der beiden anderen Karten kommt für diese Aussagen in Frage: Es ist die Gestalt des Magus aus dem Tarot; in seiner Rechten die Fackel mit emporlodernden Flammen; in seiner Linken ein mit Gift gefüllter Becher, ein Wasserfall in die Hölle.10
Dem Wunsch des Verlages, die beiden umstrittenen Trümpfe, wenn schon nicht als zusätzliche Karten, so doch zumindest als perforierte Seiten auf dickerem Kartenmaterial in dieses Buch aufnehmen zu wollen, damit der interessierte Leser die Wahl hat, den bevorzugten Magier aus dem Buch heraustrennen zu können, erteilte William Breeze alias Hymenaeus Beta einen abschlägigen Bescheid:
I have no objection to the inclusion of the two variants so long as they are clearly identified in Akron‘s text as having been rejected by AC and Harris, and they are reproduced at a different size from the various printed decks, don‘t have the backs of the cards printed on the other side, and are on the regular book paper (not card stock). I don‘t see why they should be perforated, unless the idea is to let people take them out of the book to use them as cards, which I could never approve. The perforation just seems an unnecessary expense otherwise.
Best Bill11