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Andere Verbindungen
Оглавление– Tiefenpsychologische Zusammenhänge –
Der Narr zwischen Eltern und Über-Eltern
Machen wir ein kleines Spiel und versuchen wir Crowleys exzessive Botschaft in eine schlüssige Fiktion zu übertragen. Und die geht so: Seit C. G. Jung sind wir nicht nur mit unseren Eltern konfrontiert, sondern auch mit unserem inneren Bild der Über-Eltern, also einer Darbietung von Göttern und Erziehern, die mehr mit Wunsch- und Paradiesvorstellungen als mit lebendigen Menschen zu tun haben. In diesem Sinn verfügen wir über zwei Elternpaare. Auf der einen Seite das eine Art höhere Individualität ausströmende Elternbild, das Zugang zu dem Teil des kosmischen Bewusstseins hat, das uns innerlich stärkt und durch die Karten Magus und Hohepriesterin repräsentiert wird. Zum anderen die leiblichen Eltern, Kaiserin und Kaiser genannt, die in ihrer Verantwortung für das Kind aus dessen Sicht oft versagen. Sie wurden uns vom Leben aufgezwungen oder mitgegeben, und das in einem sehr autoritären Sinn – denn sie verkörpern zumindest in der Kindheit unser soziales Umfeld und unsere körperlichmaterielle Realität.
Jedes Unvermögen der Eltern schaukelt das Über-Eltern-Bild auf und umgekehrt. Manchmal erschaffen wir aus unserem Bewusstsein heraus die Sehnsuchtsbilder, die uns in einer kniffligen Lage die Kraft geben, mit der Situation umzugehen, wenn die eigenen Eltern versagen. Ähnlich wie Heilsbringer oder andere Götzenbilder rufen wir solche Energiepersönlichkeiten aus unserer psychischen Datenbank ab, aus dem Fundus individualisierter Bewusstheiten, die uns zur Verfügung stehen. Manchmal kann eine (un-)heimliche Verwandlung stattfinden, wenn wir die Aufmerksamkeit von den leiblichen Eltern auf unsere fiktiven Personen, die wir selbst geschaffen haben, übertragen, denn damit übernehmen wir eine Art innerer Kontrolle in einer Außenwelt, der wir sonst schutzlos ausgeliefert wären. Aber auch das Fehlen der natürlichen Eltern kann zu grotesken Überhöhungen und Verzerrungen der Über-Eltern-Bilder des Narren führen, was wir am reichhaltigsten aller Inzestmythen, Ödipus, sehen. Er tötet seinen irdischen Vater und heiratet seine biologische Mutter, doch nur, weil er keinen Kontakt zu seinen irdischen Eltern hatte. Die ganze Tragödie geschieht unwissentlich, was auf die Ebene unbewusster Phantasievorstellungen hindeutet; andererseits konnte er in der späteren Erkenntnis und Aufarbeitung sein unerlöstes Elternbild befreien.
Der Advocatus Diaboli erklärt das so: Die mögliche Zukunft, die sich im vergangenen Orakel manifestiert9, transportiert die innere aggressive Energie des Vaters auf das Kind, um ihr später unbewusst folgerichtig zu erliegen, damit sich das Schicksal vollziehen kann. Deshalb können wir erkennen, dass manchmal auch die (ängstliche) Projektion der Eltern auf das Kind die Über-Eltern-Bilder im Kind auslösen und sich zerstörend im Außen auswirken kann. Die unbearbeitete Gefühlsfracht liefert Form und Antrieb (Fahrzeug und Benzin) für solche Schöpfungen. Dieses legt wiederum den Gedanken nahe, dass der Inzest nicht einfach degenerativ ist, sondern auch regenerative Möglichkeiten in sich enthält. Es ist in der Tat ein wesentliches Stadium der Entwicklung des individuellen Charakters bei beiden Geschlechtern, seinen mehr oder weniger wirksamen Ödipus- bzw. Elektrakomplex zu überwinden. Auf diesem Teil des Mythos baute Freud auch einen seiner wertvollsten und unwiderlegbaren Beiträge zu unserem tiefenpsychologischen Wissen auf.
Im Klartext: Der »Reisende« steht in der Hohepriesterin vor der Aufgabe, seine überhöhte, unerreichbare Mutter auf seinen Wellenbereich »herunterzuholen«. Das geschieht dadurch, dass er alle moralischen Empfindungen und kulturellen Überlieferungen der Heiligen Jungfrau und Mutter Gottes zerstört. Nach dem, was uns Crowley sagen will, hat er die Pflicht, die Göttin zu »vögeln«, oder, wenn er schon nicht den Mut hat, seine Mutter zu ficken, wenigstens seinen Vater zu erschlagen10, kurz: den Kaiser zu kastrieren und seinen Platz auf dem Thron einzunehmen! 11Denn: Nur wenn er seine inneren Eltern überwindet, hat er die Chance, selbst erwachsen zu werden und an deren Stelle zu treten.
Das Durchlaufen dieses mörderischen Zyklus löst gewaltige Emanationen in uns aus, und die Schmerzen, die durch die (vorübergehende) Erweckung und die Auseinandersetzung mit den Urängsten in uns wachgerufen werden, sind nichts anderes als die in zahllosen Sagen und Mythen überlieferten Höllenqualen, bevor der Proband durch sie geläutert wird. Erst, wenn es uns gelingt, die Felder der Autoritäten (I – V) zu durchschreiten und uns in den nächsten vier Karten VI – IX von unseren unbewussten Eltern- und Lehrerbildern zu lösen, sind wir frei. Doch bis es soweit ist, geht es darum, die Göttin von den Mystifikationen unserer Übertragungen zu erlösen. Sie wird durch ihre Lust entheiligt, befreit und bloßgestellt, und das tun wir, indem wir sie zu unserer Scharlachhure küren.