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1. Aus Urknall wird „Ursache und Wirkung“.

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Vor ca. 5,6 Milliarden Jahren beginnt die biologische Evolution, beginnt die Evolution biologischer Organismen, beginnt Leben. Wie das Leben entstand dafür haben wir allenfalls Vermutungen. Ist das Leben durch einen Einschlag von Meteoriten auf die Erde gekommen, in der Tiefe der Meere in der Nachbarschaft heißer- und schwefelhaltiger vulkanischer Aktivität oder durch Blitzeinschlag entstanden: Wir wissen es nicht. Was wir jedoch aus der Evolution lernen können sind Erscheinungen, sind Qualitäten und Funktionen, die sie hervorbringt. Das Existieren, das Aufkommen von All und Leben bleiben ein Rätsel. Über die Essenz von All und Leben, über deren Entwicklung, Struktur und Funktion können wir nachdenken und forschen. Lebende Organismen haben eine Struktur. Deren Aufbau braucht Energie, mit der Strukturen und Funktionen entstehen, erhalten und stabilisiert werden müssen. Nicht weniger wichtig sind Information und Wissen, mit welchen ein Organismus über seine körperliche Homöostase und über von außen kommende Einflüsse erfährt. Zwei Funktionen stehen am Anfang einer biologischen Evolution, in welcher das Leben strukturierter Organismen beginnt: Energie und deren Verwertung muss Leben ermöglichen und Information muss das Überleben sichern.

Auch die Biologie arbeitet mit dem ältesten und ersten kosmologischen Gesetz von „Ursache und Wirkung“. Dieses Gesetz entsteht in der Vorstellung heutiger Wissenschaft durch den „Urknall“ vor 13, 7 Milliarden Jahren und schafft mit Masse und Energie zwei äquipotente Qualitäten, die hinfort die Materie, dann die biologische Welt und schließlich auch die menschliche Entwicklung lenken. Das Gesetz wird die Kausalität begründen, welche die materiale- und die biologische Welt lenkt. „Urknall“ ist wissenschaftliche Bezeichnung für einen Anfang, den wir kaum verstehen und noch weniger begreifen können, ist ein Anfang der Welt und des Kosmos, den wir zu beschreiben versuchen, aber nicht erklären können. Durch historische-, biologisch-physikalische- und astronomische Forschung wissend geworden, vergleichen wir physikalische Explosionen im Weltall mit einem „Urknall“ und benutzen ihn als Metapher des Anfangs unserer Welt. Durch beobachtbare physikalische Gesetze sind wir heute in der Lage, eine zeitliche Aussage zum Urknall zu machen. Da wir den „Urknall“ nicht erklären können oder allenfalls Vorstellungen entwickeln, sind wir in einer kaum besseren Situation als jene frühgeschichtlichen Menschen, die in Kosmogonien oder Theogonien das Entstehen der Welt beschreiben. In der Geschichte des Menschen führt dessen Nachdenklichkeit zu magischen Gedanken und Ideen. „Zuerst erklären Mythen oder Religionen dem Menschen die Welt. Sie stellen die gleichen Fragen wie wir heute; inzwischen hat die Wissenschaft diese Rolle übernommen“ schreibt Thomas Sedlarzek 17. Wissen wir zum Anfang unserer Welt heute mehr oder glauben wir nur mehr zu wissen? Ist für uns naturwissenschaftlich gebildete Menschen die Entstehung des Urknalls vor 13,7 Milliarden Jahren besser vorstellbar als das Auftauchen des Gottes Atun aus einem formlosen Chaos für die frühen Ägypter? Auch Urknall ist nur ein modernes Bild, jenen Bildern frühhistorischer Menschen vergleichbar, mit denen sie sich die Entstehung der Welt erklärten. Ausgangspunkt für frühe Kosmogonien ist eine Welt aus „unstrukturierter Masse“, aus „Chaos“, aus „Schattenenergie“, ist eine „präexistene Welt“ oder ein „Ozean der Ursachen“, aus welchen, Metamorphosen vergleichbar, eine strukturierte Masse wird. In Theogonien sind Götter jene Gestalter die nicht Erklärbares zu erklären versuchen und eine Welt nach ihrer Vorstellung entstehen lassen. Wir sprechen vom Urknall, Religionen sprechen von Schöpfung: Religiöse Menschen haben in der Zwischenzeit das kosmologische Gesetz von Ursache und Wirkung verinnerlicht und können nicht anders als anzunehmen: Die Ursache des Urknalls war eine göttliche Tat des Schöpfers. Sie übersehen dabei allerdings, dass das kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung erst durch den Urknall in die Welt kam und Gott kann nicht zugleich „Urknall“ und dessen auslösende Ursache sein. Der Agnostiker gibt sich zufrieden: Er kennt keine Ursache für den Urknall und akzeptiert dies. Er weiß aber, dass des Urknalls Wirkung die Welt bestimmt.

In unserer Frühgeschichte haben Magie und Mythen den Menschen die Welt erklärt. Heute hat die Wissenschaft diese Rolle übernommen 17. Tatsächlich hören wir erstaunliche Ergebnisse der kosmologischen Forschung. Wir wissen viel über die biologische Evolution, über das Leben von Pflanzen und Tieren und wir lernen, wie Gefühle und Gedanken den Menschen lenken. Unser Wissen beschäftigt sich nur mit den Folgen eines „Anfangs“, die der „Urknall“ auslöste. Aber können wir diesen „Urknall“ verstehen? Wie unsere Welt funktioniert und auch wie sie entstanden sein könnte, dazu machten sich Menschen auch schon vor 4000 - 2000 Jahren v. Chr. In Ägypten, in Griechenland, in Indien und in China Gedanken. Ein eindrucksvolles Beispiel ist Hermes Trismegistos. Er wurde als „Meister aller Meister“ verehrt, als Mischung aus dem griechischen Gott Hermes Verfasser der „hermetischen Schriften“. Er muss ein großartiger Beobachter von Natur und Welt gewesen sein, denn er ist der Autor der „7 hermetischen Gesetze“, mit denen er erklärt, wie Kosmos, Biologie und auch der Mensch funktionieren und physikalischen- und mentalen Gesetzen unterliegen. Als erster Mensch spricht er in seinem 6. Gesetz das oben bereits genannte Gesetz von „Ursache und Wirkung“ an. Seit wir Menschen denken können argumentieren wir mit diesem vor 3 bis 5 Tausend Jahren entdeckten Gesetz. „Ursache und Wirkung“ ist für uns heute selbstverständliche Normalität, doch musste es erstmals erkannt und aufgeschrieben werden. Es sagt aus, dass „Zufälle“ nicht existieren und was wir heute als „Zufall“ erklären immer eine, wenn auch oft nicht erkannte, Ursache hat. Hermes Trimegistos hat recht behalten, was weitgehend auch für seine 6 weiteren hermetischen Gesetze gilt: Es gilt für sein „Gesetz der Entsprechung oder der Resonanz“, für sein Gesetz „Schwingung“ (nichts ruht, alles bewegt sich), für sein Gesetz der „Polarität oder der Gegensätze“, für sein Gesetz von „Rhythmus und Kreislauf“ (alles fließt aus und ein, alles hebt sich und fällt). Alle von Hermes Trimegistos ausgerufenen Gesetze, mit denen er den Zusammenhalt von Welt und Kosmos erklärt, haben sich wissenschaftlich weitgehend bestätigt. Dabei war er nur ein großer Beobachter und hatte kein Wissen von Physik und Biologie. Da Hermes Trismegistos viel darüber nachdachte wie Welt und Kosmos funktionieren, nachdem sie entstanden sind, wollte er schließlich auch wissen, wie alles entstand. Dafür entwickelte er sein erstes der sieben hermetischen Gesetze und nannte dieses Gesetz „Prinzip der Schöpfung“ oder „Prinzip von Mentalität“. Eine Welt, so seine Deutung, die von sechs Prinzipien oder Gesetzen gestaltet und gelenkt wird, muss von einem „Prinzip von Schöpfung“ oder einem „Prinzip von Mentalität“, in jedem Falle von einer Kraft ausgehen, die er noch nicht kannte und wir heute als „evolutionäre Intelligenz“ oder „Gott“ bezeichnen. Was man noch nicht kannte wurde zur Zeit des Hermes Trimegistos durch eine göttliche Macht erklärt. Man kann diesen Anfang als Gott, als YHWE, als Allah, als Brahman oder als Urknall bezeichnen. Von allen wissen wir nicht wer oder was sie sind. Wir wissen allein, dass sie sich in ein Gesetz von „Ursache und Wirkung“ verwandelten, in einen materiellen- und geistigen Funken verwandeln, der in allen Existenzen unserer irdischen Welt deren Erhalt und Entwicklung lenkt. In China ist dieser Funken Yin und Yang, in Indien purusha und pakriti, in Darwins Evolution Reproduktion und Veränderung und beim Menschen Gefühl und Geist.

Mit dem Urknall vor 13,7 Milliarden Jahren entstehen mit Masse und Energie zwei äquipotente Qualitäten, welche im Zusammenspiel von Ursache und Wirkung die Kausalität begründen und Expansion und Retraktion oder Fliehkraft und Anziehung entwickeln. Deren dialektisches Zusammenspiel wird in immer wieder neuer Form und neuer Beschreibung den Weltraum, den Mikrokosmos, die Welt der Pflanzen, der Tiere und auch des Menschen am Laufen halten und die Evolution lenken. Ursache und Wirkung, Information und Aktion sind äquivalente Kräfte. Jede Ursache und jede Information hatte selbst eine Ursache oder einen Auslöser und jede Wirkung, jede Reaktion und jede Aktion wird wiederum zum Auslöser. Die von der menschlichen Philosophie in die Diskussion gebrachte Unterscheidung von „Subjekt“ als handelndem Prinzip und „Objekt“ als reagierendem Prinzip und deren mit dieser Unterscheidung aufgekommene unterschiedliche Wertigkeit und Wichtigkeit existiert in der natürlichen Welt der Evolution nicht. Im Netzwerk der Evolution sind Alle oder Alles einmal Handelnde oder Subjekte, dann wieder Reagierende oder Objekte. „Während wir handeln wird gleichzeitig an uns gehandelt“ sagt der schottische Philosoph und Aufklärer Hume (1711-1776) im 18. Jahrhundert und bestätigt, was schon 2000 Jahre früher in Indien und in China als ein Gesetz des Lebens verkündet wurde: Im Karma sieht der Inder jene in Natur und Mensch wirksamen Kräfte von Körper und Geist, von pakriti und purusha, die im Zusammenspiel das Dharma oder das Schicksal des Menschen bestimmen. In China wird zu gleicher Zeit das indische Dharma zum chinesischen DAO und wird von Yin und Yang gestaltet. Das Zusammenspiel von Ursache und Wirkung, von Irritation und Reaktion, von pakriti und purusha, von Yin und Yang wird schließlich in Darwins Theorie der Evolution zu Distinktion und Integration. Dialektik lenkt Materie, das biologische Leben, die Entwicklung menschlicher Mentalität und schließlich auch menschliche Kultur.

EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN?

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