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Aus gegebenem Anlass, ein vorgezogenes Nachwort

Wie lange noch wollen wir die Welt verbessern? Wie lange noch wollen wir Andere belehren, wie sie ihr Zusammenleben organisieren- und eine politische Führung bestimmen sollen? Wie viele Vietnams, wie viele Iraks oder Afghanistans wollen wir noch missbrauchen, um die Welt humaner und gerechter zu machen? „Wer das Unterscheiden betont“, schreibt der weise Laozi aus China, „wird alles verlieren“. „Kennt ein Jeder das Gute, so ist das Böse geboren“. Da unsere religiöse-, politische- und publizistische Prominenz nie aufhörte zu glauben, zu den Guten und Wissenden zu gehören und das Unterscheiden betont, haben wir allzuviel Böses hinterlassen. Wann werden wir Bürger des christlichen Abenlandes endlich begreifen, dass ein selbstgerechtes Wertesystem v.a. Kriege und Verwüstung hinterlassen ?

Früh schon begannen wir, die Welt zu verbessern: Ein Versprechen der christlichen Botschaft des Paulus im Neuen Testament der Bibel wird, von kirchlicher Hierarchie usurpiert, zur Verführung in Europa: Die irdische Heimat wird für uns „Gotteskinder“ „entfremdet“ und eine neue Heimat im Himmel versprochen. Fremde und Ungläubige werden zu Heiden oder „Gottesfeinden“. Sie werden missioniert und nicht selten auch bekämpft. Als einige unter uns schließlich die Magie der christlichen Botschaft begreifen, verspricht uns die europäische Aufklärung eine Optimierung des Menschen durch Geist und Vernunft. An Stelle des Himmels wird uns „Gotteskindern“ eine glänzende Zukunft und Optimierung versprochen, so wir Vernunft und Wissen vertrauen und zu Verkündern von Zukunft und Weitsicht werden. Die Nation und deren Machtstreben wird dann zu unserer Zukunft: In Südamerika, in Afrika und in Asien wird missioniert und erobert. Unseren religiösen Versprechen-, dann selbstverfügten Werten folgend und Eroberungen genießend, werden wir zu Sklavenhändlern, zu Kolonialisten und auch zu Rassisten. Auf Vernunft und Wissen bauend enden wir, von angstbetonter Resonanz ungerührt und von Achtsamkeit und Empathie unkontrolliert, schließlich in zwei großen Kriegen und einem schrecklichen Genozid an den Juden.

Auf eine neue Besinnlichkeit und ein Lernen aus der Geschichte hoffend, geschieht, was geschehen musste: Geschichte wird nicht durch Revolutionen oder plötzliche Wenden bestimmt. Bisher Erlebtes und Erfahrenes wird nur langsam transformiert: Aus im Kriege Verbündeten machen die Koalitionen aus NATO und Warschauer Pakt einen „kalten Krieg“ mit nicht selten „heißen“ Schauplätzen. Danach erfahren wir in Huntingtons „Kampf der Kulturen“: Der Streit wird sich auf viele Schauplätze ausweiten. Ein Systemstreit von Kulturen und Zivilisationen beginnt und wir, die Vernünftigen und Wissenden des christlichen Abenlandes, werden zu Verkündern und Verteidigern der Menschenrechte. Dass Menschenrechte für einen Großteil der Menschen unserer Erde v.a. Nahrung und Wasser, ein Dach über dem Kopf und gesundheitliche Versorgung bedeuten, vergessen die Initiatoren und Sieger des 2. Weltkrieges und fordern 1948 ein Selbstbestimmungsrecht. Es schenkt den schon materiell Versorgten Freiheit und Selbstbestimmung und auch das Recht auf Besitz und mit Besitz zu spekulieren. Als unabhängig gewordene Kolonien sich für eigene Führerfiguren entscheiden, entstehen aus früheren Machtstrukturen Verteidigungskoalitionen zur Wahrung der Menschenrechte und der Wahrung des eigenen Besitzes. Wer an Stelle von Kooperation auch für Menschenrechte Koalitionen beschließt hat immer einen Gegner im Blick. Er wird Gegenwehr-, wird ein „Zeitalter des Zorns“- und auch eine Fortsetzung von Streit und Kriegen auslösen.

Wann endlich werden wir uns zu „Kooperation“ und „Koexistenz“ entschließen? Kooperation gibt eigenes Wissen, eigene Fähigkeiten und eigenen Besitz weiter und wird diese auch von Anderen zurück bekommen. Ein jeder profitiert und unser menschliches Zusammenleben wird friedlicher werden. Dies aber nur dann, wenn wir auch Koexistenz üben, eine gewordene Eigenheit anderer Gesellschaften oder Nationen respektieren, achten und auf Ermahnungen verzichten. Wer Veränderungen einklagt und gar Sanktionen ausspricht versündigt sich gegen einen Gedanken der Koexistenz und macht aus Kooperation ein vergebliches-, weil egoistisches Verhalten.

Wer seit 2000 Jahren Andersgläubige, Andersdenkende oder Andershandelnde zu Gegnern oder Konkurrenten erklärt, muss unser evolutionäres Erbe falsch verstanden haben. Evolutionäres Werden endet immer in Vielfalt und Diversität und auch der Mensch hat in seiner Geschichte unterschiedliche Kulturen und Zivilisationen entwickelt. In der westlichen Welt wird ein „kognitiver Aufbruch des Homo sapiens“ zum alleinigen mentalen Erbe des Menschen. Ein göttliches Versprechen, dann Zukunft, Wissen und der schöpferische Aufbruch von Individuen formen die historische Orientierung. Schon die großen Philosophen der Achsenzeit - Konfuzius, Buddha, Jesus und Aristoteles - sprechen nie von einem kognitiven Aufbruch. Sie machen sich schon vor der Zeitenwende Gedanken zum „Verhalten“ des Menschen. Menschliches Verhalten wird weder damals noch heute vom rationalen Verstand des Menschen bestimmt. Der rationale Verstand ist vielleicht schöpferisch, doch wird das Verhalten des Menschen von seinen Gefühlen bestimmt. Sie verbinden den Menschen mit seinem Umfeld und den Mitmenschen. Ein Zusammenspiel aus emotionaler- und kognitiver Intelligenz bestimmt das menschliche Verhalten. Dass Emotionen und Gefühle schon lange vor dem Auftauchen des Homo sapiens zu unserem Erbe wurden, ist für die Verhaltensforschung an Säugetieren und Primaten heute eine Selbstverständlichkeit. Über das evolutionäre mentale Erbe des Menschen muss deshalb im Westen neu nach gedacht werden, weil v.a. Gefühle und Gedanken, aber nicht Ideen das Orientierungszentrum des menschlichen Verhaltens sind. Als Reaktion auf seine Gefühle entwickelt der Homo sapiens soziale Intentionen, Gedanken und Ideen. Soziale Intentionen und Gedanken orientieren sich am menschlichen Umfeld und an Mitmenschen und suchen nach Erklärungen für aufkommende Gefühle. Ideen tragen für den Menschen die Gefahr in sich, sich diesem Umfeld zu entziehen.

Als Arzt, an Geschichte und Anthropologie interessiert, beschäftigt mich das mentale Erbe des Menschen und dessen Offenbarung in der menschlichen Geschichte. Herausgekommen ist eine Mentalgeschichte, die das evolutionäre und mentale Erbe des Menschen (Teil 1) mit den Geschichten der Menschen in China, in Indien und im christlichen Abendland (Teil 2) verbindet. Ich wählte diese drei, weil von ihnen wichtige- und dokumentierte Kenntnisse zur Historie überliefert sind. Aus der Zusammenschau (Teil 3) von mentaler Evolution des Menschen und seiner Geschichte versuche ich heraus zu finden, wo und wieviel im historischen Leitbild dieser Regionen vom evolutionären mentalen Erbe erkennbar wird oder wo und warum sich die menschliche Geschichte von ihrem evolutionären Erbe entfernte. Vergleiche ich die Geschichten von China und Indien, so hat sich unser mentales evolutionäres Erbe in der Geschichte und im Verhalten des Menschen bewährt. Der Missbrauch dieses mentalen Erbes durch Kognition allein, hat der Geschichte des christlichen Abendlandes nicht gut getan.

EINE EVOLUTION, ABER UNTERSCHIEDLICHE GESCHICHTEN?

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