Читать книгу Der Secretair der Marquise Du-Deffand - Александр Дюма - Страница 11

Erster Band
Elftes Kapitel

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Entzückt über meinen Sieg, ging ich also zur Frau von Parabère. Es war dies wirklich eine Schilderhebung: ich leistete in derselben Zeit meinem Manne und meiner Tante Widerstand, und diese Tante war noch obendrein die Herzogin von Luynes! Nach diesem ersten Auftreten versprach ich viel. Jetzt, wo ich die Dinge aus der Ferne und mit Verstand betrachte, gestehe ich ein, daß ich Unrecht hatte. Aber dies war nicht gänzlich meine Schuld: der Geist meiner Zeit, die Revolutionsgedanken, die heute so hervorstechend geworden sind, begannen aufzutauchen und rissen mich mit fort. Man hatte damals schon wenig Achtung vor den Eltern und den Pflichten; in einem andern Jahrhunderte seufzte man mit Recht darüber.

Frau von Parabère empfing mich mit offenen Armen.

– Ich erwartete Sie nicht mehr, meine Königin! rief sie aus. Wer hat Sie zurückgehalten?

– Nun, wer die Frauen zurückhält – der Mann!

– Ah, wie thöricht sind Sie gewesen, sich einen Mann zu nehmen! Wie bedauere ich, daß ich Sie nicht früher gekannt habe, ich würde Ihr Leben anders geordnet haben!

– Hätte ich, wie meine Tante Fräulein von Chamrond, eine alte Jungfer bleiben sollen?

– Sie hätten sich Gräfin Marie von Chamrond nennen und ein Stiftsfräulein wie die Gräfin Alexandrine von Tencin werden müssen.

– Ach, das ist wahr! antwortete ich seufzend. Warum haben meine Verwandte nicht daran gedacht?

– Ein Stiftsfräulein ist das Muster von Glück auf der Erde. Ein Stiftsfräulein ist frei, überall gut placirt, es hat den Bestand einer verheiratheten Frau, aber es hat keine Pflichten und keinen Mann; dagegen aber hat es ein Einkommen, das ihm erlaubt zu leben und die Hilfe Anderer anzunehmen; es hat die Unabhängigkeit einer Wittwe, ohne die Erinnerungen derselben, ein wenig Familienverbindung, einen unbestreitbaren Rang, den man Niemandem verdankt – und dabei Nachsichtigkeit, selbst Straflosigkeit. Witz und Spott können sie nicht treffen, weil sie an ihrem Stande nichts ändern. Für alle diese Vortheile haben sie die Mühe, ein Kreuz zu tragen, das ihnen ansteht, schwarze oder graue Kleider, die man so prächtig machen kann, wie man es nur immer wünscht – einen kleinen, kaum merklichen Schleier, und Frauenputz aller Art. Gestehen Sie, meine Beste, daß dies eine große Wohlthat ist. Ach, wenn ich nicht die Marquise von Parabère wäre, würde ich sicherlich die Gräfin Marie von Vieuville sein.

– Eins ist so gut wie das Andere

– Und dies verdanke ich meiner eigenen Wahl. Man muß mich nehmen, wie ich mich gebe. Ich werde mich für Niemanden verändern, ich habe es laut ausgesprochen. Ich bin jung, hübsch, frei, reich, ich besitze den Geist meines Alters und meiner Herkunft, ich amüsire mich, ich will mich amüsiren, und zwar so lange als möglich, ich will immer froh leben, und werfe die Sorgen zur Thür hinaus. Wer würde es mir danken, wenn ich es anders machte?

– Ohne Zweifel Niemand, wenn nicht der alte Hof…

– Ich ziehe es vor, mit ihm zu zerfallen, denn er langweilt mich, und auf diese Weise habe ich mich seiner entledigt.

– Der Regent liebt Sie herzlich, und Sie lieben ihn ohne Zweifel in demselben Grade wieder, dies tröstet und vertritt das Uebrige. Uebrigens setze ich voraus, daß Alles so ist, fügte ich verwirrt hinzu, denn ich schämte mich ein wenig, so unterrichtet zu erscheinen und der Erinnerung an Larnage eine so ausschließliche Herrschaft über mich eingeräumt zu haben.

Frau von Parabère sah mich lächelnd an, indem sie leicht die Achseln zuckte.

– Philipp! Ja, er liebt mich wohl… auf seine Weise, und ich liebe ihn eben so… auf meine Weise. Kennen Sie den Regenten?

– Ich habe nicht die Ehre gehabt, ihm vorgestellt zu werden.

– Ich werde Sie in den königlichen Palast führen, und werde Sie auch der Herzogin von Berry vorstellen. Sie werden diese Fürstin sehen und mir Ihre Meinung darüber sagen.

Bei diesem Vorschlage fühlte ich ein Schamgefühl aufsteigen, aber ich wagte es, aus Furcht vor Spott, nicht zu zeigen

– Ich hoffe, der Regent wird heute nicht zu Ihnen kommen!

– Wer weiß? Ich hoffe im Gegentheil, daß er kommen wird. Zu einem andern Zwecke habe ich Voltaire nicht eingeladen. Ich bin entzückt, sie zusammenzubringen. Dieser kleine Arouet rast inwendig, er hat einen tollen Geist. Der gute Philipp würde dieser Schlange gegenüber in Zorn gerathen, wenn er die Kraft dazu hätte; aber er verzeiht ihm im Voraus Alles, was er thun wird, wie er ihm das, was er bereits gethan, verziehen hat, wie er ihm überhaupt in seiner Gutherzigkeit sein ganzes Leben verzeiht. Ach, dies ist ein unterhaltendes Schauspiel, Sie werden sehen!

– Ist es denn passend, daß mich der Regent bei Ihnen findet? Wird es ihn nicht beleidigen?

– Halten Sie denn den Regenten für einen Ludwig XIV.? Er ist stets entzückt, wenn er eine hübsche Frau sieht, und in ihrer Nähe kümmert er sich wenig um ihren Rang.

Diese leichtsinnige Existenz, diese Unterhaltung, die nichts achtete, und diese Freiheit, die nicht einmal sich selbst einige Rücksicht auferlegte, bildete mit dem Leben in der Provinz und den gemessenen Worten meiner Tante und meiner Nonnen einen argen Contrast. Noch nahm ich kein Aergerniß daran, noch war ich nicht verletzt, aber ich war bis zur Bestürzung erstaunt. Frau von Parabère bemerkte es, sie umarmte mich mit einer wahren Ausgelassenheit und sagte in einem Tone, aus dem unwillkührlich ihre Empfindlichkeit hervorleuchtete:

– Ich verstehe Sie, meine Königin, ich bin eben so gewesen. Dies geht vorüber. Man ist viel glücklicher, wenn man kein anderes Geräusch hört, als das des Vergnügens.

In diesem Augenblicke ward Voltaire angemeldet; er trat ein, ohne verwirrt oder linkisch zu erscheinen.

Voltaire war damals ein drolliger junger Mann; es erinnern sich seiner nicht viel Leute mehr, denn wir sind aus jener Zeit nur wenige noch vorhanden. Er war eben so lang und mager als jetzt; sein Gesicht, nahe daran Falten zu bekommen, war dasselbe; sein Mund ward stets von einem Lächeln umschwebt, das schneidend und glänzend war wie eine Klinge; sein Auge blitzte. Er hatte eine bleiche, gallichte Gesichtsfarbe, und seine Miene war angenehm, wenn man ihn nicht reizte. Es bedurfte aber einer langen Gewöhnung an seinen Geist, wenn man sicher sein wollte, daß man von ihm nicht verspottet würde.

Man hielt ihn den Großen gegenüber für einen Schmeichler und Speichellecker, während seine ganze Person nur ein Epigramm war. An jenem Tage habe ich ihn kennen und schätzen gelernt; er bemerkte es, und wußte es mir Dank, er hat sich oft darüber ausgesprochen.

– Mein lieber Dichter, sagte die Marquise, Sie werden mit der Frau Marquise Du-Deffand, der ich Sie vorzustellen mir erlaube, das Mittagsmal einnehmen. Sie kommt aus der Provinz, um uns zu zeigen, daß man dort mehr Geist besitzt, als in Paris.

Voltaire prüfte mich, und warf einen jener Blicke auf mich, welche die ganze Person einzusaugen scheinen. Nach dem Gesagten wußte er, wer ich war, was ich galt, und er bedurfte keiner Auskunft weiter.

– Herr von Voltaire, haben Sie uns nicht einige Verse vorzulesen?

– Verse! Madame, ich sollte Verse machen und sie hierherbringen! Man hat für mich so viel gemacht, daß ich ausruhen kann.

– Das ist Groll, mein Herr!

– Groll? Nein, Madame, es ist Gerechtigkeit. Ich erinnere mich!

– Verlohnt es sich der Mühe, daß man für ein wenig Bastille gegen einen guten Fürsten so aufgebracht ist, dem Gott vergessen hat Galle zu geben?

– Ich bin gegen Niemanden aufgebracht, Madame, und gegen den Herrn Regenten noch weniger, als gegen irgend eine andere Person, denn er ist sehr gütig gegen mich gesinnt; aber ich werde seine Güte nicht vergessen, es ist meine Absicht, sie täglich zu verdienen, und darum lese ich meine Verse nicht, wenn ich das Unglück hätte, Verse zu machen. Ich denke, daß dies keine Majestätsbeleidigung ist

Die Marquise begann zu lachen. Man lachte damals sehr viel.

– Ich weiß nicht, warum Sie sich über Ihre Verse beklagen, Messire Arouet; sie haben stets einen guten Erfolg gehabt, und der Regent hat mit beiden Händen ihren Oedipus beklatscht, trotz der Anfeindungen, Auslegungen und Verleumdungen.

– Weil der Regent mehr Geist besitzt, als seine und meine Feinde, weil er die Menschen nach ihrem Werthe, und die Sachen wie sie sind, beurtheilt.

– Und vorzüglich weil er gut, sehr gut ist! fügte sie mit Intention hinzu.

– Was soll das heißen, Madame? Glauben Sie vielleicht, daß diese Güte sich auf mich verirrt hat, daß ich sie nicht verdiente, und daß ich schuldig war?

– Ich habe gesehen, mein bester Herr! Ich habe gesehen!

– Parbleu, Madame, auch ich habe gesehen! Ich habe vor allen Dingen die vier Mauern der Bastille, die häßliche Nase des Kerkermeisters und den flammenden Blick des Herrn Gouverneurs gesehen. Diese Dinge noch einmal zu sehen, habe ich keine Lust.

– Bekennen Sie aufrichtig: sollten Sie deshalb nicht diese Visionen gehabt haben, um sie in ihrer Kritik als ungereimte Erscheinungen zu bezeichnen?

– In Wahrheit, Madame, das Gedicht »Ich habe gesehen« ist nicht von mir, ich werde es bis zum Ueberdrusse wiederholen, ich werde es vor Gott und den Menschen verneinen; und da Sie mich einmal dazu drängen, so muß ich Ihnen sagen, daß ich es, wenn ich mich mit der Satyre befasse, auf eine andere Weise angreife.

– Nun, wie würden Sie es angreifen? fragte Frau von Parabère, indem sie sich auf dem Sopha wälzte wie eine durch Sahne angelockte Katze.

– Erlauben Sie, Madame, dies für mich zu behalten; denn wenn irgend Etwas in Versen oder in Prosa erschiene, in dem sich dieselben Gedanken fänden, so würde man es mir zuschreiben, und ich habe an meinen Sünden genug, ohne die Anderer zu büßen.

Man kündigte das Mittagsessen an, das sehr gut war. Die Marquise war eine Feinschmeckerin, wie alle Leute von Geist. Sie eröffnete mir diesen Tempel, der mir bis dahin verschlossen gewesen, und ich war ihr dafür sehr verpflichtet.

Voltaire vergaß sein Gefängniß.und ward liebenswürdig. Er machte uns Complimente über den guten Ton, spottete über alle Welt, stichelte auf alle Lächerlichkeiten, und lästerte vorzüglich auf die Gräfin von Tencin, die er nicht leiden konnte. Sie behauptete nämlich, daß er sie sehr geliebt, und daß sie diese Liebe zurückgewiesen habe. Dies verzieh er ihr nicht. Ich zweifle daran. Voltaire hat die Frauen nie geliebt: er hat eine gelehrte und eitele Empfindung für Madame Düchatelet gehegt, welche sich dessen nur rühmte, indem sie seinen Geist hervorhob. Ich möchte indessen nicht beschwören, daß ihn auch irdischere Bande gefesselt haben. Zu ihrer Zeit werde ich die Liebschaften erzählen, von denen ich Zeuge gewesen bin, und man wird sehen, wieviel sich in den Sternen und in den Wolken zugetragen hat.

Als wir die Tafel verließen, fanden wir in dem Salon einen Herrn von mittlerem Wuchse, mit leutseligem Gesichte, vollkommen gutem Genehmen, einer großen Noblesse in seiner Haltung und mit einer geistreichen und zugleich guten Physiognomie.

Frau von Parabère, die mich bei der Hand führte, folgte ihrer Gewohnheit, indem sie mich bei seinem Anblicke losließ und zu ihm eilte.

– Ach, mein Herr, Sie sind schon da? sagte sie, indem sie sich leicht vor ihm verneigte. Sie sind liebenswürdiger, als Sie versprochen haben.

– Und das wünschten Sie vielleicht nicht! fügte der Fürst hinzu.

– Welche Thorheit! ich bin allein mit der jungen Freundin, von der ich Ihnen bereits gesagt habe, und mit Herrn von Voltaire.

– Der Niemand ist, mein gnädigster Herr, fügte dieser hinzu, indem er sich tief verneigte.

– Frau Marquise Du-Deffand, gnädigster Herr, fuhr das übermüthige Geschöpf fort, indem es mich zu dem Fürsten zog, eine liebenswürdige Frau, für die ich Ihre Güte erbitte. Ihr Mann ist im Dienste, es ist unmöglich, daß er nicht irgend eine Bitte an Sie zu richten hatte, die Sie ihm gnädigst bewilligen werden.

– Madame hat mir nur ihre Befehle zu ertheilen, und ich beeile mich zu gehorchen! antwortete der Fürst mit einem jener Blicke, welche die Frauen errathen und eine ganze Unterhaltung ausmachen.

Ich konnte nichts weiter finden als eine einfältige Verbeugung, einen jener Pfauen- oder Truthahn- Knixe, die Zeichen der Verlegenheit oder des Dünkels.

Der Fürst täuschte sich nicht darüber, er ließ mir Zeit mich zu fassen, und wandte sich lächelnd zu Voltaire, indem er sagte:

– Ach, Sie, Herr Prophet, Herr Raisonneur! Ich habe diesen Morgen an Sie gedacht.

– An mich, gnädigster Herr? Ich habe große Furcht. Liegt nicht etwas Bastille auf dem Grunde dieses Gedankens?

– Sie haben les Phillppiques nicht gemacht, Herr von Voltaire, Sie sind dessen unfähig, fuhr der Regent in bewegtem Tone fort.

– Hat man gewagt, mich dessen anzuklagen, gnädigster Herr? rief der beleidigte Dichter.

– Nein, nein, mein Herr! Der Verfasser verbirgt sich nicht, er ist La Grange Chancel, ein alter Page der Prinzessin von Conti, Haushofmeister bei meiner Mutter, der durch unser Haus ernährt und erzogen ist. Und dieser Mann beschuldigt mich, daß ich ein Blutschänder, ein Giftmischer, und Gott weiß was Alles sei.

Als Frau von Parabère sah, daß eine schmerzliche Bewegung in ihm aufstieg, wollte sie seine Hand ergreifen. Sie wußte, wie tief diese Wunde war, seit der Herzog von Orleans jene Verse kannte; er sagte Allen davon, die sich ihm näherten.

Der Fürst entzog sich ihr sanft.

– Beruhigen Sie sich, Madame, ich werde mich nicht mehr damit beschäftigen. Diesen Morgen habe ich Justiz geübt.

– Wie, gnädiger Herr! La Orange…

– Ich hoffe, Sie werden ihn rädern lassen? sagte rasch die Marquise.

– Nein, Madame, ich habe ihn kommen lassen und habe ihn gefragt, ob er alle Abscheulichkeiten dächte, die er geschrieben. Er hat mir mit Ja geantwortet.

– Um so besser! denn wäre es anders, so hätte ich Ihnen gerathen, ihn hängen zu lassen.

– Ich habe ihn einpacken und nach der Insel Saint-Marguerite schicken lassen, wo er nicht lange bleiben soll, da er nur mich beleidigt hat. In Bezug auf Sie, Herr von Voltaire, ist meine Gesinnung besser, als Sie glauben. Sie können zu meinem Schatzmeister gehen, der Ihnen eine Summe einhändigen wird, die dem Oedipus hilft, einen andern Erfolg erwarten.

– Ach, gnädigster Herr, wie dankbar bin ich Ihnen! Sorgen Sie stets so für meine Nahrung, aber beschäftigen Sie sich ferner nicht mehr mit meiner Wohnung.

Der Regent wollte antworten, als die Thür geöffnet ward, und ein Laquais den Grafen von Horn anmeldete. Das Gesicht des Fürsten zog sich augenblicklich zusammen, und Frau von Parabère ward feuerroth. Voltaire lächelte wie immer; aber er vermied es irgend eine Person anzusehen, sein Lächeln sagte genug.

Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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