Читать книгу Der Secretair der Marquise Du-Deffand - Александр Дюма - Страница 2

Erster Band
Zweites Kapitel

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Als ich mit Fräulein von Chamrond nach Paris kam, begrüßten wir zunächst unsere Verwandten bei Hofe. Dies übte einen großen Eindruck auf mich aus. Wir sahen die Herzogin von Luynes, die Choiseuls und noch viel Andere, die eine ganze Litaney machten, um die ich mich nicht mehr kümmere.

Die Pracht und die Gewohnheiten von Versailles blendeten mich; ich glaubte mich durch eine gute Fee, die meine Tante war, in eine unbekannte Welt versetzt, wo ich nur Prinzen und Prinzessinnen, die einen schöner als die andern, mit Gold und Diamanten bedeckt, sah, und alle schienen geneigt zu sein, mich mit Wohlthaten zu überschütten.

Ich bildete mir nun sehr häufig Chimären in meinem Kopfe. Diese werde ich Herrn Walpole nach meinem Tode lesen lassen, ihn, der mich stets anklagte, daß ich mit sechzehn Jahren romantisch gewesen sei, er würde sie als ein sehr schlagendes Argument benutzen, und ich werde mich hüten, ihn damit zu versehen.

Ich war in meiner Kindheit, nicht in meiner Jugend, wirklich romantisch, die Regentschaft gab dazu gute Anleitung, denn um diese Zeit ereignete sich Alles thatsächlich und nicht in Träumen; aber bis zu meinem Austritte aus dem Kloster waren dies Romane aller Gattungen in meiner Einbildung. Zuerst waren es Feenmärchen, dann wunderbare fromme Geschichten, und endlich Liebesgeschichten, ehe ich einmal wußte, so zu sagen, daß die Liebe existirte.

Ich muß hinzufügen, daß diese Zeit der Träume und Chimären die glücklichste meines Lebens war. Später habe ich nur zu viel Dinge gesehen, und zu viel Reelles, um gegen die Menschen nicht einen Widerwillen zu empfinden. Wenn ich sage die Menschen, so verstehe ich darunter eine Art, Männer und Frauen, denn wir sind Einer nicht mehr werth als der Andere. Ich gehöre jetzt keinem Geschlechte mehr an, und urtheile völlig unpartheiisch.

Was hätte ich, außer einer kleinen Zahl geliebter Freunde in dieser großen Menge mir gleichgültiger Geschöpfe, auf dieser Welt zu schonen, die ich nicht einmal mehr sehen kann?

Wir verwendeten vierzehn Tage zu unsern Ausflügen.

Man zeigte mir den König Ludwig wie er durch die Gallerie zur Messe ging. Ich sehe ihn noch: er war.noch nicht gebeugt, wie er von jener Zeit an erschien, er trug sein Haupt erhoben, und war sehr einfach gekleidet. Seine Blicke richteten sich auf mich.

Damals war ich schön, man weiß es, und sehr geputzt. Dies fiel ihm ohne Zweifel auf. Er fragte nach meinem Namen, und man sagte ihm denselben. Er grüßte durch ein kaum merkliches Zeichen, auf das mich meine Tante durch eine tiefe Verbeugung danken ließ. Dann ging er vorüber.

Ich sah auch die Prinzen und Prinzessinnen, deren ich mich nicht mehr erinnere; auch Frau von Maintenon, die ich nie vergessen werde.

Ihr Blick durchbohrte mich wie ein Degenstoß und machte mich erstarren. Ich ward ihr durch die Luynes vorgestellt. Sie empfing mich gut, aber mit jener gefühllosen, kalten Frömmelei, die umsonst ihres Gleichen sucht.

Ich habe immer gewünscht, fromm zu werden, aber nicht auf diese Weise. Diese Leute sind nach Berechnung und System fromm, sie lieben Gott mit ganzem Geiste, aber nicht mit ganzem Herzen, und deshalb sind sie für mich besondere Wesen, die ich mit den andern nicht in gleiche Gattung bringe. Ich bin deren vielen in meinem Leben begegnet, aber keinem von dieser Allgewalt.

Frau von Maintenon war eine Person, die man als eine Ausnahme betrachten muß; man würde ihr nicht volle Gerechtigkeit widerfahren lassen, da man sie nicht lieben kann. Vom Gesichtspunkte des Egoismus aus, hatte sie eben so große und ausgedehnte Pläne als der erste Politiker Europa's; während vieler Jahre leitete sie das Königreich zwar nicht auf eine untadelhafte, aber auf eine gleiche, feste Weise, und dies ist seltener als man wohl glauben möchte. Die Leute, die sich ein Ziel stecken, und von der Erreichung desselben nicht ablassen, sind nicht so gewöhnlich, als daß man an ihnen vorüber gehen könnte, ohne sie im Gedächtnisse zu behalten.

Nachdem die Besuche und Spaziergänge abgemacht, übergab mich meine Tante den Händen der Klosterfrauen. Sie sagte mir schluchzend Lebewohl und verließ kummervoll die Straße Charonne.

Sie hatte um die Erlaubniß nachgesucht, zwei Tage in einem Zimmer des Klosters verbleiben zu dürfen, um mich zu gewöhnen, wie sie sagte. Dies hatte sie nicht nöthig, denn ich fand mich sogleich in meine neue Lage.

Das Ordenshaus war reizend; es galt für ein streng nach der Ordensregel eingerichtetes. Von den Zeiten der Regentschaft an ward es erst übel berüchtigt, woran Herr von Argenson die Schuld trug. Voltaire hat Recht.

»Dieser gute Regent, der Alles verwöhnte in Frankreich,« denn er verwöhnte selbst das Kloster Madeleine du Traisnel!

Die Frau Aebtissin, eine vortreffliche Person, und zwei oder drei Nonnen, von denen die Schwester Engel-Marie ein Wunder von Schönheit war, wurden meine Freundinnen. Die Äbtissin wollte, daß ich in ihrem Zimmer schliefe; dies machte die Mißgunst meiner Freundinnen rege, die mich Alle um dieses Glück beneideten.

Man pflegte und verzärtelte mich, man überfütterte mich mit Naschwerk, ohne der feinen Mahlzeiten und der Leckereien von Geflügel und Wildpret zu gedenken, deren sich die Nonnen nicht gern berauben. Man muß ihnen diese unschuldigen Vergnügungen hingehen lassen, um sie zu verhindern, andere zu suchen.

Ich fand diese Lebensordnung sehr angenehm. Meine weißen Kleider gefielen mir; aber so waren auch die der Nonnen, vorzüglich ihre Chorröcke, ganz vortrefflich.

Der Garten war mit den schönsten Blumen und Früchten angefüllt. Man ließ mich eine reichliche Erndte machen. In dem Sprechzimmer wurden täglich Gesellschaften abgehalten, zu denen eine Menge Damen und Herren kamen.

Die Frau Aebtissin war sehr liebenswürdig in ihrer Unterhaltung. Sie nahm Besuche in ihrem besondern Sprechzimmer an, ohne Gitter, und zwar zu allen Stunden, selbst des Abends. Die Pensionärinnen hatten keinen Zutritt zu diesem Zimmer, es sei denn, daß sie besonders dazu geladen waren. Dieser Gunst erfreuten sie sich nie vor dem sechzehnten oder siebzehnten Lebensjahre.

Das Sprechzimmer der Nonnen bot den gewöhnlichen Anblick der in den Klöstern üblichen. Es war durch ein Gitter in zwei Hälften getheilt, hinter dem sich die Nonnen und die ihrer Sorge anvertrauten Kinder befanden. Zuweilen ward uns erlaubt, die Grenzen des Gitters zu überschreiten; aber unsern Lehrerinnen niemals.

Auf der andern Seite sahen sich Damen in Toilette, junge lebhafte Männer, Militairs, Abbés und große Herren. Financier's traf man wenig, sie nahmen nicht Theil an dieser ausgezeichneten Gesellschaft. Alles schwatzte und kokettirte wie in dem königlichen Palaste zu Trianon. Man lachte laut auf, man erzählte Anekdoten, man las Verse. Das Gitter war durchaus nicht lästig, man überging es, wenn nicht in der That, so doch im Sinne, und ich habe einige Male zu dem Marquis La Fare sagen hören:

– Seit der Hof fromm geworden ist, schwatzt man nirgends mehr, als in den Sprechzimmern der Klöster.

In den Winkeln flüsterte man, das Gesicht in dem Schiebfensterchen. Dies waren stets junge Nonnen und junge Damen, mitunter auch junge Herren. Sie liefen einem Schatten nach, wenn sie die Beute nicht haben konnten.

Außerdem aß man Zuckerwerk und Orangenkuchen, wegen deren das Kloster eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte. Ueberall herrschte Fröhlichkeit und gute Laune; nirgends sah man eine Thräne, gewahrte man Kummer. War ja einmal eine Unruhe vorhanden, so ward sie durch den Schleier und die Clausur verheimlicht. Dieses mit weltlichen Zerstreuungen geschmückte zurückgezogene Leben floß wie ein Bach zwischen zwei blumigen Ufern dahin; die Dornen verbargen sich, und der Duft allein stieg empor.

Ich möchte eine Nonne sein, und zwanzig Jahre zählen. In diesem Alter bildet sich in der Seele und in dem Dasein eine Mischung von Lebensschwierigkeiten und Klosterzänkereien, die, wenn man Beide wie die Oberfläche eines Korbes betrachtet, einen ungemeinen Reiz gewähren. Später ändern sich die Ansichten; das Gleichgewicht verliert sich, der Ueberdruß wird stärker, die Frömmigkeit läßt nach und formt sich nach der Gewohnheit; man murmelt Gebete her, dreht den Rosenkranz zwischen den Fingern und geräth nicht mehr in Entzückung: man sorgt für den Beichtvater, stickt ihm Bilderchen und bereitet ihm Leckereien, aber man geht nicht allein mehr in die große Kastanien-Allee, stundenlang niederzuknieen und zu beten; man geht nicht mehr in die Kapelle, um mehr unter den Heiligen des Paradieses, als unter den Menschen zu leben. Die Alten gehen noch in das Sprechzimmer, aber sie bringen das ruhige, sorgenlose Gewissen nicht mit, jene verschlossene Freuden und himmlische Hoffnungen, die süßer sind als die Wirklichkeit. Sie fragen mehr nach den politischen Neuigkeiten und nach den Ministern, als nach der neuen Mode und niedlichen Hofintriguen. Die alten Nonnen mit einem Worte sind zweimal alt, während die jungen auch zweimal jung sind, in ihrer wahren Jugend nämlich und in der Jugend der Träume und Illusionen, die sie sich außer ihren Mauern machen. Sie sehen nur die schöne Seite der Dinge, und haben keine Ahnung von dem Kummer in dieser Freiheit, die sie in den bösen Tagen beneiden.

Von der harten Lebensweise, von den Fasten, von den gräßlichen Strafen und den in pace, aus denen die Philosophen Schreckbilder machen, habe ich keine Spur gesehen.

Die Nonne, von Diderot, ist ein abgeschmackter Roman unserer Zeit. In dem Mittelalter vielleicht, als die Unduldsamkeit ihr Scepter noch schwang, mag man sich wohl Uebertreibungen dieser Art zu Schulden haben kommen lassen; aber seit wenigstens einem Jahrhunderte sind die Klöster, ich bürge dafür, rein von solchen Gräuelthaten. Man kann mir glauben, denn ich bin leider nicht fromm geworden, ich habe es stets gewünscht, ohne zum Zwecke zu gelangen.

Meine Schwester Engel-Marie ist die willfährigste, die heiterste und die duldsamste der Frauen, wie sie die schönste unter ihnen ist.

Denken Sie sich einen blühenden Frühling, der tausend berauschende Wohlgerüche um sich verbreitet, einen Sonnenstrahl, der die Orte erheitert, wo sie wandelt, wie die Schäferin von Lafontaine.

Sie besitzt eine Eleganz in ihrem Gange und in ihren Bewegungen, wie ich sie bis jetzt noch bei keiner Person gesehen habe. Dieses Mädchen stammt aus Poitou und nennt sich Fräulein de la Jousselière. Sie hat sich dem Kloster gewidmet, um einem Bruder, den sie hatte, ein kleines Vermögen ungeschmälert zu lassen, und den man im Dienste emporbringen wollte, denn er zeigte große Anlagen dazu,

Sie liebte diesen Bruder mit großer Zärtlichkeit. Nichts war bewundernswürdiger als sie zu hören, wenn sie von ihm sprach. Als man ihr das Bedauern darüber äußerte, sie in ihrem Alter, ein Muster von Schönheit. in dieser Abtei eingesargt zu sehen, antwortete sie lächelnd, wobei sich ihre Perlenzähne zeigten:

– Was nennen Sie eingesargt? Ich bin durchaus nicht eingesargt, ich fühle vollkommen, daß ich am Leben bin. Ich habe es wie unsere Patronin Magdalene gemacht, ich habe mir den besten Theil erwählt. Mein Bruder hat bereits eine schöne Stufe erstiegen, er schreitet vorwärts und wird seinen Weg schon machen. Nennen Sie das ein Opfer, daß ich es habe bis zu dem Glücke bringen können, ihm zu helfen? Wenn Sie dies nickt begreifen, so kommt es daher, daß Sie die Liebe zweier Waisen für einander nicht kennen. Wir besitzen nichts als unsere gegenseitige Liebe, und ich habe den guten Gott als den Dritten in unsern zärtlichen Bund gezogen. Ich glaube, daß er in diesem Bunde nichts verderben wird.

Leider verlor das arme Mädchen diesen Bruder bei Danain. Mit Ruhm bedeckt, sank er auf einem Haufen von Feinden nieder, die seine Hand getödtet hatte.

Der Marschall Villars ließ ihn in einer Fahne begraben, die er erobert hatte, und bewilligte ihm eine besondere Erwähnung.

Engel-Marie ward nun ganz gottesfürchtig, am Fuße des Altars beweinte sie ohne Unterlaß den verlorenen Helden. Sie überlebte ihn nicht lange. Ich war bis zu ihren letzten Augenblicken bei ihr, ich habe sie sehr bedauert.

Wir waren zwar sehr glücklich in dem Kloster, aber wir waren auch sehr unwissend. Man lehrte uns Nichts. Richtig lesen und schreiben, sehr oberflächliche Kenntnisse in der Geschichte, die vier Species im Rechnen, einige Stickarbeiten und sehr viel Paternoster – das war Alles.

Dieser Unterricht war durchaus nicht geeignet, um uns zu Gelehrten und Schöngeistern zu machen.

Was mich anbetrifft, so fand ich den Müßiggang damals sehr süß, jetzt finde ich ihn sehr bitter, denn ich habe tausendmal die Unzulänglichkeit dieser Erziehung gefühlt.

Die Männer haben mit Unrecht einen großen Vorzug vor uns. Man macht sich über uns lustig, wenn wir bis zu einer gewissen Ueberlegenheit gelangen; man verachtet uns, wenn wir in den gewöhnlichen Reihen bleiben, und nimmt uns die Mittel emporzukommen.

Wenn die Frauen, selbst diejenigen, die man anführend nennt, oft mittelmäßig gewesen sind, so kommt dies daher, daß sie ihren Muth und ihre Kraft zur Besiegung der Hindernisse angewendet haben, die ihren Pfad bedeckten. Ich habe deren tausend überall gefunden, und finde deren heute noch bei den einfachsten Dingen. Ein alter Mann wird nicht so von der Langweile geplagt, wie ich.

Es macht mir kein Vergnügen, Ihnen alle Vorfälle meines Pensions -Lebens zu erzählen. Sie sind wenig interessant, mit Ausnahme eines einzigen, den ich Ihnen morgen erzählen werde, nicht etwa, weil er meine Person betrifft, oder vielleicht aus eben diesem Grunde. Es ist das erste Auftreten einer Person, von der ich später zu reden haben werde, und zwar in andern Ausdrücken. Dies beweist uns wieder einmal, daß man an den Anordnungen Gottes nichts ändern muß, denn wir können nicht so gut handeln, als er.

Meine Schwester Engel-Marie hatte in ihrer Zelle ein Jesuskind von Wachs, umgeben von einer Blumenfolie und spanisch gekleidet, ein niedliches Ding nach der alten Mode.

Eine meiner Genossinnen und ich, wir hatten entdeckt, daß dieses Bild, vor dem die Schwester, und nicht minder die übrigen Nonnen, eine lebhafte Verehrung zeigte, nichts als eine Puppe war, welche die Königin Anna von Oesterreich vorstellte, als sie Ludwig XIII. zu heirathen im Begriffe stand.

Man hatte sie geschickt, um einen Begriff von diesen spanischen Kleidern zu geben, und um zu wissen, ob man sie für die Damen bei der Heirath des Königs adoptiren sollte.

Dieses Bild war von einem Manne in Sevilla gefertigt, der ein besonderes Glück in solchen Arbeiten hatte. Der Kardinal Richelieu hatte es einer seiner Verwandten, einer Priorin des Klosters von Traisnel geschenkt, und diese hatte auf der Stelle ein Christkind daraus gemacht, indem sie der Puppe ein Kreuz in die Hand gab.

Diese Geschichte war auf ein altes, vergilbtes Blatt Papier geschrieben, das wir sorgfältig verborgen in der Muschelgrotte fanden, in der das Christkind aufgestellt war. Die kleinen Mädchen durchstöberten jeden Winkel.

Wir machten nun unsern Fund bekannt, ohne uns um die verletzten Gläubigen weiter zu kümmern. Man zankte uns aus, und man hatte Unrecht, denn wir konnten noch nicht schlecht handeln.

Ich erzähle diesen Vorfall, weil er einen großen Einfluß auf die übrige Zeit meines Aufenthaltes im Kloster ausübte, selbst auf die übrige Zeit meines Lebens. Gebe Gott, daß dieser Einfluß nicht sehr groß auf mein ewiges Heil sein möge. Dies werde ich wahrscheinlich bald erfahren.

Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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