Читать книгу Der Secretair der Marquise Du-Deffand - Александр Дюма - Страница 8

Erster Band
Achtes Kapitel

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Ich hatte also Paris, Larnage, Frau von Luynes und Frau von Creance verlassen, und lebte in meinem väterlichen Hause. Ich hatte tiefe Trauer angelegt und weinte um meine Mutter, mehr weil die Andern sie beweinten, als aus eigenem Schmerze, denn ich erinnerte mich ihrer kaum noch, ich war ja seit so vielen Jahren von ihr getrennt gewesen. Ich wußte, daß sie gut war, daß sie mich liebte, daß sie mich selbst verzog, und daß die Andern mich nicht verzogen, aber bei mir war der Geist stets die vorherrschende Eigenschaft gewesen; meine Mutter sprach weniger zu meinem Geiste als meine Tante, und ich zog ihr aus diesem Grunde meine Tante vor. So lebte ich eingezogen und sehr traurig in Chamrond. Ich dachte oft an Larnage, der mir ganze Bände schrieb, bedauerte Paris, hegte den Wunsch, mich zu verheirathen, um dieser physischen und moralischen Unbeweglichkeit zu entgehen, und entdeckte nirgends einen Heirathscandidaten, der Luft zu mir, oder zu dem ich Lust gehabt hätte. Es ist eine alberne Idee, das Glück in die Führung und in den Willen eines Andern zu setzen, aber dennoch ist das Leben der Frauen kein anderes Ding. Verdammt zu einer steten Abhängigkeit, unterwerfen sie sich unwillkürlich dem Schicksale, das man ihnen auferlegt, sie tragen die Folgen desselben, und wenn diese Folgen sie erdrücken, so schreibt man ihnen noch die Schuld zu. Die Gerechtigkeit der Welt ist nun einmal so, alle mögliche Philosophie wird sie nicht besser machen; ich selbst habe viel gelitten, um mich zu fügen.

Dieses Landleben, bei dem mein Geist so wenig Nahrung fand, ward mir täglich unerträglicher. Ich würde den Teufel geheirathet haben, wenn er als Edelmann verkleidet gekommen wäre, und mir ein leidliches Leben zugesichert hätte. Leider stellten sich nur Teufel ohne einen Heller Geld ein, und das Elend ist mir stets schrecklich gewesen. Auf die Erinnerung an Larnage gab ich viel, ich sah ihn schon als den vom Souverain anerkannten Enkel, vom Souverain in der Thai, wenn auch nicht nach dem Rechte – denn nach meiner Politik konnte es nicht fehlen, daß der Herzog von Maine den Herzog von Orleans überwog, und ihn unter die Regentschaft stellte. Der arme Sire schrieb mir jede Woche seine Hoffnungen, er bauete prächtige Schlösser, deren Zweck natürlich ich war. Seine Liebe zu mir war so heiß, daß ich mich an ihrem Wiederscheine erwärmte, und daß es mir mitunter vorkam, als liebe ich ihn. Dann schwärmte ich in köstlichen Entzückungen unter den großen Bäumen des Parks, und ich sah meinen Geliebten in seiner Glorie. Ich vergötterte ihn, wie es junge Mädchen von achtzehn Jahren zu thun pflegen, ehe sie aus eigener Erfahrung wissen, daß es keinen andern Gott als den dort oben giert, und daß alle andern Contrebande sind.

So verflossen die Wochen, dann die Monate, dann die Jahre. Mein Muth begann zu sinken, und die Zeit kam mir sehr lang vor. Zwanzigmal sah ich täglich in den Spiegel, um mich zu überzeugen, daß ich noch nicht alterte, und daß ich immer noch schon sei. Ich gab mich endlosen Lectüren hin, und ging sehr oft zur Beichte, aber leider nicht aus Frömmigkeit, sondern um dem Beichtvater meine Gedankensünden zu erzählen, da ich ihm keine anderen erzählen konnte, obgleich ich große Lust dazu hatte. Ich wandte alle nur erdenklichen Mittel an, die Langweile ward immer größer. Meine Tante selbst war zu ohnmächtig, sie zu beschwören, ihre Zärtlichkeit scheiterte an dieser Klippe.

Sie nahm mich mit zu Herrn von Toulongeon, bei dem eine Zusammenkunft des Adels stattfand. Wir sollten dort einen Monat bleiben. Sie hoffte mich zu zerstreuen, meine Ideen zu ändern, und vielleicht auch auf den Festen jenen bis jetzt unauffindbaren Mann zu finden. Ich reiste ab, ohne Vergnügen zu empfinden, ich dachte nicht einmal an meinen Putz, der, ich bekenne es, sehr einfach war, und wäre meine Tante nicht gewesen, so hätte ich die Reise in der Nachtmütze und mit leerem Koffer angetreten. Glücklicherweise hatte die gute Fee Vorsorge getragen; sie hatte mir von Dijon zwei vollständige Anzüge kommen lassen, einen für den Morgen, einen für den Ball, die, mit einigen aufgeputzten Schmucksachen meiner Mutter, eine anständige Garderobe bildeten. Ich verlangte nicht einmal so viel.

Am ersten Tage sah ich nichts in dieser mir fast unbekannten Menge, ich zeichnete nichts aus, und hörte nur die gewöhnlichen Complimente, ohne mich darum zu kümmern. Unter der Zahl der Gäste befand sich der Abbé de Saint Croix, ein römischer Prälat, Kammerherr des Papstes, ein geistreicher, feiner und unendlich liebenswürdiger Mann. Er lebte in Italien und war nur auf einige Monate nach Burgund gekommen, wo er Verwandte hatte. Der Zufall brachte uns einander näher, er griff mich mit Worten an, und nahm sich vor, mich zum Reden zu bringen. Ich hielt ihn würdig mich zu vernehmen, und erzählte ihm meine Chimären, fast ohne mich dessen zu versehen, und einzig und allein, weil er mich dazu trieb. Durch seine Fragen ermuthigt, ging ich in meiner Vertraulichkeit sehr weit: ich gestand ihm mein Verhältniß zu Larnage, denn ich hatte nur dies zu gestehen; ich gestand unsere Hoffnungen, unsere thörichten Träume, er lächelte, sah mich an, und nach einer Pause sagte er:

– Ich will Sie verheirathen!

– Sie wollen mich verheirathen?

– Ja, mein Fräulein, und wenn Sie vernünftig sind, so nehmen Sie den Mann an, den ich Ihnen bestimme. Sie erreichen bald das zwanzigste Jahr, das schönste Alter! Später steigt man auf der schlechten Seite des Berges hinab, dies ist der Augenblick, wo man still stehen muß – denken Sie es nicht?

– Mein Herr, ich habe Ihnen meine Gedanken vielleicht nur zu deutlich zu erkennen gegeben.

– Welche Thorheit! Halten Sie mich für einen Abbé vom Hofe? Hören Sie meinen Vorschlag: Was würden Sie zu einem Edelmanne aus sehr altem Geschlechte sagen, dessen Ahnen in den Jahrbüchern von Burgund verzeichnet stehen, selbst unter den Herzögen, der Colonel eines Dragoner-Regiments und Marquis ist, und mir die Ehre erweist, mich seinen Cousin zu nennen?

– Der letzte Grund ist ohne Zweifel der beste. Sie haben mir die guten Eigenschaften genannt, kommen wir auch zu den Fehlern.

– Er besitzt ohne Zweifel Fehler, denn keiner von uns ist frei davon; aber er besitzt deren nur wenig. So wird er zum Beispiel Lieutenant-General der Orleanisten sein, eine Charge, die seine Familie seit 1666 besitzt.

– Ach, mein Herr, Sie jagen mir eine erschreckliche Furcht ein! Ihr Bräutigam muß ja eine Art von Ungeheuer sein, daß Sie so lange zögern, es mir zu sagen.

– Ich muß bekennen, daß er nicht schön ist, aber er hat…

– Eine edele Gestalt und Verdienste. Gehen wir weiter – ich kenne diese Ausflüchte.

– Er besitzt die Anmaßung nicht, je in die Academie-Francaise aufgenommen zu werden.

– Ich noch weniger, das schwöre ich Ihnen!

– Man behauptet, daß er langweilig ist.

– Ah, das ist schon wichtiger!

– Daß er einen schwachen Charakter hat, und leicht zu leiten ist.

– Um so schlimmer! So mögen wir Beide thun und lassen, was wir wollen, wir werden den Dummköpfen zu reden geben.

– Wenn man ihnen kein Futter giebt, so nehmen sie es sich. Es ist besser, wenn man freiwillig und mit Anstand giebt.

– Sie wissen auf Alles zu antworten. Aber werden Sie auch auf mein Unglück zu antworten wissen, wenn ich darüber Rechenschaft von Ihnen fordere?

– Sie werden nicht unglücklich sein.

– Warum denn?

– Weil Sie zu viel Geist besitzen. Mit einem Geiste, wie der Ihrige ist, nimmt man das Leben stets von der guten Seite, das Uebrige laßt man den Dummen.

– Die es nicht aufheben, mein Herr, Verleumden Sie die Dummen in Bezug auf das Glück nicht, sie kennen es besser, als irgend Jemand.

– Wollen Sie meine Cousine werden?

– Hängt es von mir ab?

– Durchaus nur von Ihnen. Ihre Familie wird keine Schwierigkeiten machen. Ihr Herr Vater ist sehr willfährig, sagt man; und Ihre Vormünder von mütterlicher Seite – wer sind sie?

– Meine Großmutter und Herr Boutillier von Chavigny, mein Onkel.

– Ich werde mit ihnen reden; aber ich verhehle es nicht, daß Sie mir mehr Besorgniß einflößen, als alle Uebrigen zusammen.

– Ich bin wirklich sehr schwer zu verführen. Aber ich werde ja sehen.

– Bald?

– Bevor ich dieses Haus verlasse, das verspreche ich Ihnen, mein Herr!

– Das ist zu lange. Ich kann Ihnen nicht mehr als drei Tage bewilligen. Ich muß nach Rom zurückkehren, und zuvor möchte ich die Angelegenheit beendet haben. Denn ich bin es, der Sie verheirathet.

– So weit sind wir noch nicht!

– Wir werden dahin kommen!

– Kann ich den Namen Ihres Auserkorenen wissen?

– Nur dann erst, wenn Sie mir Ihre Antwort ertheilt haben werden.

Ich mußte mich fügen. Wir verplauderten den Nest des Abends, aber von der Heirath war nicht mehr die Rede. Nichtsdestoweniger dachte ich immer daran, ich schwieg gegen meinen Willen, und der gleichgültigen Dinge kamen nur wenig über meine Lippen, da sie meinem Herzen so fern lagen. Meine Blicke schweiften durch das Zimmer, und zufällig richteten sie sich nach einem sehr dunkelen Winkel, in dem sich drei Männer befanden, die ich nicht kannte. Zwei von ihnen waren mir gleichgültig; der dritte war zwar nicht bemerkenswerther, aber er erregte dennoch meine ganze Aufmerksamkeit. Er war erst am Morgen angekommen, und ich hatte ihn noch nicht gesehen.

Dieser Mann schien ungefähr dreißig Jahre alt zu sein, hatte eine gewöhnliche Leibesgestalt, ein gewöhnliches Gesicht, ein gewöhnliches Benehmen, mit einem Worte, in jeder Beziehung ein gewöhnliches Aussehen, das mich wie ein Blitzstrahl berührte.

– Der dort ist Dein künftiger Mann! flüsterte mir eine unerklärliche Ahnung zu. Ganz gewiß, er ist es.

Ich zeigte ihn dem Abbé von Sainte-Croix; er lächelte über meinen Scharfsinn.

– Nun, sagte er, da Sie es errathen haben, will ich es Ihnen nicht verbergen – er ist wirklich mein Cousin. Wie finden Sie ihn?

– Noch finde ich ihn gar nicht, mein Herr, es wird mir unmöglich sein, mir eine Meinung von ihm zu bilden, und ich wollte, daß er überhaupt Niemandem eine Meinung einflößt.

– Das ist eine vortreffliche Eigenschaft. Wenn das Ansehen nichts verspricht, hat man nichts zu halten, und Alles, was man giebt, wird höher angeschlagen, als es werth ist.

– Wie nennt sich dieser Bewerber? Sagen Sie es mir nicht, so werde ich es in fünf Minuten wissen, wenn ich will.

– Er ist der Marquis Du-Deffand.

Ich begnügte mich damit, und gab dem Gespräche eine andere Wendung. Man trennte sich. Ich dachte die ganze Nacht darüber nach und erwog den Vorschlag nach allen Seiten. Ich dachte mir diesen Mann schon als meinen Gatten, diesen Mann, der nichts zu sein schien, der so wenig geschaffen war, um etwas zu werden, weder als Mensch, noch als Gatte.

Neben diesem häßlichen Phantome erschien mir Larnage, der so schöne, reizende, feurige, zärtliche Larnage. Aber Larnage war der vergessene Sohn eines Prinzen, der ewige Secretair des Herzogs von Luynes, ohne Aussicht auf eine bessere Anstellung. Konnte dieser Larnage, der weder Vermögen besaß, noch hoffen durfte, je eins zu erwerben, konnte er ein Fräulein von Chamrond heirathen? War jener dort ein Ehemann? Ohne Zweifel nein! Da Herr Du-Deffand jedes nothwendige Verdienst besaß, so fehlte ihm nichts dazu.

Die drei Tage verflossen unter Beobachtungen, es ward kein Wort gesprochen. Der Abbé zog Herrn Du-Deffand zwei oder dreimal in unser Gespräch. Ich muß ihm Gerechtigkeit widerfahren lassen und hinzufügen, daß er uns wenig lästig war, weil er nicht viel sprach. Zu der Gewißheit war ich wenigstens gelangt, daß er mir durch seine Reden nie Ungelegenheiten bereiten würde, und dies war schon eine Beruhigung,

Was soll ich Ihnen noch mehr sagen? Die drei Tage Verflossen. Es war mir langweilig, Mädchen zu sein, es war mir langweilig, ewig den Namen meines Vaters zu tragen. Diese Langweile war meine tödlichste Feindin, und ich glaubte, daß ich mich mit einem Ehemanne weniger langweilen würde. So gab ich denn meine Zustimmung, und erlaubte dem Abbé von Sainte-Croix, Herrn Du-Deffand in der Eigenschaft als Bewerber um meine Hand mir vorzustellen.

Ich erzählte meiner Tante diese Geschichte. Man schrieb an meinen Vater, an meine Vormünder, und nach kaum einem Monate war Alles fertig, Alles entschieden.

Diejenigen, die mich kennen, wissen recht gut, daß ich nie von meinem Manne spreche, und daß ich ihn betreffende Unterhaltungen nie geduldet habe; es wird ihnen nicht ungewöhnlich erscheinen, wenn ich mich bei den Einzelheiten meiner Verheirathung aufhalte. Gewisse Handlungen, gewisse Gedanken müssen sich vor den Augen Aller verbergen. Was auch immerhin ein Ehemann Unrechtes gethan hat, wozu wäre es gut, es zu veröffentlichen? Und mag er sich immerhin gut betragen haben, es geht Niemanden an. Die Geheimnisse des Innern müssen nach meiner Ansicht, fromm bewahrt werden. Man darf sich daher nicht wundern, wenn in diesen Memoiren von Herrn Du-Deffand selten die Rede ist. Ich kündige es Ihnen, mein lieber Leser, im Voraus an, daß wir uns nur wenig mit ihm beschäftigen werden, zumal da er so schnell aus meinem Leben entschwunden ist, in dem er einen höchst unbedeutenden Platz einnahm.

Meine Heirath fand am 2. August 1718 auf Chamrond statt, im dritten Jahre der Regentschaft, also in der günstigsten Zeit, um die Welt, wie sie damals war, zu sehen und zu beurtheilen. Es war ausgemacht, daß wir sofort nach Paris abreisen sollten, und dieser Plan ward auch ausgeführt, als die Hochzeitsfestlichkeiten zu Ende waren. Ein großer Seufzer der Erleichterung entquoll meiner Brust, als ich Burgund verließ. Ich glaubte den Himmel auf dieser glücklichen Reise geöffnet zu sehen. Dieser Himmel sollte sich aber nur zu bald wieder schließen. Ich hatte nicht Zeit, ihn zu betreten.

Der Secretair der Marquise Du-Deffand

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