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Erster Band
IV
Der schwarze Wolf

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Thibault ließ sein erstes Geschäft darin bestehen, daß er sich Etwas zu Gemüthe führte, denn er war sehr erschöpft.

Der Tag war ereignißreich, und unter seinen Ereignissen waren mehrere von der Art gewesen, daß er wohl einen langen Magen davon bekommen konnte.

Sein Abendbrod war bei Weitem nicht so schmackhaft, als er sich bei seiner Jagd auf den Damhirsch gelobt hatte.

Aber der Damhirsch hatte sich, wie wir bereits erzählt, von Thibault nicht erlegen lassen, und so mußte der schreckliche Heißhunger, der den unglücklichen Wilderer quälte, seinem schwarzen Brod den Damhirschgeschmack verleihen.

Kaum hatte dieses äußerst bescheidene Mahl begonnen, als Thibault bemerkte, daß seine Ziege – wir glauben gesagt zu haben, daß er eine Ziege besaß – ganz verzweifelt blöckte.

Er dachte, daß sie ebenfalls nach einem Abendbrod verlange, holte also unter dem Schirmdach einen Armvoll frisches Gras und wollte es ihr bringen.

Als er das Stallthürchen öffnete, sprang die Ziege so heftig heraus, daß sie ihren Herrn beinahe umgeworfen hätte.

Sodann jagte sie, ohne das Futter zu berühren, das Thibault ihr brachte, ins Haus.

Thibault warf seinen Vorrath zur Erde und fing das Thier ein, um es in seine Wohnung zurück zubringen. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Er mußte Gewalt anwenden, und auch der Gewalt setzte das arme Thier die ganze Widerstandskraft entgegen, deren eine Ziege fähig ist, indem es sich auf seine Hinterbeine stemmte, während der Holzschuhmacher es an den Hörnern zerrte.

Nach langem Kampf gab sich die Ziege endlich überwunden und ging in ihren Stall zurück.

Aber obschon Thibault ihr mehr als genug Futter dagelassen hatte, stieß sie fortwährend klägliche Töne aus.

Voll Ungeduld und Aerger stand der Holzschuhmacher zum zweiten Male von seinem Tische auf und öffnete den Stall von Neuem, aber so behutsam, daß die Ziege nicht ausreißen konnte.

Dann tappte er mit seinen Händen in allen Ecken und Winkeln umher, um der Ursache dieser Beängstigung auf den Grund zu kommen.

Auf einmal geriethen seine Finger in den dicken und warmen Pelz eines fremden Thieres.

Thibault war kein Hasenfuß, nichts weniger.

Gleichwohl zog er sich eiligst zurück.

Er ging in seine Stube, nahm das Licht und kam in den Stall zurück.

Die Lampe wollte seinen Händen entfluten, als er in dem Thier, das seine Ziege so sehr erschreckt hatte, den Damhirsch des Barons Jean erkannte, denselben, den er verfolgt, gefehlt und sich im Namen des Teufels gewünscht hatte, da er ihn in Gottes Namen nicht bekommen konnte; denselben, an welchem sämmtliche Hunde irre geworden waren, und der ihm so schöne Prügel eingetragen hatte.

Thibault näherte sich ihm sachte, nachdem er sich versichert, daß die Thüre fest verschlossen war.

Das arme Thier war entweder so abgehetzt oder so merkwürdig zahm, daß es keine Bewegung machte, um zu entfliehen, sondern blos mit seinen großen schwarzen Sammtaugen, denen die Angst noch mehr Ausdruck verlieh, Thibault ansah.

»Ich muß die Thüre offen gelassen haben,« brummte der Holzschuhmacher vor sich hin, »und so hat sich der Damhirsch, der kein anderes Versteck mehr finden konnte, hierher geflüchtet.«

Aber als er seine Erinnerungen zusammensuchte, entsann er sich ganz genau, daß, als er vor zehn Minuten den Stall zum ersten Male hatte öffnen wollen, der hölzerne Thürschieber so fest zugedrückt gewesen war, daß er ihn mit einem Stein hatte aufschlagen müssen.

Ueberdies würde die Ziege, die, wie man gesehen hat, der Gesellschaft des neuen Gastes keinen sonderlichen Geschmack abzugewinnen schien, diese Gelegenheit zur Flucht benützt haben, wenn die Thüre offen gestanden hätte.

Sodann bemerkte Thibault bei genauerer Betrachtung, daß der Damhirsch mit einem Strick an die Raufe gebunden war.

Obschon es unserem Holzschuhmacher, wie gesagt, »keineswegs an Muth gebrach, so begann doch jetzt ein kalter Schweiß in dicken Tropfen an seinen Haarwurzeln zu Perlen, ein seltsamer Schauder überlief ihn am ganzen Leib, und seine Zähne klapperten laut an einander.

Er verließ den Stall, verschloß ihn und suchte seine Ziege wieder auf, welche den Augenblick, wo der Holzschuhmacher Licht geholt, zur Flucht benützt und sich in der Herdecke niedergelegt hatte, allem Anschein nach fest entschlossen, diesmal einen Platz nicht wieder aufzugeben, den sie, wenigstens für die kommende Nacht, ihrem gewöhnlichen Lager weit vorzuziehen schien.

Thibault erinnerte sich ganz genau des gottlosen Wunsches, den er an den Satan gerichtet; aber obschon er zugestehen mußte, daß dieser Wunsch auf eine wunderbare Art in Erfüllung gegangen war, so konnte er doch an keine wirkliche Einmischung des Teufels glauben.

Da ihm jedoch diese Gönnerschaft des Geistes der Finsternis; instinctmäßig Furcht einflößte, so versuchte er zu beten; aber als er seine Hand zur Stirne erheben wollte, um das Zeichen des Kreuzes zu machen, da versagte ihm sein Arm allen Dienst, und obschon er bisher tagtäglich sein Ave Maria gesprochen hatte, so fiel ihm doch seht nicht ein einziges Wörtchen davon ein.

Während unser armer Thibault sich mit diesen beiden vergeblichen Versuchen abquälte, ging es in seinem Innern schrecklich wild und wirr durch einander.

Die bösen Gedanken strömten ihm von Neuem so massenhaft zu, daß er ihr Geflüster in sein Ohr zu hören meinte, wie man das Getöse der Wogen hört, wenn die Fluth steigt, oder das Geknister in den Bäumen, wenn der Winterwind durch die entblätterten Zweige fährt.

»Am Ende,« murmelte er mit bleicher Stirne und starrem Auge, »ist dieser Damhirsch, ob er nun von Gott oder vom Teufel kommt, immerhin ein guter Fund, und ich müßte ein großer Narr sein, wenn ich meinen Kittel abschütteln wollte, so lange es Manna darauf regnet. Wenn ich fürchte, daß dieses Thier Höllenfleisch haben könnte, so bin ich ja nicht gezwungen, es zu essen; ohnehin könnte ich es nicht allein essen, und diejenigen, die ich etwa dazu einluden wollte, würden mich nur anzeigen, aber ich kann diesen Hirsch lebendig ins Kloster von Saint-Remy führen, wo ihn mir die Aebtissin für schweres Geld abkaufen wird, um ihren Nonnen eine Freude zu machen; die Luft eines heiligen Hauses wird ihn reinigen, und die Handvoll guter geweihter Thaler, die ich an Zahlungsstatt erhalten werde, kann weine Seele nicht in Gefahr bringen. Wie manchen Tag müßte ich bei der Arbeit schwitzen und wie viel hundert Mal meinen Bohrer drehen, um nur den vierten Theil von dem zu verdienen, was ich da bekommen werde, ohne mir eine andere Mühe zu nehmen, als daß ich das Thier in seinen neuen Stall führe! Ein Teufel, der mir Gutes thut, muß mir natürlich lieber sein, als ein Engel vom Himmel, der mich im Stich läßt. Wenn mich der gnädige Herr Satan gar zu weit führen will, so habe ich ja immernoch Zeit, mich aus seinen Klauen zu ziehen; ich bin, bei Gott, kein Kind, und auch kein Lämmlein, wie Georgine, ich kann geradeaus gehen und wohin ich will.«

Der unselige, der geradeaus und in der ihm beliebigen Richtung zu gehen behauptete, vergaß jetzt blos, daß er vor kaum fünf Minuten nicht im Stande gewesen war, seine Hand an seine Stirne zu führen.

Thibault gab sich selbst so gute und so triftige Gründe an, daß er den Damhirsch, von welcher Seite er ihm nun zugekommen sein mochte, zu behalten beschloß, und den Erlös zum Anlauf des Hochzeitkleides seiner Braut bestimmte.

Denn sonderbarer Weise trat auf einmal Agnelette wieder vor seine Augen.

Er sah sie in einem langen weißen Kleid mit einem weißen Lilienkranz auf der Stirne und einem großen Schleier.

Ihm war zu Muth, als könnte, wenn er einen so lieblichen Schutzengel in seinem Haus hätte, der Teufel, trotz all seiner Stärke und List, es niemals wagen, seine Schwelle zu überschreiten.

»Ja, so ist’s,« sagte er, »ich habe noch ein Mittel: wenn mich der gnädige Herr Satan gar zu arg quält, so laufe ich stracks zu Agnelettes Großmutter, halte um die Dirne an und heirathe sie. Fallen mir dann auch meine Gebete nicht mehr ein, und kann ich auch kein Kreuz mehr schlagen, so habe ich jedenfalls ein hübsches Weibchen, das mit dem Satan nicht verhängt ist und alles dies für mich thun wird.«

Und mit dieser Art von Vergleich, immer vorausgesetzt, daß der Damhirsch Nichts von seinem Werth verlor und der heiligen Damen würdig blieb, an die ihn zu verkaufen gedachte, beruhigte sich Thibault so ziemlich, steckte Futter in die Raufe, und überzeugte sich, ob die Streu dicht genug war, damit der Gast weich ruhen konnte.

Die Nacht verging ohne ein neues Ereigniß und sogar ohne einen bösen Traum.

Am folgenden Tag jagte der edle Herr Jean von Neuem.

Nur gingen die Hunde diesmal keinem schüchternen Damhirsch zu Leibe, sondern dem Wolfe, welchen Markotte Tags zuvor ausgekundschaftet und erst diesen Morgen von Neuem aufgetrieben hatte.

Es war dies ein ächter Wolf.

Er mochte viele Jahre zählen, obschon man ihn beim Austreiben nur flüchtig gesehen und mit Staunen bemerkt hatte, daß er ganz schwarz war.

Bei Verte-Feuille, im Thalgrund von Argent, angegriffen, war er über die Felder von Meutard gelaufen, hatte Fleury und Ampleux links liegen lassen, war von da über die Straße von Ferté-Milon gesprungen, und trieb sich: dann im Thalgrund von Ivors herum.

Hier hatte er auf einmal sein bisheriges System aufgegeben, war umgekehrt und hatte so genau den bereits zurückgelegten Weg wieder eingeschlagen, daß der Baron Jean, obschon er beständig Galopp ritt, die Hufspuren wieder fand, die sein Pferd am Morgen zurückgelassen hatte.

In den Bezirk von Bourg-Fontaine zurückgekehrt, hatte der Wolf ihn nach allen Richtungen durchschnitten und sodann die Jäger just in die Gegend gelockt, wo ihre unglücklichen Abenteuer von gestern begonnen hatten, nämlich in die Nähe der Hütte des Holzschuhmachers.

Thibault, der, seinen gestrigen Entschließungen gemäß, auf den Abend seiner Agnelette einen Besuch zudachte, hatte sich schon in aller Frühe an die Arbeit gemacht.

Ihr werdet mich fragen, warum er, statt auf einem Handwerk zu arbeiten, das ihm, nach seinem eigenen Geständnis, so wenig einbrachte, nicht lieber den Damen von St. Remy seinen Damhirsch zuführte.

Thibault würde sich wohl gehütet haben.

Er konnte unmöglich mit einem Damhirsch am Strick bei Tag durch den Wald von Villers-Coterets gehen.

Was hätte er dem nächsten besten Waldschützen, der ihm in den Wurf kam, antworten sollen?

Nein, Thibault gedachte sich einmal bei Anbruch der Nacht auf die Beine zu machen, sich rechts zu halten, sodann über die Sandgrube und den Galgenweg auf die Ebene von Saint-Romy, nur zweihundert Schritte vom Kloster, zu kommen.

Als Thibault zum ersten Male Waldhorntöne und Hundegebell hörte, warf er in aller Eile einen gewaltigen Haufen dürres Haidekraut vor dem Stall auf, wo er seinen Gefangenen eingesperrt hielt, damit die Rüdenknechte und ihr Herr, wenn sie zufällig wieder vor seiner Hütte anhalten sollten, diese Thüre nicht bemerken möchten.

Sodann hatte er sein Handwerkszeug wieder vorgenommen und arbeitete mit einem Eifer, den er selbst niemals bei sich gesehen hatte, indem er gar nicht über die Holzschuhe wegsah, die er herrichtete.

Auf einmal meinte er ein Gescharre an seiner Thüre zu hören.

Er wollte eben aufstehen, um zu öffnen, als die Thüre nachgab und zu Thibaults großer Verwunderung ein ungeheurer schwarzer Wolf, auf seinen beiden Hinterpfoten gehend, ins Zimmer trat.

In der Mitte angekommen, setzte er sich nach Art der Wölfe und sah den Holzschuhmacher starr an.

Thibault ergriff ein Beil, das er bei der Hand hatte, um den wunderlichen Gast würdig zu empfangen, und um ihm Angst zu machen, schwang er das Beil über seinem Kopfe.

Aber die Physiognomie des Wolfes nahm einen eigenthümlich spöttischen Ausdruck an.

Er begann zu lachen.

Es war das erste Mal, daß Thibault einen Wolf lachen hörte.

Er hatte oft sagen gehört, daß die Wölfe bellen wie die Hunde.

Aber niemals hatte er sagen gehört, daß die Wölfe lachen wie die Menschen.

Und welch ein Lachen!

Ein Mensch, der so gelacht hätte wie dieser Wolf, würde Thibault sehr erschreckt haben.

Er ließ seinen bereits aufgehobenen Arm wieder fallen.

»Bei dem Herrn mit dem gespaltenen Fuß,« sagte der Wolf mit voller und wohltönender Stimme, »habe ich diesem Kerl hier auf seinen Wunsch den schönsten Damhirsch aus den Waldungen Sr. Königlichen Hoheit zugeschickt, und nun will er mir zur schuldigen Danksagung mit seinem Beil den Kopf spalten; eine menschliche Dankbarkeit, die wohl würdig ist mit der Dankbarkeit der Wölfe zu heulen.«

Als Thibault eine Stimme, die seiner eigenen glich, aus dem Leib des Thieres kommen hörte, da begannen seine Kniee zu zittern, und das Beil entfiel seinen Händen.

»Komm her,« fuhr der Wolf fort, »sei vernünftig und laß uns freundschaftlich mit einander plaudern.

Du hast Dir gestern den Damhirsch des Barons Jean gewünscht, und nun habe ich ihn selbst in Deinen Stall geführt, ja sogar an Deine Raufe gebunden, damit er Dir nicht entspringen könnte; dies sollte doch wohl einen bessern Dank verdienen, als einen Beilhieb.

»Weiß ich, wer Ihr seid?« antwortete Thibault.

Der Wolfsführer

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