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Erster Band
I

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Warum haben sich in den ersten zwanzig Jahren meines Literatenlebens, d. h. von 1827 bis: 1847, meine Blicke: und meine Erinnerungen nur so selten nach meiner kleinen Geburtsstadt, sowie nach den umliegenden Wäldern und Dörfern zurückgewandt?

Warum war meine ganze Jugendwelt für mich wie verschwunden und von einer Wolke umhüllt, während mir die Zukunft, der ich entgegenging, klar und leuchtend erschien, gleich jenen Zauber-Inseln, welche Columbus und seine Genossen für schwimmende Blumenkörbe ansahen?

Daran war wohl der leidige Umstand Schuld, daß man in seinen zwanzig ersten Lebensjahren die Hoffnung und in den zwanzig letzten die Wirklichkeit zur Führerin hat.

Erst wenn man, ein milder Pilger, seinen Stab fallen läßt, den Gürtel lockerer schnallt und sich am Rand der Straße niedersetzt, dann erst blickt man auf die zurückgelegte Bahn zurück, und da jetzt die Zukunft sich umnebelt, so beginnt man in die Tiefen der Vergangenheit zu schauen.

Erst wenn man im Begriff steht in die Sandmeere einzufahren, da sieht man mit Staunen auf dem bereits zurückgelegten Weg allmälig wundersame Oasen, voll Schatten und herrlichem Grüne, auftauchen, an denen man vorübergegangen ist, ohne Halt: zu machen, ja sogar ohne sie nur zu sehen.

Man ging damals so schnell voran; man hatte solche Eile beim ewig Unerreichbaren anzulangen, beim Glück!

Jetzt steht man ein, daß man blind und undankbar gewesen; jetzt sagt man’s sich, daß man, wenn man je wieder einmal ans einen solchen grünen Hain fließe, sein Zelt da ausschlagen und den Rest seiner Lebenszeit da verbringen würde.

Aber da der Leib nicht rückwärts schreitet, so muß das Gedächtniß allein diese fromme Pilgerfahrt nach den ersten Tagen antreten und zur Quelle des Lebens zurückgehen, jenen weißbesegelten Schiffchen gleicht, welche die Flüsse aufwärts fahren.

Dann seht der Leib seinen Weg fort, aber ohne – das Gedächtniß – Dies ist wie eine Nacht ohne Stern: wie eine Lampe ohne Flamme.

Der Leib und das Gedächtniß schlagen dann entgegengesetzte Wege ein.

Der Leib geht aufs Gerathewohl dem Unbekannten zu.

Das Gedächtniß, ein schimmerndes Irrlicht hüpft über die auf dem Weg zurückgebliebenen Fußstapfen hin; es allein weiß, daß es nicht fehl geht.

Hat es dann jede Oase besucht, jede Erinnerung aufgegriffen, so fliegt es schnell zu dem immer müder gewordenen Leib zurück, und wie Bienengesumme, wie Vogelfang, wie Quellengeplätscher, erzählt es ihm, was es gesehen hat.

Und bei dieser Kunde belebt sich des Pilgers Auge von Neuem, sein Mund lächelt, fein Angesicht leuchtet.

Gestattet doch die Vorsehung in ihrer Güte, daß die Jugend zu ihm zurückkomme, wenn er auch nicht zur Jugend zurückkehren kann.

Und nun ist es ihm Freude laut zu erzählen, was das Gedächtniß ihm ganz leise zuflüstern.

Sollte etwa das Leben rund sein wie die Erde? Sollte man, ohne es zu bemerken, einen Kreislauf um das Leben machen? Sollte man, indem man dem Grabe näher kommt, auch seiner Wiege wieder näher rücken?

Der Wolfsführer

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