Читать книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма - Страница 2

Erstes und zweites Bändchen
II
Die Schenke vom Pont de Sèvres

Оглавление

Will der Leser einen Moment zu unserem Roman Ange Pitou zurückkehren und das Buch öffnend seinen Blick aus das Kapitel, überschrieben: Die Nacht vom 5. auf den 6. October, heften, so wird er dort einige Thatsachen finden, welche sich ins Gedächtniß zurückzurufen für ihn nicht ohne Wichtigkeit ist, ehe er dieses Buch zu lesen beginnt, das sich am 6. desselben Monats eröffnet.

Nachdem wir selbst einige wichtige Zeilen von diesem Kapitel citirt haben, werden wir die Umstände und Ereignisse, welche der Wiederausnahme unserer Erzählung vorhergehen müssen, in so wenig als möglich Worten zusammenfassen.

Diese Zeilen folgen hier:

Um drei Uhr war Alles still in Versailles.

»Durch den Bericht ihrer Huissiers beruhigt, hatte sich selbst die Nationalversammlung zurückgezogen.

»Man hoffte, diese Ruhe würde nicht gestört werden.

»Beinahe bei allen Volksbewegungen, welche die großen Revolutionen vorbereiten, ist eine Zeit des Stillstands, wo man glaubt, Alles sei beendigt, und man könne ruhig schlafen.

Man täuscht sich.

»Hinter den Menschen, welche die ersten Bewegungen machen, sind diejenigen, welche warten, bis die ersten Bewegungen gemacht sind, und bis, ermüdet oder befriedigt, diejenigen, welche diese ersten Bewegungen vollbracht haben, in dem einen oder dem andern Falle nicht mehr weiter gehen wollen und ausruhen.

»Diese unbekannten Menschen, geheimnißvolle Agenten unseliger Leidenschaften, schleichen dann in der Finsterniß, nehmen die Bewegung wieder aus, wo sie verlassen worden ist, und erschrecken, indem sie dieselbe bis zu ihren äußersten Grenzen treiben, bei ihrem Erwachen diejenigen, welche ihnen die Bahn eröffnet und sich aus halbem Wege niedergelegt haben, im Glauben, der ganze Weg sei durchlaufen und das Ziel erreicht.«

Wir haben drei von diesen Menschen in dem Buche genannt, dem wir die hier angeführten paar Zeilen entlehnen.

Man erlaube uns, aus unsere Scene, das heißt vor die Thüre der Schenke vom Pont de Sèvres, eine Person zu führen, die, weil sie noch nicht von uns genannt worden, darum keine geringere Rolle in dieser erschrecklichen Nacht gespielt hatte.

Es war ein Mann von fünf und vierzig bis acht und vierzig Jahren, als Arbeiter gekleidet, das heißt mit einer Sammethose, welche durch eine lederne Schürze mit Taschen geschützt war, wie man sie bei den Hufschmieden und Schlossern sieht. Er trug graue Strümpfe und Schuhe mit messingenen Schnallen und hatte seinen Kopf mit einer Art von Pelzmütze bedeckt, ein Wald von ergrauenden Haaren drang unter dieser Mütze hervor, um sich mit ungeheuren Brauen zu verbinden und aus halbe Rechnung mit diesen große, hervorstehende, lebhafte und verständige Augen zu beschatten, deren Reflexe so rasch, deren Nuancen so wechselnd waren, daß sich schwer bestimmen ließ, ob sie grün oder grau, blau oder schwarz. Das übrige Gesicht bestand aus einer mehr starken, als mittleren Nase, dicken Lippen, weißen Zähnen, und einer sonnverbrannten Haut.

Ohne groß zu sein, war dieser Mann bewunderungswürdig gewachsen, er hatte seine Gelenke, einen kleinen Fuß, und man hätte auch scheu können, daß er eine kleine und sogar zarte Hand besaß, hätten seine Hände nicht die Bronzefärbung der Eisenarbeiter gehabt.

Stieg man aber von dieser Hand zum Ellenbogen auf, und vom Ellenbogen bis zu der Stelle des Armes, wo das zurückgeschlagene Hemd den Anfang einer kräftig gezeichneten Muskel sehen ließ, so konnte man wohl bemerken, daß, trotz der Stärke dieser Muskel, die Haut, weiche sie bedeckte, sein, dünn, beinahe aristokratisch war.

Dieser Mann, der vor der Thüre der Schenke vom Pont de Sèvres stand, hatte in seiner Nähe eine reich mit Gold eingelegte Doppelflinte, auf deren Lauf man den Namen von Leclère, einem Waffenschmiede lesen konnte, welcher bei den Pariser Jägern ein großes Ansehen zu gewinnen anfing.

Man wird uns vielleicht fragen, wie sich ein so schönes Gewehr in den Händen eines einfachen Arbeiters befunden habe: hieraus antworten wir, daß in den Tagen der Aufstände, und wir haben, Gott sei Dank! einige gesehen, die schönsten Waffen sich nicht immer in den weißesten Händen finden.

Unser Mann war vor ungefähr einer halben Stunde von Versailles angekommen und wußte ganz genau, was vorgefallen: denn aus die Frage, die der Wirth an ihn richtete, während er ihn mit einer Flasche bediente, die er noch nicht angegriffen, antwortete er:

Die Königin komme mit dem König und dem Dauphin.

Sie seien ungefähr gegen Mittag abgegangen.

Sie haben sich endlich entschlossen, den Palast der Tuilerien zu bewohnen; es werde daher Paris wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr an Brod fehlen, da es den Bäcker, die Bäckerin und den kleinen Bäckerburschen besitzen solle.

Und er warte, um den Zug vorüberkommen zu sehen.

Diese letzte Behauptung konnte wahr sein, und dennoch war leicht zu bemerken, daß sich sein Blick neugieriger gegen Paris, als gegen Versailles wandte, was zum Glauben Anlaß gab, er habe sich nicht für verbunden erachtet, dem Wirthe, der ihn zu fragen sich erlaubt, eine sehr genaue Rechenschaft von seinen Absichten zu geben.

Nach einigen Augenblicken schien indessen seine Erwartung befriedigt zu werden. Ein ungefähr wie er gekleideter Mann, der ein dem seinigen ähnliches Gewerbe zu treiben schien, zeigte sich oben aus der Anhöhe, welche den Horizont der Straße begrenzte.

Dieser Mann ging schwerfällig und wie ein Reisender, der schon einen langen Weg gemacht hat.

Je näher er kam, desto mehr konnte man seine Züge und sein Alter unterscheiden.

Sein Alter mochte das des Unbekannten sein, das heißt, man konnte kühn behaupten, er sei aus der schlimmen Seite der Vierzig, wie die Leute vom Volke sagen.

Was seine Züge betrifft, so waren es die eines Menschen aus dem großen Haufen mit niedrigen Neigungen, mit gemeinen Instincten.

Das Auge des Unbekannten heftete sich neugierig aus ihn mit einem seltsamen Ausdruck, und als wollte er mit einem Blicke ermessen, was man Alles Unreines und Schlechtes aus dem Herzen dieses Menschen ziehen könne.

Als der Arbeiter, der von der Seite von Paris kam, nur noch zwanzig Schritte von demjenigen entfernt war, welcher bei der Thüre wartete, ging dieser hinein, goß den ersten Wein aus der Flasche in eines der zwei aus dem Tische stehenden Gläser, kehrte mit diesem Glase in der Hand vor die Thüre zurück und rief:

»He! Kamerad, das Wetter ist kalt, der Weg ist lang; trinken wir nicht ein Glas Wein, um uns zu stärken und wieder zu erwärmen?«

Der von Paris kommende Arbeiter schaute umher, als wollte er sehen, ob die Einladung wirklich an ihn gerichtet sei.

»Sprechen Sie mit mir?« fragte er.

»Mit wem denn wenn’s beliebt, da Sie allein sind.«

»Und Sie bieten mir ein Glas Wein an?«

»Warum nicht?«

»Ah!«

»Ist man nicht von demselben Handwerk oder von einem ähnlichen?«

Der Arbeiter schaute den Unbekannten zum zweiten Mal an und erwiederte:

»Jedermann kann von demselben Handwerk sein; das wichtigste ist, zu wissen, ob man Gesell oder Meister ist.«

»Nun! das werden wir sogleich erfahren, wenn wir zaudernd ein Glas Wein miteinander trinken.«

»Meinetwegen!« versetzte der Arbeiter. Und er ging auf die Thüre der Schenke zu.

Der Unbekannte zeigte ihm den Tisch und deutete aus das Glas.

Der Arbeiter nahm das Glas, betrachtete den Wein, als ob er ein Mißtrauen gegen denselben gesaßt hätte, welches sogleich verschwand, sobald sich der Unbekannte ein zweites Glas wie das erste bis an den Rand gefüllt hatte.

»Nun!« fragte er, »ist man zu stolz, um mit demjenigen, welchen man einladet, anzustoßen?«

»Bei meiner Treue, nein, im Gegentheil: Aus die Nation!«

Die grauen Augen des Arbeiters hefteten sich einen Moment auf denjenigen, welcher diesen Toast ausgebracht.

Dann sprach er:

»Ei! bei Gott! wohl gesagt, ja: Auf die Nation!l«

Und er leerte den Inhalt seines Glases aus einen Zug.

Wonach er sich die Lippen mit seinem Aermel abwischte.

»Ah! ah!« rief er, »das ist Burgunder!«

»Und vom alten, wie? Man hat mir die Schenke empfohlen, im Vorbeigehen bin ich eingetreten, und ich bereue es nicht. Aber setzen Sie sich doch, Kamerad; es ist noch etwas in der Flasche, und wenn nichts mehr in der Flasche ist, so wird es im Keller etwas geben.«

»Ah!« fragte der Arbeiter, was machen Sie denn da?«

»Sie sehen es, ich komme von Versailles, und ich erwarte den Zug, um ihn nach Paris zu begleiten.«

»Welchen Zug?«

»Ei! den des Königs, der Königin und des Dauphin, welche in Gesellschaft der Damen der Halle und von zwei hundert Mitgliedern der Nationalversammlung, unter dem Schutze der Nationalgarde und von Herrn von Lafayette, nach Paris, zurückkommen.«

»Er hat sich also entschlossen, nach Paris zurückzukehren, der Bürger?«

»Er mußte wohl.«

»Ich habe es vermuthet, diesen Morgen um drei Uhr, als ich nach Paris abging.«

»Ah! ah! Sie sind diesen Morgen um drei Uhr abgegangen, und Sie haben Versailles nur so verlassen, ohne daß Sie neugierig waren, zu erfahren, was dort vorgehen würde?«

»Doch, ich hatte einige Lust, zu erfahren, wie es mit dem Bürger gehen werde, um so mehr, als das, ohne mich zu rühmen, ein Bekannter ist; doch Sie begreifen, die Arbeit vor Allem! Man hat Weib und Kind; man muß Alles dies ernähren, besonders jetzt, da es keine königliche Schmiede mehr geben wird.«

Der Unbekannte ließ die zwei Anspielungen vorübergehen, ohne sie auszunehmen.

»Sie hatten also ein dringendes Geschäft in Paris zu verrichten?« fragte er.

»Bei meiner Treue, ja, wie es scheint, und gut bezahlt,« fügte der Arbeiter bei, indem er ein paar Thaler in seiner Tasche klingen ließ, »obgleich es mir ganz einfach von einem Bedienten bezahlt wurde, was nicht artig ist – und noch von einem deutschen Bedienten, – so daß man nicht einmal ein Bischen mit ihm plaudern konnte.«

»Und Sie hassen das Plaudern nicht?«

»Ei! wenn man nicht schlimm von den Andern spricht, so ist das eine Zerstreuung.«

Die zwei Männer lachten, der Unbekannte, indem er weiße Zähne, der Arbeiter, indem er verdorbene Zähne zeigte.

»Also,« sagte der Unbekannte, wie ein Mensch, der allerdings nur Schritt für Schritt vorrückt, den aber nichts vorzurücken hindern kann, Sie haben also ein dringendes und gut bezahltes Geschäft verrichtet?«

»Ja.«

»Gut bezahlt, weil die Arbeit ohne Zweifel schwierig war?«

»Schwierig? ja.«

»Ein Geheimschloß, wie?«

»Eine unsichtbare Thüre. Stellen Sie sich ein Haus in einem Hause vor, – Jemand, der ein Interesse hätte, sich zu verbergen, nicht wahr? nun, er ist da, und er ist nicht da! Man klingelt: der Bediente öffnet die Thüre: »»Ist der Herr zu Hause?«« »»Nein.«« »»Doch, er muß zu Hause sein.«« »»So suchen Sie!«« Man sucht. Gute Nacht! ich fordere alle Welt heraus, den Herrn zu finden. Eine eiserne Thüre, verstehen Sie, welche aus das Genaueste in das Simswerk hineinpaßt. Man zieht eine Lage von altem Eichenholz über Alles dies, und es ist unmöglich, das Holz vom Eisen zu unterscheiden.«

»Ja, doch wenn man daraus klopft?«

»Bah! eine Lage Holz auf dem Eisen, eine Linie dünn, doch dick genug, daß der Ton überall gleich ist . . . Tak, tak, tak, tak  . . . Sehen Sie, als die Sache fertig war, täuschte ich mich selbst.«

»Und wo Teufels haben Sie das gemacht?« »Ah! das ist es.«

»Das wollen Sie nicht sagen?«

»Das kann ich nicht sagen, weil ich es nicht weiß.«

»Man hat Ihnen die Augen verbunden?«

»Ganz richtig! Ich wurde mit einem Wagen bei der Barriere erwartet. Man fragte mich: »»Sind Sie der und der?«« Ich antwortete: »»Ja!«« »»Gut, Sie erwarten wir, steigen Sie ein,«« »»Ich soll einsteigen?«« »»ja.«« Ich stieg ein, man verband mir die Augen, der Wagen rollte ungefähr eine halbe Stunde, dann öffnete sich ein Thor – ein großes Thor; ich stieß an die erste Stufe einer Freitreppe, ich stieg zehn Stufen hinauf, ich trat in ein Vorhaus ein; hier fand ich einen deutschen Bedienten, der zu den Anderen sagte: »»Es ist gut, geht; man braucht Euch nicht mehr.«« Die Anderen entfernten sich. Er nahm mir meine Binde ab und zeigte mir, was ich zu thun hatte. Ich ging als ein guter Arbeiter an’s Geschäft. In einer Stunde war es gethan. Man bezahlte mich in schönen Louis d’or, verband mir die Augen wieder, brachte mich in den Wagen, ließ mich an derselben Stelle aussteigen, wo ich eingestiegen war, wünschte mir eine glückliche Reise, und hier bin ich.«

»Ohne daß Sie etwas gesehen haben, – nicht einmal aus dem Augenwinkel? Was Teufel! eine Binde ist nicht so fest geschlossen, daß man nicht rechts oder links hinausschielen kann.«

»Ei! Ja!«

»Nun, nun! gestehen Sie doch, daß Sie gesehen haben,« sagte lebhaft der Unbekannte.

»Hören Sie: als ich einen falschen Tritt gegen die erste Stufe der Freitreppe that, benutzte ich dies, um eine Gebärde zu machen; während ich diese Gebärde machte, verrückte ich ein wenig meine Binde.

»Und dadurch, daß Sie Ihre Binde verrückten?« fragte der Unbekannte mit derselben Lebhaftigkeit.

»Sah ich eine Linie von Bäumen, was mich zum Glauben brachte, das Haus sei auf dem Boulevard, sonst aber nichts.«

»Sonst nichts?«

»Ah! bei meinem Ehrenwort.«

»Das besagt nicht viel.«

»Weil die Boulevards lang sind, und weil es mehr als ein Haus mit einem großen Thore und einer Freitreppe vom Café Saint-Honoré bis zur Bastille gibt.

»So, daß Sie dieses Haus nicht wiedererkennen würden?«

Der Schlosser dachte einen Augenblick nach.

»Bei meiner Treue, nein,« erwiederte er, »ich wäre nicht im Stande, es wiederzuerkennen.«

Der Unbekannte, obgleich sein Gesicht gewöhnlich nur das zu sagen schien, was er es gern wollte sagen lassen, war, wie man wahrnehmen konnte, ziemlich befriedigt durch diese Versicherung.

»Oh!« sagte er plötzlich, als wollte er zu einer andern Ideenordnung übergehen, »es gibt also keinen Schlosser mehr in Paris, daß die Leute, welche dort Geheimthüren brauchen, Schlosser von Versailles holen lassen?«

Und zu gleicher Zeit schenkte er seinem Gaste ein volles Glas Wein ein und klopfte mit der leeren Flasche auf den Tisch, damit der Wirth eine neue volle brächte.

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

Подняться наверх