Читать книгу Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма - Страница 20

Drittes bis sechstes Bändchen
XX
Favras

Оглавление

Während sich Gilbert entfernte, erfaßt von einem unbekannten Schrecken, den ihm nicht die wirkliche Seite, sondern die unsichtbare und geheimnißvolle Seile der Ereignisse einflößte, wurde der Marquis von Favras, wie wir im vorhergehenden Kapitel gesagt haben, bei Ludwig XVI. eingeführt.

Wie es der Doctor gemacht, blieb er bei der Thüre stehen, aber der König, der ihn schon bei seinem Eintritt gesehen, winkte ihm, näher zu kommen.

Favras trat vor, verbeugte sich und wartete ehrfurchtsvoll, daß der König ihn anrede.

Ludwig XVI. heftete auf ihn den forschenden Blick, der einen Theil der Erziehung der Könige zu bilden scheint und mehr oder minder oberflächlich, mehr oder minder tief ist, je nach dem Geiste desjenigen, welcher ihn anwendet.

Thomas Mahi, Marquis von Favras, war ein Edelmann von vornehmer Miene, fünf und vierzig Jahre alt, von eleganter und zugleich fester Tournure, mit einer offenen Physiognomie.

Die prüfende Betrachtung war also günstig für ihn, und etwas wie ein Lächeln schwebte über die Lippen des Königs, die sich schon öffneten, um ihn zu befragen.

»Sie sind der Marquis von Favras, mein Herr?« fragte der König.

»Ja, Sire,« antwortete der Marquis.

»Sie haben mir vorgestellt zu werden gewünscht?«

»Ich habe gegen Seine Königliche Hoheit den Herrn Grafen von Provence den lebhaften Wunsch, meine Huldigung zu den Füßen des Königs niederlegen zu dürfen, ausgedrückt.«

»Mein Bruder hat großes Vertrauen zu Ihnen.«

»Ich glaube es, Sire, und ich gestehe, daß es mein glühender Ehrgeiz ist, Eure Majestät möge dieses Vertrauen theilen.«

»Mein Bruder kennt Sie seit langer Zeit, Herr von Favras  . . .«

»Während Eure Majestät mich nicht kennt, ich begreife; aber Eure Majestät wolle mich gnädigst befragen, und in zehn Minuten wird sie mich so gut kennen, als mich ihr erhabener Bruder kennt,«

»Sprechen Sie, Marquis,« sagte Ludwig XVI., während er einen Seitenblick aus das Portrait von Karl Stuart warf, das weder ganz aus seinem Geiste kommen, noch sich ganz aus dem Rayon seines Auges entfernen konnte; »sprechen Sie, ich höre Sie.«

»Eure Majestät wünscht zu wissen?  . . .«

»Wer Sie sind und was Sie gethan haben,«

»Wer ich bin, Sire? Die Meldung meines Namens hat es Ihnen gesagt: ich bin Thomas Mahi. Marquis von Favras; geboren in Blois; im Jahre 1745 bin ich mit fünfzehn Jahren bei den Musketieren eingetreten und habe in diesem Corps den Feldzug von 1761 mitgemacht; ich wurde sodann ’Kapitän und Regimentsadjutant im Regimente Belzunce, später Lieutenant der Schweizer der Garde des Herrn Grafen von Provence.«

»Und in dieser Eigenschaft haben Sie meinen Bruder kennen lernen?«

»Sire, ich habe die Ehre gehabt, ihm ein Jahr früher vorgestellt zu werden, so daß er mich schon kannte.«

»Und Sie haben seinen Dienst verlassen?«

»Im Jahre 1775, Sire, um mich nach Wien zu begeben, wo ich meine Frau als einzige und legitime Tochter des Prinzen von Anhalt Schaumburg anerkennen ließ.«

»Ihre Frau ist nie vorgestellt worden, mein Herr?«

»Nein, aber sie hat die Ehre, in diesem Augenblick mit meinem ältesten Sohne bei der Königin zu sein.«

Der König machte eine Bewegung der Unruhe, welche zu besagen schien: »Ah! die Königin ist hierbei.«

Dann, nach einem Augenblick des Stillschweigens, den er dazu anwandte, daß er im Zimmer auf und abging und verstohlen einen Blick aus das Portrait von Karl I. warf, fragte Ludwig XVI.:

»Und sodann?«

»Vor drei Jahren, Sire, bei dem Aufstande gegen den Statthouder, befehligte ich eine Legion und trug für meinen Theil zur Wiederherstellung der Autorität bei; dann warf ich meine Blicke auf Frankreich, und da ich den schlechten Geist sah, der hier Alles zu desorganisieren anfing, so kehrte ich nach Paris zurück, um mein Schwert und mein Leben in den Dienst des Königs zu stellen.«

»Nun, mein Herr, Sie haben in der That traurige Dinge gesehen, nicht wahr?«

»Sire, ich habe die Tage des 5. und 6. October gesehen.«

Der König schien dem Gespräche eine andere Wendung geben zu wollen.

»Und Sie sagen also, Herr Marquis,« fuhr er fort, »mein Bruder der Herr Graf von Provence habe so großes Vertrauen zu Ihnen, daß er Sie mit einem beträchtlichen Anlehen beauftragt?«

Bei dieser Frage hätte derjenige, welcher als Dritter da gewesen wäre, von einer nervösen Erschütterung den Vorhang, der halb den Alcoven schloß, als ob Jemand dahinter verborgen, können zittern und zugleich, Herrn von Favras beben sehen, wie es ein Mensch thut, der auf eine Frage vorbereitet ist, und an den man plötzlich eine andere richtet.

»Ja, Sire, in der That,« erwiederte er, »wenn es ein Zeichen des Vertrauens ist, daß man einem Edelmann Geldinteressen überträgt, so hat mir Seine Königliche Hoheit die Ehre erwiesen, mir dieses Zeichen zu geben.«

Der König wartete aus die Fortsetzung und schaute den Marquis an, als ob die Richtung, die er die Unterredung hatte nehmen lassen, seiner Neugierde viel mehr Interesse böte, als die, welche sie Anfangs gehabt.

Der Marquis fuhr also fort, jedoch als ein in seinen Erwartungen getäuschter Mann:

»Da Seine Königliche Hoheit, die ihrer Einkünfte in Folge der verschiedenen Operationen der Nationalversammlung beraubt war, dachte, der Augenblick sei gekommen, wo es für die Sache ihrer eigenen Sicherheit gut wäre, wenn die Prinzen eine starke Summe zu ihrer Verfügung hätten, so übergab mir Seine Hoheit Verträge.«

»Auf welche Sie Anlehen gefunden haben, mein Herr?«

»Ja, Sire.«

»Eine beträchtliche Summe, wie Sie sagten?«

»Zwei Millionen.«

»Und bei wem?«

Favras zögerte beinahe, dem König zu antworten, so sehr schien ihm das Gespräch aus dem Geleise zu treten und von den großen allgemeinen Interessen zu der Kenntnis, der Privatinteressen überzugehen, von der Politik zur Polizei hinabzusteigen.«

»Ich frage Sie, bei wem Sie entlehnt haben,« wiederholte der König.

»Sire, ich wandte mich Anfangs an die Banquiers Schaumel und Sartorius; weil aber das Negoz scheiterte, so nahm ich meine Zuflucht zu einem fremden Banquier, der, da er Kenntniß vom Wunsche Seiner Königlichen Hoheit bekommen, mir zuerst in seiner Liebe für unsere Prinzen und in seiner Achtung für den König Dienstanerbietungen machen ließ.«

»Ah!  . . .Und dieser Banquier heißt?«

»Sire!« sagte zögernd Favras.

»Sie begreifen, mein Herr.« sprach der König, »es ist gut, einen solchen Mann zu kennen, und wäre es nur, um ihm für seine Ergebenheit zu danken, wenn sich eine Gelegenheit dazu bietet.«

»Sire,« antwortete Favras, »er heißt Baron Zannone.«

»Ah!« sagte Ludwig XVI., »es ist ein Italiener!«

»Ein Genueser, Sire.«

»Er wohnt?«

»Sire, er wohnt in Sèvres, gerade gegenüber dem Orte,« fuhr Favras fort, der durch diesen Spornstreich dem rehen Pferde ein wenig Feuer geben wollte, »gerade gegenüber dem Orte, wo der Wagen Eurer Majestäten am 6. October bei der Rückkehr von Versailles anhielt, als die Mörder unter der Anführung von Marat, Verrières und dem Herzog von Aiguillon in der kleinen Schenke beim Pont de Sèvres durch den Coiffeur der Königin die zwei abgeschnittenen Köpfe von Baricourt und Deshuttes frisiren ließen,«

Der König erbleichte, und wenn er in diesem Moment die Augen gegen den Alcoven gedreht hätte, so würde er den Vorhang noch nervöser dieses zweite Mal, als das erste Mal sich haben bewegen sehen.

Dieses Gespräch lastete offenbar aus ihm, und er hätte viel gegeben, wenn er es nicht angeknüpft.

Er beschloß auch, demselben so rasch als möglich ein Ende zu machen,

»Es ist gut, mein Herr,« sagte er, »ich sehe, daß Sie ein treuer Diener des Königthums sind, und ich verspreche Ihnen, Sie bei Gelegenheit nicht zu vergessen.«

Dann machte er eine Geberde mit dem Kopf, welche bei den Fürsten bedeutet: »Ich erweise Ihnen lange genug die Ehre, Sie anzuhören und Ihnen zu antworten, Sie sind ermächtigt, Abschied zu nehmen.«

Favras begriff vollkommen.

»Ich bitte um Verzeihung, Sire,« sprach er, »ich glaubte, Eure Majestät habe mich noch etwas Anderes zu fragen.«

»Nein,« erwiederte der König, den Kopf schüttelnd, als suchte er in der That in seinem Geiste, welche Frage er zu machen habe; »nein, Marquis, das ist Alles, was ich zu wissen wünschte.«

»Sie täuschen sich, mein Herr,« sagte eine Stimme, bei der der König und der Marquis sich nach dem Alcoven umwandten, »Sie wünschten zu wissen, wie der Vorfahre des Herrn Marquis von Favras sich benommen habe, um die Flucht des Königs Stanislaus aus Danzig zu bewerkstelligen und ihn unversehrt bis zur preußischen Grenze zu führen.«

Beide gaben einen Ausruf des Erstaunens von sich: die dritte Person, welche plötzlich, sich in das Gespräch mischend, erschien, war die Königin; die Königin bleich, mit zusammengepreßten, zitternden Lippen; die Königin, welche sich nicht mit den von Favras gegebenen Erläuterungen begnügte und vermuthete, sich selbst überlassen, werde der König es nicht wagen, bis zum Ende zu gehen, war aus der Geheimtreppe und durch den geheimen Gang herbeigekommen, um die Unterredung in dem Augenblick aufzunehmen, wo der König die Schwäche hätte, sie fallen zu lassen.

Dieser Dazwischentritt der Königin und die Art, wie sie das Gespräch wieder aufnahm, indem sie es an die Flucht des Königs Stanislaus anknüpfte, erlaubten übrigens Ludwig XVI. unter dem durchsichtigen Schleier der Allegorie Alles zu hören, selbst die Anerbietungen, welche ihm Favras über seine, des Königs, eigene Flucht machen würde.

Favras seinerseits begriff aus der Stelle, welches Mittel ihm geboten war, seinen Plan zu enthüllen, und obgleich keiner von seinen Ahnen oder von seinen Verwandten zu der Flucht des Königs von Polen beigetragen hatte, beeilte er sich doch, indem er sich verbeugte, zu erwiedern:

»Eure Majestät spricht ohne Zweifel von meinem Vetter, dem General Steinflicht, welcher die Berühmtheit seines Namens dem ungeheuren seinem König geleisteten Dienste verdankt, – ein Dienst, der den glücklichen Einfluß auf das Schicksal von Stanislaus hatte, daß er ihn vor Allen den Händen seiner Feinde entriß und ihn sodann durch eine providentielle Mitwirkung zum Ahnherrn Eurer Majestät machte.«

»So ist es! so ist es! mein Herr,« sagte lebhaft die Königin, während Ludwig XVI., einen Seuszer ausstoßend, das Portrait von Karl Stuart anschaute.

»Wohl denn,« sprach Favras, »Eure Majestät weiß  . . . verzeihen Sie, Sire, Eure Majestäten wissen, daß der König Stanislaus, in Danzig frei, aber auf allen Seiten von der moskowitischen Armee eingeschlossen, beinahe verloren war, wenn er sich nicht zu einer raschen Flucht entschloß.«

»Oh! ganz verloren!« unterbrach ihn die Königin, »Sie können sagen, ganz verloren, Herr von Favras.«

»Madame,« sprach Ludwig XVI. mit einer gewissen Strenge, »die Vorsehung, welche über den Königen wacht, bewirkt, daß sie nie ganz verloren sind.«

»Ei! mein Herr,« erwiederte die Königin, »mich dünkt, daß ich ebenso religiös und ebenso gläubig an die Vorsehung bin, als Sie, aber dennoch ist es meine Meinung, daß man sie ein wenig unterstützen muß.«

»Das war auch die Ansicht des Königs von Polen, Sire,« fügte Favras bei, »denn er erklärte seinen Freunden entschieden, da er seine Lage nicht mehr als haltbar erachte und sein Leben in Gefahr glaube, so wünsche er, daß man ihm mehrere Fluchtpläne entwerfe und vorlege. Trotz der Schwierigkeit, wurden drei Pläne angeboten; ich sage, trotz der Schwierigkeit, Sire, weil Eure Majestät bemerken wird, daß es viel schwieriger für den König Stanislaus war, aus Danzig zu entkommen, als es für Sie, zum Beispiel, wäre, wenn es Eurer Majestät in den Sinn käme, aus Paris wegzugehen. Mit einer Postchaise, – wenn Eure Majestät geräuschlos und ohne Aufsehen zu erregen abreisen wollte, – mit einer Postchaise könnte Eure Majestät in einem Tag und in einer Nacht die Grenze erreichen; – oder wenn sie Paris als König verlassen wollte, könnte sie einem Edelmann, den sie mit ihrem Vertrauen beehrte, Befehle geben, dreißigtausend Mann zu sammeln und sie aus dem Palaste der Tuilerien abzuholen. In dem einen oder dem andern Fall wäre das Gelingen sicher, das Unternehmen gewiß.«

»Sire,« sprach die Königin, »was Herr von Favras da sagt, Eure Majestät weiß, daß es die strenge Wahrheit ist.«

»Ja,« erwiederte der König, »aber meine Lage ist entfernt nicht so verzweifelt, als es die des Königs Stanislaus war. Danzig war umgeben von Moskowiten, wie der Marquis sagte; die Festung Weichselmünde, sein letztes Vollwerk, hatte capitulirt, während ich  . . .«

»Während Sie,« unterbrach ihn ungeduldig die Königin, »Sie sind mitten unter den Parisern, welche am 14. Juli die Bastille genommen haben, welche in der Nacht vom 5. auf den 6. October Sie ermorden wollten und am Tage des 6. Sie mit Gewalt nach Paris zurückführten, wobei diese Menschen während der ganzen Zeit, welche die Fahrt dauerte, Sie und Ihre Familie beleidigten und beschimpften  . . .Ah! es ist wahr, die Lage ist schön und verdient, daß man sie der von König Stanislaus vorzieht!«

»Aber, Madame . . .«

»König Stanislaus risquirte nur das Gefängniß, den Tod vielleicht, indeß wir  . . .«

Ein Blick des Königs hielt sie zurück.

»Uebrigens,« fuhr die Königin fort, »Sie sind der Gebieter; Sie haben zu entscheiden.«

Und sie setzte sich ungeduldig dem Portrait von Karl I. gegenüber.

»Herr von Favras,« sagte sie, »ich habe so eben mit der Marquise und Ihrem ältesten Sohne gesprochen; ich habe sie Beide voll Muth und Entschlossenheit gefunden, wie es sich für die Frau und den Sohn eines wackeren Edelmanns geziemt; was auch geschehen mag – angenommen, es geschehe Etwas, – sie können auf die Königin von Frankreich zählen; die Königin von Frankreich wird sie nicht verlassen: sie ist die Tochter von Maria Theresia und weiß den Muth zu schätzen und zu belohnen.«

Gestachelt durch das ungestüme Benehmen der Königin, sprach Ludwig XVI.:

»Mein Herr, Sie sagen, es seien dem König Stanislaus drei Entweichungsmittel vorgeschlagen worden?«

»Ja, Sire.«

»Und diese Mittel waren?«

»Das erste, Sire, war, sich als Bauer zu verkleiden; die Gräfin Chapska, welche vortrefflich Deutsch sprach, erbot sich, – einem Manne sich anvertrauend, den sie erprobt hatte und der das Land ganz genau kannte, – sich als Bäuerin zu verkleiden und ihn für ihren Gatten auszugeben. Das war das Mittel, von dem ich so eben zum König von Frankreich sprach, als ich ihm sagte, wie leicht es für ihn wäre, falls er incognito und nächtlicher Weile fliehen wollte . . .«

»Das zweite?« fragte Ludwig XVI., als sähe er mit Ungeduld auf seine eigene Lage irgend eine Anwendung von der machen, in welcher sich Stanislaus befunden hatte.

»Das zweite, Sire, war, tausend Mann zu nehmen und mit ihnen einen Durchbruch durch die Moskowiten zu wagen; das ist auch dasjenige, welches ich vorhin dem König von Frankreich darbot, indem ich bemerkte, er habe nicht tausend, sondern dreißigtausend Mann zu seiner Verfügung.«

»Herr von Favras, Sie haben gesehen, wozu mir diese dreißigtausend Mann am 14. Juli dienten. Gehen wir zum dritten Mittel über.«

»Das dritte Mittel, das, welches Stanislaus annahm, war, sich als Bauer zu verkleiden und aus Danzig wegzugehen, – nicht mit einer Frau, welche ein Hinderniß auf dem Wege sein konnte, nicht mit tausend Mann, welche alle vom ersten bis zum letzten getödtet werden konnten, ohne daß es ihnen gelänge, einen Durchbruch zu bewerkstelligen, sondern nur mit zwei bis drei sicheren Männern, welche immer und überall durchkommen. Dieses Mittel war von Herrn Monti, dem französischen Gesandten, vorgeschlagen und von meinem Verwandten, dem General Steinflicht, unterstützt.«

»Dieses wurde also angenommen?«

»Ja, Sire; und wenn ein König, der sich in der Lage des Königs von Polen befände oder zu befinden glaubte, sich zu diesem Mittel entschließen und mir gnädigst dasselbe Vertrauen gewähren würde, das Ihr erhabener Ahnherr dem General Steinflicht schenkte, so glaubte ich für ihn bei meinem Kopfe haften zu können, besonders, wenn die Wege so frei wären, wie es die Wege in Frankreich sind, und wenn der König ein so guter Reiter wäre, als es Eure Majestät ist.«

»Allerdings,« sagte die Königin. »Doch in doch Nacht vom 5. auf den 6. October hat mir der König geschworen, nie ohne mich abzureisen und sogar nie einen Plan zur Abreise zu machen, bei dem ich nicht betheiligt wäre; das Wort des Königs ist verpfändet, mein Herr, und der König wird es nicht brechen.«

»Madame,« erwiederte Favras, »das macht die Reise schwieriger, aber nicht unmöglich, und wenn ich die Ehre hätte, eine solche Expedition anzuführen, so wollte ich dafür haften, daß ich den König, die Königin und die königliche Familie unversehrt nach Montmédy oder nach Brüssel brächte, wie der General Steinflicht den König Stanislaus unversehrt nach Marienwerder gebracht hat.«

»Sie hören, Sire!« rief die Königin, »ich glaube, daß mit einem Manne, wie Herr von Favras, Alles zu thun und nichts zu fürchten ist.«

»Ja, Madame,« erwiederte der König, »ich bin auch dieser Ansicht, nur ist der Augenblick noch nicht gekommen.«

»Gut, mein Herr,« versetzte die Königin, »warten Sie, wie es derjenige gethan hat, dessen Portrait uns anschaut, und dessen Anblick, – ich glaubte es wenigstens, – Ihnen einen besseren Rath geben mußte  . . .warten Sie, bis Sie genöthigt sind, zu einer Schlacht zu greifen; warten Sie, bis diese Schlacht verloren ist; warten Sie, bis Sie Gefangener sind; warten Sie, bis sich das Schaffot unter Ihrem Fenster erhebt, und dann werden Sie, der Sie heute sagen: »»Es ist zu früh!«« genöthigt sein, zu sagen: »»Es ist zu spät!««

»In jedem Falle, Sire, zu welcher Stunde es sein mag, und bei seinem ersten Worte wird mich der König bereit finden,« sprach Favras, indem er sich verbeugte; denn er befürchtete, seine Gegenwart, welche diesen Conflict zwischen der Königin und Ludwig XVI. herbeigeführt, könnte den König ermüden. »Ich habe nur mein Dasein meinem Souverain bieten, und ich sage nicht, daß ich es ihm biete, ich sage, daß er jeder Zeit das Recht gehabt hat und haben wird, darüber zu verfügen, da dieses Dasein ihm gehört.«

»Es ist gut, mein Herr,« erwiederte der König, »und im erheischenden Falle erneuere ich Ihnen in Betreff der Marguise und Ihrer Kinder das Versprechen, das Ihnen die Königin gegeben hat.«

Diesmal war es ein wirklicher Abschied. Der Marquis war genöthigt, ihn zu nehmen, und wie große Lust er vielleicht auch hatte, zu beharren, ging er doch, da er keine andere Ermuthigunq fand, als den Blick der Königin, sachte rückwärts schreitend ab.

Die Königin folgte ihm mit den Augen, bis der Vorhang vor ihm niedergefallen war.

»Ah! mein Herr,« sprach sie dann, die Hand gegen das Gemälde von Van Dyck ausstreckend, »als ich dieses Bild in Ihr Zimmer hängen ließ, glaubte ich, es werde Sie besser inspiriren.«

Und hochmüthig, als verachtete sie es, das Gespräch zu verfolgen, ging sie auf die Thüre des Alcoven zu; plötzlich aber blieb sie stille stehen und sagte:

»Sire, gestehen Sie, daß der Marquis von Favras nicht die erste Person ist, die Sie diesen Morgen empfangen haben?«

»Nein, Madame, Sie haben Recht; vor dem Marquis von Favras habe ich den Doctor Gilbert empfangen.«

Die Königin bebte.

»Ah!« rief sie, »ich vermuthete es! Und der Doctor Gilbert, wie es scheint  . . .«

»Ist meiner Ansicht, daß wir Frankreich nicht verlassen sollen.«

»Da er aber nicht der Ansicht ist, daß wir es verlassen sollen, mein Herr, so gibt er ohne Zweifel einen Rath, der uns den Aufenthalt möglich macht.«

»Ja, Madame, er gibt einen; leider finde ich ihn, wenn nicht schlecht, doch wenigstens unausführbar.«

»Nun, was für ein Ruth ist das?«

»Wir sollen Mirabeau für ein Jahr kaufen.«

»Und um welchen Preis?« fragte die Königin.

»Mit sechs Millionen  . . .und einem Lächeln von Ihnen.«

Die Physiognomie der Königin nahm einen tief nachdenkenden Charakter an.

»In der That,« sagte sie, »das wäre vielleicht ein Mittel.«

»Ja, aber ein Mittel, gegen das Sie sich Ihres Theils sträuben würden; nicht wahr, Madame?«

»Ich antworte weder ja, noch nein, Sire,« erwiederte die Königin mit jenem Unglück weissagenden Ausdruck, den der Engel des Bösen seines Sieges sicher annimmt, »man muß das bedenken.«

Dann, während sie sich entfernte, fügte sie leiser bei:

»Und ich werde es bedenken!«

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

Подняться наверх