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Erstes und zweites Bändchen
IV
Cagliostro

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Es wurde dem Unbekannten um so leichter, sich mit dieser Menge zu vermischen, als sie zahlreich war.

Sie bildete die Vorhut vom Zuge des Königs, der Königin und des Dauphin.

Man war, wie es der König gesagt hatte, gegen ein Uhr Nachmittags von Versailles abgegangen.

Die Königin, der Dauphin, Madame Royale, der Graf von Provence, Madame Elisabeth und Andrée4 waren in den Wagen des Königs gestiegen.

Hundert Wagen hatten die Mitglieder der Nationalversammlung, welche sich vom König unzertrennlich erklärt, aufgenommen.

Der Graf von Charny und Billot waren in Versailles geblieben, um die letzte Ehre dem Baron George von Charny zu erweisen, der, wie wir erzählt haben, in der erschrecklichen Nacht vom 5. auf den 6. October getödtet wurde, und um es zu verhindern, daß man seinen Leichnam verstümmelte, wie man die Leichname der Gardes du corps Baricourt und Deshuttes verstümmelt hatte.

Die Vorhut, von der wir gesprochen, welche zwei Stunden vor dem König aufgebrochen war und ihm ungefähr eine Viertelstunde voranging, war gewisser Maßen um die zwei Köpfe der Gardes du corps versammelt, die ihnen als Fahne dienten.

Als diese Köpfe bei der Schenke vom Pont de Sèvres anhielten, machte die Vorhut mit ihnen und zu gleicher Zeit mit ihnen Halt.

Diese Vorhut bestand aus zerlumpten, halb trunkenen Elenden, – Schaum, wie man ihn auf der Oberfläche jeder Ueberschwemmung sieht, mag diese nun von Wasser oder von Lava sein.

Plötzlich entstand in dieser Menge ein gewaltiger Tumult. Man hatte die Bajonnete der Nationalgarde und das weiße Pferd von Lafayette erblickt, welche unmittelbar vor den Wagen des Königs kamen.

Lafayette liebte sehr die Volksversammlungen; in der Mitte des Volkes von Paris, dessen Idol er war, regierte er wahrhaft.

Doch er liebte den Pöbel nicht.

Paris, wie Rom, hatte seine plebs und seine plebecula.

Er liebte besonders die Executionen nicht, welche der Pöbel selbst vollzog. Man hat gesehen, daß er Alles gethan, was er hatte thun können, um Flesselles, Foulon und Berthier von Sauvigny zu retten.

Es war also zugleich um vor ihm ihre Trophäe zu verbergen und um die blutigen Insignien beizubehalten, welche ihren Sieg bestätigten, diese Vorhut so weit vorangegangen.

Doch es scheint, daß, verstärkt durch das Triumvirat, welches sie in der Schenke zu treffen das Glück gehabt, die Fahnenträger ein Mittel gefunden hatten, Lafayette auszuweichen, denn sie weigerten sich, mit ihren Gefährten abzugehen, und beschlossen, da Seine Majestät erklärt habe, sie wolle sich nicht von ihren getreuen Garden trennen, so werden sie Seine Majestät erwarten, um ihren Cortége zu bilden.

Dem zu Folge begab sich die Vorhut, nachdem sie Kräfte gesammelt, wieder auf den Weg.

Dieser Pöbel, der aus der Landstraße von Paris nach Versailles abfloß, – einer ausgetretenen Gosse ähnlich, welche, noch einem Sturme, in ihren schwarzen, kothigen Wellen die Bewohner eines Palastes fortreißt, die sie auf ihrem Wege getroffen und in ihrer Heftigkeit niedergeworfen hatte, – diese Menge, sagen wir, hatte auf jeder Seite der Straße eine Art von Sog, gebildet von den Einwohnerschaften der an dieser Straße liegenden Dörfer, welche, Herbeiliefen, um zu sehen, was vorging. Von denjenigen, welche so herbeiliefen, vermischten sich Einige, – es war die kleinere Zahl, – mit der das Geleite des Königs bildenden Menge und schleuderten ihr Geschrei unter all dieses Geschrei, doch die Mehrzahl blieb unbeweglich und schweigsam aus beiden Seiten des Weges.

Sagen wir deshalb, sie haben sehr mit dem König und der Königin sympathisirt? nein, denn, abgesehen von denjenigen, welche zu der aristokratischen Klasse der Gesellschaft gehörten, litt Jedermann mehr oder weniger unter der erschrecklichen Hungersnoth, die sich über Frankreich ausgebreitet hatte. Sie schmähten also den König, den Dauphin und die Königin nicht, sie schwiegen, und das Stillschweigen der Menge ist vielleicht noch schlimmer als ihr Schmähen.

Dagegen schrie diese Menge mit voller Lunge: »Es lebe Lafayette!« welcher von Zeit zu Zeit den Hut mit der linken Hand abnahm und mit seinem Degen in der rechten Hand grüßte, und: »Es lebe Mirabeau,« welcher von Zeit zu Zeit auch seinen Kopf aus dem Schlage der Carrosse, in der er mit fünf Anderen aufgehäuft war, streckte, um mit vollen Zügen die für seine große Lunge nothwendige äußere Luft einzuathmen.

So hörte der unglückliche Ludwig XVI»für den Alles Stillschweigen war, vor sich die Sache, die er verloren: die Volksbeliebtheit, und die, welche ihm immer gefehlt hatte: das Genie, beklatschen.

Gilbert marschirte, wie er es bei der Fahrt des Königs allein gethan hatte, mit aller Welt vermischt am rechten Schlage der Carrosse des Königs, das heißt auf der Seite der Königin.

Die Königin, welche nie den Stoicismus von Gilbert begreifen konnte, dem die amerikanische Reise eine neue Herbheit beigefügt hatte, schaute mit Verwunderung diesen Mann an, der, ohne Liebe und ohne Ergebenheit für seine Fürsten, ganz einfach bei ihnen das erfüllend, was er eine Pflicht nannte, dennoch bereit war, für sie Alles zu thun, was man aus Ergebenheit und Liebe thut.

Noch mehr, denn er war bereit, zu sterben, und die Ergebenheit, die Liebe von Vielen gingen nicht so weit.

Aus den beiden Seiten des Wagens des Königs und der Königin marschirte, – außer jener Art von Leuten, die sich dieses Postens theils aus Neugierde, theils um bereit zu sein, dem erhabenen Reisenden im Nothfall beizustehen, bemächtigt hatten, – in einem sechs Zoll hohen Kothe patschend, die Damen und die Starken der Halle, welche von Zeit zu Zeit, unter ihrem buntscheckigen Flusse von Blumen und Bändern, wie eine compactere Welle zu rollen schienen.

Diese Welle war eine Kanone oder ein Pulverwagen mit Weibern beladen, welche mit lauter Stimme sangen oder aus vollem Halse schrieen.

Was sie sangen, war das alte Volkslied:

Die Bäckerin hat Thaler,

Sie kosten sie nichts.


Was sie sagten, war die neue Formel ihrer Hoffnung:

»Es wird uns nun nicht mehr an Brod fehlen, wir bringen den Bäcker, die Bäckerin und den Bäckerjungen zurück.«

Die Königin schien Alles dies zu hören, ohne etwas davon zu begreifen. Sie hielt zwischen ihren Beinen stehend den kleinen Dauphin, der diese Menge mit der bestürzten Miene anschaute, mit welcher die Fürstenkinder die Menge – in den Stunden der Revolutionen – anschauen, wie wir sie den König von Rom, den Herzog von Bordeaux und den Grafen von Paris haben anschauen sehen.

Nur ist unsere Menge stolzer und großmüthiger als jene, denn sie ist stärker und begreift, daß sie Gnade üben kann.

Der König schaute Alles dies mit seinem trüben, beschwerten Blick an. Er hatte die vorhergehende Nacht kaum geschlafen, er halte bei seinem Frühstück kaum gegessen, es hatte ihm an Zeit gefehlt, um seine Frisur wieder zurecht zu richten und zu pudern; sein Bart war lang, seine Wäsche zerknittert, lauter Dinge, welche ihm sehr zum Nachtheil gereichten. Ach! der arme König war nicht der Mann der schwierigen Umstände. Unter allen schwierigen Umständen beugte er auch das Haupt. An einem einzigen Tag erhob er es: das war aus dem Schaffot, in dem Augenblick, wo es fallen sollte.

Madame Elisabeth war der Engel der Sanftmuth und der Hingebung, den Gott zu diesen verurtheilten Geschöpfen gestellt hatte, und der den König im Temple über die Abwesenheit der Königin trösten, die Königin in der Conciergerie über den Tod des Königs trösten sollte.

Herr von Provence hatte, hier wie immer, seinen schiefen, falschen Blick; er wußte wohl, daß er, für den Moment wenigstens, keine Gefahr lief; das war in diesem Augenblick der Volksbeliebte der Familie – warum? man weiß es nicht; – vielleicht, weil er in Frankreich geblieben, während sein Bruder, der Graf d’Artois, abgereist war.

Hätte aber der König im Grunde des Herzens von Herrn von Provence lesen können, so fragt es sich, ob das, was er darin gelesen, sehr unversehrt die Dankbarkeit gelassen hätte, welche er ihm für das hegte, was er für Ergebenheit hielt.

Andrée sah aus, als wäre sie von Marmor; sie hatte nicht besser geschlafen als die Königin, nicht besser gegessen als der König, doch die Lebensbedürfnisse schienen nicht für diese ausnahmsweise Natur gemacht. Sie hatte nicht mehr Zeit gehabt, ihre Frisur wiederherzustellen oder die Kleider zu wechseln, und dennoch war auch nicht ein Haar aus ihrem Haupte in Unordnung, deutete nicht eine Falle ihres Kleides ein ungewöhnliches Zerknittern an. Wie eine Statue schienen sie diese Wogen, welche um sie her verliefen, ohne daß sie ihnen die geringste Aufmerksamkeit schenkte, noch glatter und weißer zu machen; diese Frau hatte offenbar im Innersten des Kopfes oder des Herzens einen einzigen, nur für sie leuchtenden Gedanken, zu dem ihre Seele hinstrebte, wie zum Polarstern die Magnetnadel hinstrebt. Sie glich einer Art von Schatten unter den Lebendigen, und es deutete nur Eines bei ihr an, daß sie lebte: das war der unwillkürliche Blitz, der aus ihrem Blicke zuckte, so oft ihr Auge dem Auge von Gilbert begegnete.

In einer Entsernung von ungefähr hundert Schritten, ehe er zu der Schenke kam, von der wir gesprochen, machte der Zug Halt; das Geschrei verdoppelte sich auf der ganzen Linie, Die Königin beugte sich leicht aus dem Schlage ihres Wagens, und auf diese Bewegung, welche doch einem Gruße glich, durchlief ein langes Gemurre die Menge.

»Herr Gilbert?« sagte sie.

Gilbert näherte sich dem Schlage. Da er seit Versailles seinen Hut in der Hand hielt, so hatte er nicht nöthig ihn abzunehmen, um der Königin ein Zeichen von Ehrfurcht zu geben.

»Madame?« erwiederte er.

Dieses einzige Wort deutete durch die entschiedene Betonung, mit der es ausgesprochen wurde, an, daß Gilbert ganz zu den Befehlen der Königin war.

»Herr Gilbert,« fragte Marie Antoinette, »was singt denn, was sagt denn, was schreit denn Ihr Volk?«

Man sieht gerade an der Form dieses Satzes, daß ihn die Königin vorbereitet und ohne Zweifel seit langer Zeit zwischen ihren Zähnen gekaut hatte, ehe sie ihn durch den Wagenschlag dieser Menge ins Gesicht spuckte.

Gilbert stieß einen Seufzer aus, welcher bedeutete:

»Immer dieselbe!«

Dann sprach er mit einem tiefen Ausdruck von Schwermuth:

»Ach! Madame, dieses Volk, welches Sie mein Volk nennen, ist einst das Ihrige gewesen, und es ist nun etwas weniger als zwanzig Jahre her, daß Herr von Brissac, ein äußerst artiger Höfling, den ich vergebens hier suche, Ihnen vom Balcon eben dieses Volk, welches: »»Es lebe die Dauphine!«« rief, zeigte und zu Ihnen sagte: »»Madame, Sie haben da zweimalhunderttausend Liebhaber.««

Die Königin biß sich aus die Lippen; es war nicht möglich, diesen Mann bei einem Mangel an Erwiederung oder bei einem Mangel an Respect zu ertappen.

»Ja, das ist wahr,« sagte die Königin; »das beweist nur, daß die Völker sich verändern.«

Diesmal verbeugte sich Gilbert, antwortete aber nicht.

»Ich richtete eine Frage an Sie, Herr Gilbert.« sagte die Königin mit jener Hartnäckigkeit, mit der sie bei Allem, selbst bei den Dingen, die ihr unangenehm sein mußten, zu Werke ging.

»Ja, Madame,« erwiederte Gilbert, »und ich will antworten, da Euer Majestät daraus beharrt. Das Volk singt:

Die Bäckerin hat Thaler,

Sie kosten sie nichts.


Sie wissen, wen das Volk die Bäckerin nennt?«

»Ja, mein Herr, ich weiß, daß es mir die Ehre erweist; ich bin schon an diese Spottnamen gewöhnt: es nannte mich Madame Deficit. Ist denn eine Analogie zwischen dem ersten Beinamen und dem zweiten?«

»Ja, Madame, und um sich dessen zu versichern, brauchen Sie nur die zwei ersten Verse zu erwägen, die ich Ihnen gesagt habe:

Die Bäckerin hat Thaler,

Sie kosten sie nichts.«


Die Königin wiederholte:

»Hat Thaler, sie kosten sie nichts  . . . Ich verstehe das nicht, mein Herr.«

Gilbert schwieg.

»Nun!« sagte die Königin ungeduldig, »haben Sie nicht gehört, daß ich nicht verstehe?«

»Und Eure Majestät verlangt beharrlich eine Erklärung?«

»Allerdings.«

»Das will besagen, Madame, Eure Majestät habe sehr gefällige Minister gehabt, Finanzminister besonders, Herrn von Calonne, zum Beispiel; das Volk weiß, wie Eure Majestät nur zu verlangen brauchte, daß man ihr gab, und da es keine große Mühe kostet, zu verlangen, wenn man Königin ist, weil man, indem man verlangt, befiehlt, so singt das Volk:

Die Königin hat Thaler,

Sie kosten sie nichts,

das heißt, sie kosten sie nur die Mühe, sie zu verlangen.«

Die Königin preßte krampfhaft ihre weiße Hand zusammen, welche auf dem rothen Sammet des Wagenschlags lag.

»Gut,« sprach sie, »das ist es also, was das Volk singt. Gehen wir nun, wenn es Ihnen beliebt, Herr Gilbert, da sie seine Gedanken so gut erklären, zu dem über, was es sagt,«

»Madame, das Volk sagt: »»Es wird uns nicht mehr an Brod mangeln, nun da wir den Bäcker, die Bäckerin und den Bäckerjungen haben.««

»Sie werden mir diese zweite Unverschämtheit so deutlich erklären, als die erste, nicht wahr? Ich rechne darauf.«

»Madame,« erwiederte Gilbert mit derselben schwermüthigen Sanftheit, »wenn Sie vielleicht nicht die Worte, sondern die Intention dieses Volkes erwägen wollten, so würden Sie sehen, daß Sie sich nicht so sehr, als Sie glauben, hierüber zu beklagen haben.«

»Lassen Sie hören,« sprach die Königin mit einem nervösen Lächeln. »Sie wissen, daß es mir sehr lieb ist, wenn man mich aufklärt, Herr Doctor. Sprechen Sie, ich höre, ich warte.

»Madame, mit Recht oder mit Unrecht hat man diesem Volke gesagt, es werde in Versailles ein großer Mehlhandel getrieben, und deshalb komme kein Mehl mehr nach Paris. Wer nährt dieses arme Volk? Der Bäcker und die Bäckerin des Quartiers. Gegen wen strecken der Vater, die Mutter, der Sohn flehend ihre Hände aus, wenn in Ermangelung von Geld das Kind, die Frau oder der Vater Hungers sterben? Gegen diesen Bäcker, gegen diese Bäckerin. Wen fleht der Arme nach Gott an, der die Ernten wachsen macht? Diejenigen, welche das Brod austheilen. Sind nicht Sie, Madame, ist nicht der König, ist nicht selbst dieses erhabene Kind, sind Sie nicht alle Drei die Ausspender des Brodes von Gott? Wundern Sie sich also nicht über den süßen Namen, den Ihnen dieses Volk gibt, und danken Sie ihm für die Hoffnung, daß es, so bald der König, die Königin und der Herr Dauphin in der Mitte von zwölfmalhunderttausend Hungerigen sein werden, diesen zwölfmalhunderttausend Hungerigen an Nichts mehr fehlen werde.«

Die Königin schloß ein paar Secunden die Augen, und man sah sie eine Bewegung mit dem Kinnbacken und dem Halse machen, als versuchte sie es, ihren Haß zugleich mit dem scharfen Speichel, der ihr die Kehle verbrannte, hinunter zu schlucken.

»Und was es ruft dieses Volk, was es dort vor uns, hinter uns ruft, müssen wir ihm auch dafür danken, wie für die Spottnamen, die es uns gibt, wie für die Lieder, die es uns singt?«

»Oh! ja, Madame, und zwar noch aufrichtiger; denn, dieses Lied, welches es singt, ist nur der Ausdruck seiner guten Laune, denn die Spottnamen, die es Ihnen gibt, sind nur die Offenbarung seiner Hoffnungen, aber die Rufe, die es ertönen läßt, sind der Ausdruck seines Wunsches.«

»Ah! das Volk wünscht, daß die Herren von Lafayette und Mirabeau leben?«

Die Königin hatte, wie man sieht, vollkommen gehört, was man sang, sagte und rief.

»Ja, Madame,« antwortete Gilbert, »denn wenn sie leben, so können Herr von Lafayette und Herr von Mirabeau, welche, wie Sie sehen, in diesem Augenblick getrennt sind, getrennt durch den Abgrund, über dem Sie schweben, – denn wenn sie leben, so können Herr von Lafayette und Herr von Mirabeau sich vereinigen und, indem sie sich vereinigen, die Monarchie retten.«

»Mein Herr,« rief die Königin, »das heißt, die Monarchie sei so tief gesunken, daß sie nur durch diese zwei Männer gerettet werden könne?«

Gilbert wollte eben antworten, als man Schreckensschreie, gemischt mit entsetzlichem Gelächter, vernahm und in der Menge eine große Bewegung vorgehen sah, welche, statt ihn davon zu entfernen, Gilbert dem Wagenschlage näherte, an den er sich anklammerte, denn er errieth, es ereigne sich etwas, was vielleicht zur Vertheidigung der Königin die Anwendung seines Wortes oder seiner Kraft nothwendig mache.

Es waren die zwei Kopfträger, welche, nachdem sie die Köpfe durch den unglücklichen Leonard hatten pudern und frisiren lassen, sich das Vergnügen bereiten wollten, dieselben der Königin zu präsentiren, wie sie sich, – dieselben vielleicht, – das Vergnügen bereitet hatten, Berthier den Kopf seines Schwiegervaters Foulon zu präsentiren.

Diese Schreie waren die, welche bei dem Anblick der zwei Köpfe die Menge ausstieß, während sie auf die Seite trat, von selbst sich zurückdrängte und sich erschrocken öffnete, um sie durchzulassen.

»In des Himmels Namen, Madame,« sprach Gilbert, »schauen Sie nicht nach rechts!«

Die Königin war nicht die Frau, einer solchen Ermahnung zu gehorchen, ohne sich der Ursache zu versichern, aus der man sie ihr machte.

Ihre erste Bewegung war folglich, daß sie die Augen nach dem Punkte wandte, den ihr Gilbert verbot. Sie gab einen gräßlichen Schrei von sich.

Doch plötzlich gingen ihre Augen von diesem entsetzlichen Schauspiel ab, als wären sie einem noch viel entsetzlicheren begegnet, und als könnten sie, an ein Medusenhaupt genietet, sich nicht von diesem losmachen.

Dieses Medusenhaupt war der Kopf des Unbekannten, den wir in der Schenke vom Pont de Sèvres mit Meister Gamain haben plaudern und trinken sehen; er stand mit gekreuzten Armen an einen Baum gelehnt.

Die Hand der Königin erhob sich von dem sammetnen Wagenschlag; sie stützte sich auf die Schulter von Gilbert und hielt sich einen Augenblick so krampfhaft daran, daß sich ihre Nägel in das Fleisch eindrückten.

Gilbert wandte sich um.

Er sah die Königin bleich, die Lippen bebend, die Augen starr.

Diese übermäßige nervöse Aufregung hätte er vielleicht der Gegenwart der zwei Köpfe zugeschrieben, wäre das Auge von Marie Antoinette auf den einen oder den andern geheftet gewesen.

Aber der Blick lief horizontal in Manneshöhe aus.

Gilbert folgte diesem Blicke, und wie die Königin einen Schreckensschrei ausgestoßen hatte, gab er einen Schrei des Erstaunens von sich.

Dann murmelten Beide gleichzeitig:

»Cagliostro!«

Der Mann, der an dem Baume lehnte, sah seinerseits vollkommen die Königin.

Er winkle Gilbert mit der Hand, als wollte er sagen: »Komm.«

In diesem Augenblick machten die Wagen eine Bewegung, um weiter zu fahren.

Durch eine maschinenmäßige, instinctartige, natürliche Bewegung stieß die Königin gleichzeitig Gilbert fort, daß er nicht durch das Rad zermalmt werde.

Er glaubte, die Königin habe ihn gegen diesen Mann gestoßen.

Aber hätte ihn die Königin auch nicht gestoßen, so stand es ihm doch, sobald er erkannt, wer Jener war, gewisser Maßen nicht mehr frei, nicht zu ihm zu gehen.

Dem zu Folge ließ er den Zug unbeweglich defiliren; dann folgte er dem falschen Arbeiter, der sich von Zeit zu Zeit umwandte, um zu erfahren, ob man ihm wirklich folgte, trat hinter ihm in ein Gäßchen ein, stieg gegen Bellevue aus einem ziemlich jähen Abhange hinauf und verschwand hinter einer Mauer gerade in dem Augenblick, wo aus der Seite von Paris der Zug verschwand, so völlig verborgen durch die abschüssige Lage des Berges, als ob er sich in einen Abgrund versenkte.

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 Wir sprechen immer in der Ueberzeugung oder wenigstens in der Hoffnung, unsere Leser von heute seien unsere Leser von gestern und folglich vertraut mit unseren Personen. Wir glauben also nicht nicht nöthig zu haben, sie an etwas Anderes zu erinnern, als daran, daß Fräulein Andrée von Tavernen, die Gräfin von Charny, die Schwester von Philipp und die Tochter des Baron von Taverney von Maison-Rouge ist. A. Dumas.

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4

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