Читать книгу Die Türme von Eden - Alessandra Reß - Страница 11
ОглавлениеKAPITEL 7
SEELEN
Schon vor dem Einsatz des Schweigenden Gifts, das Thot von Grund auf veränderte, hatten seine Dschungel, die sich von Kalliope bis hinunter nach Dedwen zogen, einen zwielichtigen Ruf gehabt.
Die Metropolen der Fürstenhäuser von Thot waren auf einem mindestens ebenso hohen Bildungs- und Technologiestand gewesen wie jene des Leitplaneten Legba. Nicht umsonst hatten die lokalen Universitäten zu den besten ganz Aditis gehört. Und auch viele der kleineren Orte, darunter Dantes Heimatdorf, hatten vom ausgeprägten Entwicklungsstand des Planeten profitiert, wenn sie in Nähe der Metropolen oder wichtiger Handelsrouten angesiedelt waren.
In den abgelegeneren Gebieten aber, den Dörfern und Außenposten im Dschungel, war der Planet ein anderer gewesen.
Auf allen Planeten gab es Schweigende Orte, Landflecken, die sich dem menschlichen Zugriff verwehrten und an denen angeblich noch immer der Einfluss der Schweigenden spürbar war – das, was manche ›Magie‹ nannten. Dante hielt diese Vorstellung zwar kaum für glaubwürdiger als die Erzählungen über Eden, konnte aber nicht abstreiten, dass an diesen Flecken Außergewöhnliches vorging. Auf Thot und Adad gab es weitaus mehr von ihnen als auf den anderen Planeten und mehrere fanden sich im Regenwaldgebiet zwischen Kalliope und Dedwen. Dante hatte manche von ihnen besucht. Er wusste um die eigentümlichen Pflanzen, die verwelkten, sobald man sie von den Schweigenden Orten fortbrachte. Und um die sonderbaren Steine, die sich der Schwerkraft widersetzten, jedoch zu Boden fielen, wenn man sie aus ihrer Umgebung entfernte. Er hatte auch die körperlosen Stimmen gehört, die jeder vernahm, der zu lange an den Schweigenden Orten verweilte. Sie flüsterten in einer Sprache, die keiner der Gelehrten aus den Metropolen zu übersetzen wusste. Vielleicht waren es die Stimmen, die die Schweigenden verloren hatten, als die Menschen in ihr Reich gelangten. Vielleicht waren sie aber auch nur ein Effekt der Substanz, die die Luft an den Schweigenden Orten leichter zu machen schien und einen Rausch bei jenen hervorrief, die zu lange blieben. An den Universitäten Thots und auf Cyberia hatte man früher viel mit dieser Substanz experimentiert. Seit das so entwickelte Gift, das Tacid, genutzt worden war, um ganz Thot auszulöschen, wurde jeglicher Umgang damit jedoch streng beschränkt und überwacht.
Manchmal hatte Dante auch Gerüchte über von fremdartigen Wesen verschleppte Menschen gehört, oder von Leuten, die unter dem Einfluss der Substanz anders geworden waren. Aber Dante hatte zwanzig Jahre lang nur wenige hundert Meter von einem dieser sagenumwobenen Orte entfernt gelebt und dessen Geheimnisse waren ihm nie bedrohlicher vorgekommen als die Jaguare, Spinnen und Schlangen, mit denen es ein unvorsichtiger Wanderer im restlichen Teil des Waldes zu tun bekommen konnte. Wie alles, was mit den Schweigenden zu tun hatte, dienten auch solche Geistergeschichten vor allem dazu, die universelle Ethik zu untermauern, die im Engelsglauben ihren Höhepunkt fand.
Als Dante nun durch den Wald stolperte, musste er trotzdem an die Gerüchte denken. Was, wenn an Talanes Worten etwas dran war? Gleich, auf was die Schweigenden Orte beruhten – wer wusste schon, was das Gift mit ihnen angestellt hatte? Vielleicht aber waren sie auch das Einzige auf Thot, was sich vom Gift unbeeindruckt zeigte? Schließlich beruhte beides auf denselben Naturgesetzen.
Dennoch, Dantes Beunruhigung wuchs mit jedem Schritt, der ihn dem Schweigenden Ort im Wald näherbrachte. Zumindest glaubte er, dass dieser hier irgendwo liegen musste. Doch die ganze Umgebung sah so anders, so fremd aus. Senken und tiefe Krater kündeten von verirrten Bomben und überwucherte Zäune erinnerten an die letzten Außenposten des Dorfs. Und selbst wenn der Krieg nicht gewesen wäre, hätte Dante sich hier wahrscheinlich nicht mehr zurechtgefunden. Es war zu lange her, dass er zuletzt durch die Wälder gestreift war.
Er konnte nur hoffen, dass er überhaupt noch in die Richtung ging, aus der die Schreie zu ihm gedrungen waren. Seit Talane verschwunden war, hatte er den Ruf nur noch ein einziges Mal vernommen. Womöglich war er längst an der Quelle des Geräuschs vorbeigelaufen!
Gerade, als ihm dieser Gedanke kam, ertönte der Schrei erneut. Dieses Mal klang er deutlicher. Hastig kletterte Dante über Wurzeln, stolperte über zwischen Farnen verborgene, dicke Äste, schob die Luftwurzeln der Feigenbäume zur Seite und bemühte sich trotz allem, einen Blick für die Gefahren des Dschungels zu bewahren. Dante war nie ein großer Waldläufer gewesen, aber einige Regeln hatte jeder Thotaner verinnerlicht: Viel Lärm machen, um Raubtiere zu verscheuchen. Und wann immer es geht, Äste zertreten, um für Erschütterungen zu sorgen.
Wenn man den Tieren des Regenwaldes entgehen wollte, war sich leise zu bewegen, so ziemlich das Unklügste, das man tun konnte. Dante wünschte allerdings, er hätte zusätzlich Feuer bei sich. Früher hatte er den Wald wohlweislich nie ohne Feuerzeug betreten, oft sogar Fackeln mitgenommen.
Er erklomm eine von Farnen und Moos bewachsene Erhöhung – und blieb abrupt stehen. Vor ihm lag nicht mehr der gewohnte Anblick aus scheinbar undurchdringlichen Grün- und Brauntönen. Stattdessen begann in wenigen Metern Entfernung ein gewaltiger Krater.
Er erstreckte sich vor Dante mit einem Durchmesser von sicher zweihundert Metern. Er konnte nicht aus einem gewöhnlichen Bombenangriff Cuchulains stammen, aber es war Dante auch ein Rätsel, wie er sonst entstanden sein könnte. Die üppige Vegetation rundherum hatte ihn sich jedenfalls nicht zu eigen gemacht.
Dante ging vorsichtig näher an das gähnende Loch. Hier und da entdeckte er an den Erdwänden bunte Pflanzen. Es waren keine Bromelien und Orchideen wie im restlichen Wald, sondern lange, hellgrüne Gewächse, deren Blätter entfernt an Farn erinnerten, jedoch schillernde, kelchförmige Blüten trugen. An einigen Stellen hatten sich die Blüten von den Stängeln gelöst und schwebten reglos in der Luft. Vor langer Zeit hatte Dante solche Blüten schon einmal gesehen, und eine Erinnerung an einen frischen minzigen Geruch stahl sich in seine Gedanken.
Er hatte den Schweigenden Ort erreicht – oder das, was von ihm noch übrig war.
Während er diese Erkenntnis verdaute, fiel ihm auf, dass das Flimmern hier erneut auftrat. Während es zuvor Dantes ganzes Sichtfeld ausgemacht hatte, entdeckte er es jetzt jedoch nur an einer Stelle am Rand des Kraters. Er blinzelte und in diesem Moment sackte ein Teil des Randes weg.
Unwillkürlich zog sich Dante ein Stück zurück. Das Flimmern war mit dem weggebrochenen Stück Erde verschwunden, doch Dante entdeckte eine weitere flimmernde Stelle. Kurz darauf brach auch sie weg, mit einem kurzen zischenden Geräusch ähnlich dem eines Wassertropfens auf einem heißen Herd.
Dante wurde klar, dass Talane ihn erneut angelogen hatte: Die Luftveränderung war keine Nebenwirkung des Serums. Aber was bedeutete sie dann? Und weshalb ging das Flimmern nun mit dem Wegbrechen von Erde einher? Dante konnte sich keinen Reim darauf machen.
Durch den Anblick des Kraters hatte er fast vergessen, weshalb er hergekommen war. Ein neuerlicher Ruf jedoch erinnerte ihn daran. Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit schwangen in ihm mit. Obwohl er diesmal leiser war, kam er gleich aus der Nähe. Natürlich – Dante wusste aus Erfahrung, dass jemand, der im dichten Wald um Hilfe schrie, kaum drüben in der Stadt gehört worden wäre.
Einen Moment lang zögerte er und hielt Ausschau nach weiteren Luftveränderungen. Erst, nachdem er keine entdeckte, wagte er sich vor. Kurz vor dem Abgrund ließ er sich auf die Knie nieder und krabbelte vorsichtig vorwärts.
Am Rand angekommen, stockte ihm der Atem. Von hier oben schien es ihm, als blicke er in einen bodenlosen Abgrund. Weit unten verlor er sich in flimmernder Schwärze und Dante konnte nicht sagen, was sich am Grund verbergen mochte. Bei dem Anblick schwindelte ihm und er wollte sich schon wieder zurückziehen, doch da entdeckte er eine Gestalt, die unter ihm auf einem schmalen Vorsprung kauerte. Zwischen dem Rand und ihr lagen etwa fünf Meter glatter Erde.
Dante seufzte innerlich, als er die charakteristische Frisur bemerkte. Es war der Novize aus Cuchulain, mit dem er geredet hatte.
»Hey!«, rief Dante, woraufhin der Novize so heftig zusammenzuckte, dass er fast in den Abgrund gestürzt wäre.
Er brauchte einen Moment, bis er Dante entdeckte. »Hilfe!«, schrie er dann in der legbaischen Gemeinsprache und selbst auf die Entfernung bemerkte Dante sein Zittern.
»Beruhig dich«, rief Dante hinunter. »Ich hol dich da raus.«
Der Novize antwortete etwas, doch Dante lief bereits zurück zum Wald. Sein Ziel waren die Luftwurzeln der Feigenbäume. Zum Hochklettern war die Wand zu glatt, aber wenn er es schaffte, die Wurzeln am Rand des Kraters zu befestigen, konnte der Cuchulainer sie nutzen, um hochzuklettern. Nach allem, was Dante über die Ausbildung der Kriegsjungen von Cuchulain wusste, sollte das für ihn keine große Herausforderung darstellen. Das Problem würde eher sein, ausreichend lange Wurzeln zu finden und herzutragen.
Dante markierte seinen Weg durch den Wald, indem er Äste an Baumstämme lehnte oder Steine aufeinanderstapelte, während er den Weg zurück zum Dorf einschlug.
In den Steinruinen der Twi-Häuser fand Dante abgebrochene Metallstücke und halb überwucherte, spitze Scherben, mit denen er die Wurzeln abschneiden konnte. Er rief nach Talane; wenn er ihr von dem Cuchulainer erzählte, würde sie ihm vielleicht helfen. Aber sie reagierte nicht und Dante widerstand der Versuchung, zu dem Haus zu laufen, an dem sie vielleicht noch auf ihn wartete.
Erneut fühlte er sich von ihr betrogen. Sie hatte ihn angelogen, was die Wirkung des Serums anging, und je mehr er darüber nachdachte, desto mehr bekam er das Gefühl, dass sie ihn nicht aus Sorge vom Wald hatte fernhalten wollen. Aber warum dann? Hing es mit der Prüfung zusammen? Oder mit dem Novizen im Abgrund? Weshalb kam ihm überhaupt niemand von den Liminalen zur Hilfe, die doch sicher jeden Schritt überwachten?
Mühevoll drängte Dante auch diese Fragen zurück. Im Moment zählte nur, den Novizen aus dem Krater zu bekommen, und das möglichst bevor erneut ein Stück Rand wegbrach.
Schon auf seinem Weg zurück zu den Ruinen hatte Dante eine Baryan-Feige ausgemacht, deren Luftwurzeln seine Längenanforderungen erfüllten und die bereits fast den Boden erreichten.
In seiner Kindheit hatte Dante oft Luftwurzeln und steife Lianen genutzt, um die glatten Stämme der Baryan-Feige hochzuklettern. Nach zwei vergeblichen Anläufen schaffte er es auch jetzt, hoch genug zu kommen, um über die Äste weiter in die Baumkrone zu klettern.
Zwischendurch hörte er die Hilferufe des Cuchulainers, blendete sie aber aus. Jetzt vom Baum zu stürzen oder einem Jaguar auf den Schwanz zu treten, würde niemandem helfen.
Oben angekommen nutzte Dante ein gezacktes Metallstück, um drei Luftwurzeln abzuschneiden. Er hoffte nur, sie würden den Novizen auch tragen.
Zurück auf festem Boden, legte Dante die Luftwurzeln über einen umgestürzten Baumstamm und begann, sie ineinander zu drehen. Es kostete Zeit und seine Nervosität bremste ihn umso mehr. Aber wenn das Seil fertig war, würde es zusätzliche Stabilität mit sich bringen.
Mit dem Geflecht lief Dante so schnell wie möglich zurück zum Krater. In der Zwischenzeit hatten sich weitere Stücke vom Rand gelöst, und einen Moment lang fürchtete Dante, zu spät zu sein. Dann jedoch fand er den Cuchulainer wieder, der weiterhin auf dem Vorsprung kauerte und mit großen Augen zu Dante hinaufblickte.
»Ich habe ein Seil, an dem du rausklettern kannst«, rief der ihm zu. »Ich muss nur noch etwas finden, woran ich es befestigen kann.«
Die nächsten Bäume standen allerdings in drei Metern Entfernung, zu weit, um die Wurzeln um ihre Stämme zu binden.
»Da oben hängt ein Ast raus«, kam es aus dem Krater.
Zunächst ignorierte Dante den Einwurf, wurde dann aber hellhörig. Ein Stück links entdeckte er wenige Zentimeter unterhalb des Rands tatsächlich eine kurze, aber kräftige Wurzel, die aus der Erdwand hervorlugte.
Dante zögerte, unsicher, ob der Ast dem Gewicht standhalten würde. Aber welche Alternative hatte er?
»Bist du verletzt?«, erkundigte er sich, während er sich an den Rand legte und das improvisierte Seil um die Wurzel schlang. Besonders fest konnte er den Knoten nicht machen, dafür war das Geflecht nicht elastisch genug.
»Nicht schlimm«, kam es gedämpft von unten. »Aber ich habe sie nicht gerettet.«
»Wen?«, fragte Dante zerstreut.
»Das Mädchen.«
Dante hob den Kopf. »Das Mädchen? Eine Novizin?«
»Ich habe sie nicht gerettet«, wiederholte der Cuchulainer nur. »Ich wollte ihr helfen, aber der Boden ist einfach verschwunden. Ich habe sie nicht gerettet.« Es klang fast wie ein Mantra.
Dante warf einen Blick nach unten. Falls das Mädchen da hinuntergefallen war, konnte ihr niemand mehr helfen. Wie zuvor entdeckte Dante nicht den Boden, sondern nur dieses seltsame Flimmern.
»Ich habe sie nicht gerettet«, wiederholte der Novize seinen letzten Satz.
Das Seil hing inzwischen so fest wie möglich an der Bodenwurzel. Zufrieden war Dante nicht.
»Ich glaube, ich sehe lieber nach, ob ich …«
… etwas finde, um das Seil bis zum Waldrand zu verlängern, hatte er sagen wollen. Doch in diesem Moment sackte erneut ein Stück Wand ab und fiel zischend in die flimmernde Tiefe.
»Wirf mir einfach das Ding zu«, rief der Novize. »Wenn ich falle …« Er zuckte mit den Schultern.
›Wirf mir das Ding zu‹ gestaltete sich nicht unbedingt einfach. Indem Dante das Seil leicht zur Seite schwenkte, gelang es ihm aber, es in Reichweite des Cuchulainers zu bringen. Der griff danach und schwang sich todesmutig zur Seite, weg vom Vorsprung.
Das improvisierte Seil verzog sich unter dem Gewicht und der Novize sackte ab. Bei dem Anblick stockte Dante der Atem, aber die Konstruktion hielt.
Dante hatte erwartet, der Novize würde versuchen, die Wand senkrecht hochzulaufen. Stattdessen nutzte er nur seine Oberarme, um nach oben zu klettern.
Die unglaubliche Kraftanstrengung weckte gleichzeitig Abneigung und Bewunderung in Dante – wie stets, wenn er Zeuge der Künste der Kriegsjungen von Cuchulain wurde. Mit sechs Jahren begannen die körperlich geeigneten Jungen mit der Ausbildung, die bis zu ihrem Tod anhielt. Sie entwickelten dabei geradezu unmenschliche Fähigkeiten.
Dante fragte sich allerdings, wozu das alles gut sein sollte. Die Stämme Cuchulains lagen in ständigem Krieg miteinander und zahllose Kriegsjungen erlebten nicht einmal ihre Volljährigkeit.
Das Alter des jungen Mannes, der an den Luftwurzeln hing, schätze Dante auf Mitte Zwanzig. Entweder hatte er bisher viel Glück gehabt oder er war begabt. Wenn Dante ihm so zusah, vermutete er Letzteres.
Kurz bevor der Cuchulainer den Rand erreichte, nahm er eines seiner Beine zur Hilfe; das andere ließ er hängen, als sei es verletzt. Das letzte Stück zog Dante ihn halb hoch, halb kletterte er selbst hinauf. Oben angekommen, ließ er sich schwer atmend ins Gras sinken.
»Komm weg vom Rand«, sagte Dante und hievte ihn wieder hoch. Ruckartig setzte sich der Novize auf, umfasste Dantes Arm und sah ihn eindringlich an.
»Ich konnte sie nicht retten.«
»Wen?«, fragte Dante erneut und versuchte vergeblich, sich aus dem Klammergriff zu befreien. Während der Cuchulainer hochgeklettert war, hatte er einen konzentrierten, besonnenen Eindruck gemacht. Nun aber stand fiebrige Verzweiflung in seinem Blick und er zitterte erneut. Seiner Kraft tat das allerdings keinen Abbruch – Dantes Arm schmerzte jetzt schon, obwohl der Cuchulainer ihn nur mit einer Hand umklammerte.
»Das Mädchen«, antwortete er. »Ich habe sie nicht retten können. Ich habe es versucht, aber sie ist gestürzt … einfach gestürzt … und ich habe nichts mehr getan. Ich habe nur zugesehen und nichts getan, als er sie getötet hat.«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst. Wer hat wen getötet?« Dante warf einen beunruhigten Blick zum Rand zurück. Für seinen Geschmack waren sie viel zu dicht am Krater. Ein Stück entfernt brach wieder ein Stück Erde ab.
»Hör zu, wir müssen weg hier«, startete Dante einen neuen Versuch. »Der Rand bricht weg, wenn wir hierbleiben, werden wir runtergerissen!«
»Die Engel haben sie zurückgesandt«, redete der Mann weiter, ließ aber endlich Dantes Arm los. »Sie haben sie zurückgesandt, sie haben mir eine zweite Chance gegeben, aber ich habe wieder versagt!«
Zwar schaffte Dante es, ihn halbwegs auf die Beine zu stellen, der Novize blieb aber passiv und hatte offenbar Probleme damit, seinen rechten Fuß zu belasten. Dante legte sich den linken Arm des Cuchulainers um die Schultern und stolperte mit ihm zum Waldrand, während der weiter vor sich hin brabbelte: »Das Mädchen … ich war einfach zu spät, ich habe sie schon wieder im Stich gelassen …«
Dante ignorierte ihn.
»Der Boden zittert«, flüsterte der Cuchulainer plötzlich.
Er hatte Recht. Das Flimmern war wieder da, diesmal jedoch direkt unter ihnen. Es wurde von einer leichten Vibration begleitet.
»In den Wald!«, schrie Dante und zog den Cuchulainer hinter sich her, der endlich aus seiner Lethargie erwachte.
Die beiden kletterten über die Erhöhung, von der aus Dante den Krater das erste Mal gesehen hatte, und der Boden brach hinter ihnen weg. Doch damit endete es nicht. Auch der Waldboden vibrierte und flimmerte nun, und das Zittern übertrug sich auf die Bäume ringsum.
»Was zum …« Dante blinzelte, aber das Flimmern blieb, erfasste nun wieder sein gesamtes Sichtfeld. Nur der Cuchulainer blieb klar sichtbar. Seinem entsetzten Gesichtsausdruck entnahm Dante, dass er dasselbe sah.
»Sie lassen die Welt einstürzen«, flüsterte der Novize.