Читать книгу Die Ketzer von Antiochia - Alexander L. Cues - Страница 17

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X Endlich war es soweit: Ein Schiff aus Alexandria war angekündigt. Schon am Vortag waren Rahel, ihre Kinder, Berenike, Alexander und die jüngeren Geschwister nach Seleukia Pieria gegangen, um die Ankunft Menachems auf keinen Fall zu versäumen. Sie übernachteten dort im Haus des Schiffbauers Philo, der ein guter Freund ihres Armenpflegers Kleopas war und wie er aus Syracus stammte. Dessen Frau Miriam empfing sie mit großer Herzlichkeit. Beide waren liebenswürdige Gastgeber und freuten sich offensichtlich, so viele Gäste auf einmal unter ihrem Dach beherbergen zu können. Am nächsten Morgen waren sie schon in aller Frühe aufgestanden, um sich pünktlich zum Hafen zu begeben, wo auch schon andere Menschen sehnsüchtig das Schiff erwarteten. Viele von ihnen hatten Waren mitgebracht, die für Rom oder Cypros bestimmt waren, denn nach einigen Tagen sollte es dorthin zurückfahren. Die Geduld der wartenden Menge wurde auf eine harte Probe gestellt, die sich für Menachems Mutter und für Berenike wie eine Ewigkeit anfühlte. Es war schon später Nachmittag, als endlich das Rahsegel eines großen Lastschiffes am Horizont erschien. Als es dann schließlich im Hafen festmachte, hatte sich schon die Dunkelheit ausgebreitet. Die ersten Personen gingen im Schein der Fackeln von Bord, Lastenträger mit großen Ballen Getreide aus dem Nildelta. Andere trugen Fässer mit gesalzenem Fisch. Wieder andere schleppten Säcke mit Datteln und anderen Früchten aus Nordafrika aus dem Bauch des Schiffes. Danach verließen römische Legionäre das Schiff, die ihre Zelte und Waffen mit sich führten. Pferde wurden von Sklaven an Land gebracht. Nach ihnen kamen Händler aus Alexandria und Cypros, Handwerker und Sklaven aus Nubien und Ägypten, die unendlich viele Säcke aus dem Schiff trugen und unter ihrer schweren Last ächzten. Alexander fragte sich, was wohl in diesen Säcken sein mochte. Schließlich folgten noch römische Beamte im Gewand des Ritterstandes. Darunter war – den ungläubigen Frauen stockte der Atem – Menachem, den sie kaum wiedererkannt hätten, wenn er ihnen nicht schon von Bord aus zugewinkt hätte. Seine hohe, schlanke Gestalt war eingehüllt von der reich verzierten, weißen Toga des römischen Ritterstandes. Hinter ihm, das Land und die frische Brise des Abends mit lauten Trompetenstößen begrüßend, sieben riesige Elefanten, bestimmt für die Arbeiten des Wiederaufbaus in Antiochia. Die an Land Wartenden staunten vor Verwunderung, denn solch ein imposantes Schauspiel hatten sie noch nie erlebt. Menachem wurde von den Frauen herzlich, aber mit der gebotenen Zurückhaltung begrüßt. Berenike wusste ihre Freude allerdings kaum zu verbergen, was ihr Bruder, aber auch ihre jüngeren Geschwister durchaus bemerkten. Lea und Zippora konnten sich am Gewand, das ihr Bruder trug, gar nicht sattsehen. „Darf ich dir helfen, dein Gepäck zu tragen?“ fragte Alexander, denn es waren mehrere Kisten, die von zwei Sklaven getragen wurden. Menachem bedankte sich und wies auf die Sklaven: „Darf ich euch Apollonios und Meleagros aus Thrakien vorstellen? Sie werden sich um das Gepäck kümmern.“ Da es Abend war und Dunkelheit den Rückweg nach Antiochia außerordentlich erschwert hätte, übernachteten sie wiederum im gastfreien Haus des Philo und seiner Frau Miriam. Es hätte so viel zu erzählen gegeben an diesem Abend. Da sie alle aber erheblichen Schlafmangel hatten, mussten sie darauf verzichten und auf den nächsten Tag warten, um von Menachem zu erfahren, was er in der Hauptstadt des Imperiums erlebt hatte. Die Hafenstadt Seleukia Pieria kam allerdings nicht so schnell zu Ruhe, schlugen doch die Legionäre ganz nahe am Hafen ihre Zeltstadt auf, und auch die Arbeitselefanten waren durch ihre Treiber nicht so schnell zu beruhigen. Erst nachdem die Tiere versorgt waren, hörte man ihre Trompetenstöße nicht mehr; nur ihr gelegentliches Schnauben war noch zu vernehmen. Der nächste Tag begann früh am Morgen noch vor Sonnenaufgang. Im Haus des Schiffbauers Philo waren zuerst die Kinder auf den Beinen: „Wir wollen unbedingt die Elefanten sehen,“ riefen Zippora und Lea. Menachem und die Seinen nahmen das von Miriam bereitete Frühstück gerne an und bereiteten ihren Abmarsch vor. Draußen hatten die Legionäre den Abbau der Zelte gerade beendet und ihre Waffen angelegt. Sklaven hatten ihr Marschgepäck bei sich und warteten auf den Befehl zum Aufbruch. Langsam formierte sich eine kilometerlange Karawane. Vorneweg marschierte ein Manipel Soldaten mit ihrem Feldzeichen, die der ranghöchste Centurio, der zu Pferd ritt, anführte. Dann folgte das Heer der Sklaven, die ihre Lasten trugen. Hinter ihnen marschierte wieder ein Manipel. Danach folgten die vielen Mitreisenden aus Italien, Nordafrika, Cypros, Kreta, Alexandria und die Einwohner Antiochias, die am Vortag ihre Angehörigen auf dem Schiff begrüßt hatten, darunter auch Menachem und Alexander mit ihren Familien. Lasttiere, Pferde, Elefanten mit ihren Treibern bildeten den Schluss des Zuges, der auch hinten wieder von Legionären gesichert wurde. In dieser großen Karawane kam man nur langsam und mühselig voran an diesem Tag. Regen und ein unangenehmer Wind behinderten das Fortkommen erheblich. Mehrfach musste man anhalten, weil Pferde und Elefanten um Risse und Spalten auf der Straße, in denen sich Wasser gesammelt hatte, herumgeführt werden mussten. Auch die Sklaven, durch ihre Aufseher zu Höchstleistungen angetrieben, brauchten Erholungspausen. So erreichte man erst am Abend, müde und am ganzen Körper durchnässt, das Brückentor von Antiochia, wo sich die Nachricht von der Ankunft der Karawane schon längst verbreitet hatte. Im Fackelschein wurden die Ankömmlinge von vielen Einwohnern der Stadt herzlich willkommen geheißen, sogar der Legat Ummidius ließ es sich nicht nehmen, sie persönlich zu begrüßen. Der Centurio erstattete Meldung über die Personen und Waren, die mitgekommen waren. Er kündigte noch weitere Schiffe an, mit der die Zahl der Soldaten aufgestockt werden sollte. Unter denen, die zum Empfang gekommen waren, befand sich auch Porphyrios, der Menachem wie einen guten alten Freund begrüßte. Sie vereinbarten, sich bald zu treffen, um die Maßnahmen für den Wiederaufbau in der Stadt zu besprechen. Alexander, Berenike und ihre Geschwister begleiteten Menachem, Rahel, die Kinder und die beiden Sklaven zu ihrer Wohnstätte. Als sie dort ankamen, lud Rahel sie ein, bei ihnen zu übernachten. Jetzt war für Menachem endlich die Zeit gekommen, allen von seinen vielen Erlebnissen zu berichten. Und er konnte spannend erzählen! „Rom ist eine vollkommen andere Welt. Das könnt ihr euch nicht vorstellen. Solche Bauwerke wie dort hatte ich noch nie vorher gesehen oder überhaupt nur davon gehört. Eine Stadt ganz aus Marmor, erbaut von Julius Caesar und Augustus. Ihr könnt Euch das nicht vorstellen, schneeweißer Marmor überall! Der Tempel des Apollo leuchtet regelrecht mit seinen vergoldeten Bronzeziegeln. Das gewaltige Mausoleum des Göttlichen Augustus auf dem Marsfeld stellt alles in den Schatten, was Architekten je gebaut haben. Der Obelisk des Sonnengottes aus Ägypten ist dort der Zeiger einer gigantischen Sonnenuhr. Ein marmornes Pantheon für die zwölf olympischen Götter gibt es dort, gleich neben der Saepta Julia, wo sich die Volksversammlung trifft, mit einer riesigen Halle, wie es keine zweite im römischen Reich gibt.“ Menachem kam aus dem Schwärmen nicht mehr heraus, und die anderen hingen wissbegierig an seinem Munde. „Parks, Spazierwege, Wasserläufe, Säulenhallen, Sportanlagen, Badehäuser – nie zuvor hatte ich auch nur eine Vorstellung davon! Und Straßen – mit Pflaster und so breit, dass überall Fuhrwerke fahren können. So etwas möchte ich auch hier aufbauen.“ Nach dieser Aussage breitete sich unter seinen Zuhörern ungläubiges Staunen aus. Wie sollte so etwas in ihrer Stadt möglich sein, die doch mit Rom nicht ansatzweise zu vergleichen war? „Meinst du das ernst? Wie soll das gehen?“ fragte Alexander. „Wir werden Hilfe bekommen aus Rom. In den nächsten Wochen kommen insgesamt noch sechs Schiffe mit Handwerkern, Baumaterial, Sklaven und Arbeitselefanten. Außerdem kommen Künstler mit, die in Rom und Alexandria gearbeitet haben.“ „Und wer gibt solch riesige Summen, um das alles zu bezahlen?“ konnte Alexander es immer noch nicht glauben. „Kaiser Claudius hat solches schon geplant und Geld aus der Staatskasse bereitgestellt. Viele Senatoren haben Darlehen zur Verfügung gestellt. Sein Nachfolger, Tiberius Claudius Nero, hat dies alles bestätigt und ist dabei, es in die Tat umzusetzen. Er wird auch noch zwei Legionen schicken, welche die Provinz schützen sollen. Unsere neu errichtete Stadt wird Metropolis genannt werden!“ „Und was wirst du dabei machen?“ fragte Berenike, die schon ahnte, welche Rolle Menachem dabei zugedacht war. „Nach Lage der Dinge wird Ummidius Quadratus mich zum kaiserlichen Architekten für den Aufbau unserer Stadt ernennen, so wie es die Empfehlung aus Rom vorsieht, die der Centurio ihm ausgehändigt hat. Porphyrios hat mir bei unserer Ankunft schon gratuliert und mir seine Unterstützung zugesagt.“ Als sie dies hörten, waren alle tief beeindruckt und gleichzeitig sehr stolz. Ihr Menachem, der aus armen Verhältnissen stammte, hatte es tatsächlich in kurzer Zeit im großen Rom zu etwas gebracht. Sie wollten unbedingt erfahren, wie er dies bewerkstelligt hatte. Und so erzählte Menachem, wie es dazu kam, dass er in Rom zum Angehörigen des Ritterstandes ernannt wurde. „Man hat mich mit der Empfehlung von Porphyrios in die Architektenschule der berühmten Baumeister Severus und Celer aufgenommen, die sich mitten in Rom befindet. Dort habe ich während meines Studiums ein Brandschutzsystem für große Städte entwickelt. Das ist vom Kaiser und den Senatsmitgliedern begrüßt worden. Ich wurde dafür ausgezeichnet. Man hat mir das römische Bürgerrecht verliehen und mich in den Ritterstand erhoben.“ Berenike konnte kaum glauben, was sie hörte: Menachem, den sie liebte, sollte der Baumeister des neuen Antiochia werden! Ihre Gebete waren erhört worden: Sie spürte, dass sie an der Seite dieses Mannes ihr Glück finden würde. Auch Rahel war überglücklich an diesem Abend. Mit Stolz betrachtete sie ihren Sohn. Aus ihm war ein gutaussehender junger Mann, groß und schlank, mit kräftigen Schultern und schmalen Hüften geworden. An seiner Begabung und Klugheit hatte sie niemals gezweifelt. Ihre Hoffnungen hatten sich erfüllt. Das Amulett des Vaters hatte seine Wirkung getan. Als die anderen nach dem anstrengenden und aufregenden Tag schon ihren Schlaf gefunden hatten, erzählte Rahel ihrem Sohn von Berenike und ihrer Liebe zu ihm. Worauf er in der Fremde so sehr gehofft hatte und was ihm immer wieder Mut gespendet hatte, war nun Wirklichkeit geworden. Berenike hatte auf ihn gewartet! Er würde in Kürze mit Alexander und seiner Schwester das Gespräch suchen und Berenike einen Heiratsantrag machen. Es war wichtig für ihn, dass seine Mutter ihn dabei unterstützen würde, denn Berenike war doch keine Jüdin! Ob er bei seinem Onkel auch Verständnis finden würde, vermochte er nicht zu sagen, wobei er jedoch befürchtete, auf Ablehnung zu stoßen. Die nächsten Tage waren von großer Geschäftigkeit bestimmt. Ein ausführliches Gespräch mit Porphyrios und dem Legaten wurde vorbereitet. Daran sollten auch zwei Baumeister teilnehmen, einer aus Rom, der andere aus Karthago. Menachem war ausschließlich mit Plänen für die Wiederherstellung der Kolonnadenstraße und der Wasserleitungen befasst. Bei einem ersten Treffen mit Porphyrios lauschte er fasziniert den kenntnisreichen Ausführungen des ehrwürdigen Alten, der ihn über Verlauf und Gefälle der Kanäle informierte, die das Wasser des Parmenios bis zum Nymphaeum führten. Ebenso erfuhr er viel über die Beschaffenheit des Aquädukts, das – von Daphne kommend – die Stadt in ihrer Länge durchlief. Beeindruckt von den umfassenden Kenntnissen des Alten wurde ihm klar, wie sehr er einstweilen noch auf das Wissen seines Gönners angewiesen sein würde. Das Treffen bei Ummidius fand am nächsten Tag im Palast des Legaten statt, der sich auf der Orontes-Insel befand. Er war von drei Seiten von Bädern umgeben und grenzte zur Ostseite hin an den Circus. Da es üblich war, dem kaiserlichen Statthalter früh am Morgen seine Aufwartung zu machen, musste sich Menachem bereits vor Sonnenaufgang auf den Weg machen. Es war nur eine kurze Strecke, und so nahm er schnell die lange Schlange der Bittsteller wahr, die schon vor dem Palast stand und auf Einlass wartete. Er wusste, dass er bei der Wache gemeldet war und ging an der Menge vorbei zum Tor, das von Legionären einer thrakischen Kohorte, die besonders durch ihre bronzenen Parade-Helme beeindruckten, gesichert wurde. Man führte ihn direkt in das von korinthischen Säulen gesäumte Atrium, wo er vom Legaten empfangen wurde. Ummidius wies nach kurzer Begrüßung auf die vor ihm liegende Empfehlung aus Rom und machte unmissverständlich und in beinahe Angst einflößendem Ton klar, was er von Menachem erwartete: „Ihr werdet mit Euren Baumeistern aus Rom und Alexandria die Stadt zu dem machen, was Tiberius Claudius Nero, der Senat und das römische Reich geplant haben. Die Stadt wird die Metropole des Ostens werden. Ich sage Euch meine volle Unterstützung in allen Angelegenheiten zu, die der Erreichung dieses Zieles dienen.“ Der Legat war sich im Klaren darüber, dass selbst er die Unterstützung der Bevölkerung dazu brauchte, weshalb er die Instandsetzung der Wasserversorgung und die Erstellung von Wohnraum in der Stadt zur obersten Priorität erhob. Hier würden Menachem und seine Helfer zeigen müssen, ob sie der immensen Herausforderung gewachsen waren. Unterdessen hoffte die Gruppe der Christusanhänger immer noch auf eine baldige Begnadigung ihres früheren Vorstehers Simon. Die Bemühungen des Sklaven Euodius, der auf dem Wege über seine Herrschaft versucht hatte, die Freiheitsstrafe von drei Jahren Kerkerhaft durch den Richter in eine Geldstrafe umwandeln zu lassen, hatten bisher noch zu keinem Erfolg geführt. Die Christianer würden dazu eine enorme Summe aufbringen müssen, und sie wussten nicht, ob ihnen das gelingen würde. Dass ihr Ansehen in der Stadt durch Armenspeisung und Krankenpflege gestiegen war, ließ das Herbeiführen einer solchen Regelung wenigstens nicht völlig aussichtlos erscheinen. Bei ihrer Zusammenkunft am Ausgang des Sabbattages berichtete Euodius von seinen Anstrengungen in dieser Sache. Die Glaubensgeschwister dankten ihm ausdrücklich dafür und versprachen sich gegenseitig, für Simon weiter zu beten. Nach dem Ende des Gottesdienstes sprach Alexander mit Euodius und Silvia über die Möglichkeiten, die ihnen noch blieben, Simon zu helfen. Ob Menachem jetzt, in seinem neuen Amt, etwas für sie tun konnte? Euodius gab zu bedenken: „Ich weiß nicht, ob er so etwas überhaupt versuchen würde. Er ist ja keiner von uns.“ Silvia meinte, sie würde die Angelegenheit auch noch einmal mit ihrem Mann besprechen: „Es kann doch nicht schaden, wenn wir versuchen, uns Verbündete zu machen, um Simon frei zu bekommen.“ Euodius mahnte jedoch zur Vorsicht: „Mein Herr Basilios hat mit dem Richter gesprochen. Wir sollten ihn nicht unter Druck setzen. Das kann auch das Gegenteil bewirken.“ Man vereinbarte schließlich, die Sache mit Umsicht zu betreiben und Gott um die baldige Wiederkunft des Kyrios zu bitten, der aller Ungerechtigkeit ein Ende machen würde.

Die Ketzer von Antiochia

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