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XI Berenike hatte gerade die Abendmahlzeit für sich und ihre Geschwister zubereitet, als sich Besuch anmeldete. Menachem war gekommen, um sie zu werben und Alexander um das Einverständnis für eine bevorstehende Hochzeit zu bitten. Er hatte einen seiner Sklaven, Meleagros, mitgebracht. Berenike konnte ihre Freude nicht verbergen, bemerkte aber auch seine Befangenheit. Nichts wünschte sie sehnlicher herbei als die Ehefrau dieses Mannes zu werden! Sie lud Menachem ein, zum Essen zu bleiben. Ihr älterer Bruder war noch nicht zu Hause, würde aber bald eintreffen, während die jüngeren Geschwister, Hygieia und Daemainete, gerade mit ihrem Lieblingsspiel beschäftigt waren. Während die eine einige Nüsse mit den Händen verdeckte, musste die andere erraten, ob die Zahl derselben gerade oder ungerade war. Hatte sie richtig geraten, wurden die Rollen vertauscht. Es schien Menachem unpassend, das Thema seines Besuches anzusprechen, ohne dass Alexander anwesend war. Berenike schien das zu ahnen und fragte ihn nach dem Fortschritt der Bauarbeiten an der Kolonnadenstraße: „Meine Freundin Lavinia hat mir erzählt, dass ihre Herrschaft dort einige Läden gekauft hatte, die sie jetzt an Händler verpachten will. Sie macht sich Hoffnungen, dass sie nach ihrer bevorstehenden Freilassung einen dieser Läden pachten und dort einen Handel mit Lederwaren eröffnen kann. Ihre Herrin Lydia will ihr mit einem Darlehen helfen, den Laden einzurichten.“ Menachem hörte gern, dass Angehörige der städtischen Elite ihr Geld in neu erbauten oder renovierten Läden und Wohnungen einbringen wollten, was Aussicht auf gute Gewinne versprach. Dann erkundigte er sich nach Berenikes Tätigkeit als Armenpflegerin der Christusgläubigen: „Ich habe durch meine Mutter erfahren, welches hohe Ansehen du dir in kurzer Zeit dadurch erworben hast.“ Berenike erzählte ihm von ihrer Arbeit und freute sich sehr über das Lob in seiner Nachfrage: „Wir tun es im Glauben an Jesus, der sich der Armen erbarmt und gesagt hat: Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ Endlich kam auch Alexander heim und begrüßte den Freund herzlich. Sein Geschäft – so wusste er zu berichten – habe sich gut entwickelt und sichere ihm und seinen Geschwistern den Lebensunterhalt: „Die vielen Kontakte, die unser Vater zu Lebzeiten geknüpft hatte, sind mir dabei zugutegekommen. Wir werden in Kürze in ein Haus umziehen, das ich gekauft habe. Es müssen noch einige Schäden beseitigt werden, aber insgesamt befindet es sich in einem passablen Zustand. Kannst du mich wohl dabei beraten?“ Menachem erklärte sich sofort dazu bereit und erkundigte sich nach Einzelheiten über Alter und Beschaffenheit des Hauses. Sie verabredeten sich zu einem Besichtigungstermin an einem der folgenden Tage. Es gab noch viel Gesprächsstoff, aber Menachem konnte nicht länger warten, sein Anliegen vorzutragen: „Ich bin gekommen, deine Zustimmung zur Heirat mit Berenike einzuholen.“ Der Freund gab ohne Zögern seine Einwilligung, denn seine Schwester hatte sich ihm schon offenbart und ihm ihren Wunsch nach einer Hochzeit mit Menachem anvertraut. Die Freude war groß an diesem Abend, und aus der bescheidenen Abendmahlzeit wurde ein richtiges Festessen. Menachem kündigte an, er werde nach Beratung mit seiner Mutter und seinem Onkel einen angemessenen Brautpreis entrichten. Dann holte er aus seinem Lederbeutel – es war immer noch der alte, den er schon als Kind getragen hatte – das silberne Kreuz hervor, das Berenike ihm bei seinem Abschied geschenkt hatte. „Ich stand Tag und Nacht unter seinem Schutz, es half mir zu glauben, dass Gott und sein Gesalbter an meiner Seite stehen und dass du auf mich warten würdest.“ Er hatte seine Worte mit Bedacht gewählt, und Berenike hörte wohl, dass er ihr zu verstehen gab, wieviel auch ihm der Christusglaube bedeutete. „In Rom,“ so berichtete er weiter, „habe ich Christusanhänger getroffen. Im Stadtteil Trastevere, zwischen der Porta Collina und der Porta Esquilina, bin ich auf eine Synagoge in einem Wohnhaus gestoßen, in der sich Judäer trafen, die Christus als Kyrios verehrten, genauso wie ihr hier in Antiochia. Sie haben mich herzlich begrüßt und gefragt, ob ich getauft wäre. Ich habe das verneint und ihnen erzählt, dass ich kein Christusgläubiger bin, aber überlege, einer zu werden.“ Berenikes Freude war groß, als sie das aus dem Munde von Menachem hörte, denn nun schien auch noch ihr Wunsch in Erfüllung zu gehen, dass Menachem einer der ihren würde. Er fuhr fort: „Sie haben berichtet, dass es vor einigen Jahren unter den Judäern Unruhe gab, weil sie Christus verkündigten. Einige von ihnen sind deshalb von den Behörden ausgewiesen worden, aber inzwischen wieder zurückgekehrt. Es scheint in Rom bisher nur wenige Glaubensgenossen zu geben, die keine Judäer sind. Ich habe jedenfalls niemanden kennengelernt.“ „Und wer hat ihnen den Glauben an Gottes Gesalbten gepredigt?“ wollte Alexander wissen. „Sie kannten einen Tuchhändler aus Korinth, Apollos mit Namen. Der hat ihnen von Jesus erzählt.“ So hatte also die Botschaft vom Nazarener, den sie als Christos, den Gesalbten Gottes, verehrten, Rom erreicht. An diesem Abend spürte Berenike zum ersten Mal nach der Trauer über den Tod ihrer Eltern und des jüngeren Bruders wieder Dankbarkeit gegen Gott, der ihr unendlich Schweres zugemutet hatte, aber jetzt doch ihr Leben und das ihrer Geschwister segnete. Gleichzeitig spürte sie aber auch Furcht im Herzen, wenn sie an die ungewisse Zukunft der Christusanhänger dachte, die ja auch ihre eigene war. Auf welche Traditionen konnten sie sich berufen, sofern sie keine Judäer waren? Mit Alexander hatte sie schon oft über diese Frage nachgedacht, auf die er einmal eine Antwort fand: „Wir sind doch Bürger des himmlischen Reiches, das mit dem Kommen des Kyrios anbrechen wird. Das kann man doch auch in unseren Versammlungen sehen: Alle sind Erwählte des Herrn und deshalb wie Schwestern und Brüder.“ „Aber was ist mit dem Kaiser, was sind wir ihm schuldig? Wird er sich damit begnügen, dass wir Steuern bezahlen?“ hakte sie besorgt nach, worauf er antwortete: „Ich weiß es nicht. Wir können ihm kein Opfer bringen wie die anderen. Es ist Götzendienst, was er fordert. Solange die Behörden uns als Judäer betrachten, wird uns aber bestimmt nichts passieren.“ „Aber wir sind es doch nicht. Wir können doch nicht so tun, wenn wir nicht jüdisch leben.“ „Aber wir haben dieselben heiligen Schriften. Wir beten zu einem Gott, der uns zu seinem Volk gemacht hat, Judäer und Griechen.“ Berenike konnte spüren, dass die Antworten ihres Bruders seine eigene Unsicherheit spiegelten. Die Glaubensgenossen waren trotz des gemeinsamen Glaubens in vielen Dingen uneins. Es war offenbar doch nicht ohne Weiteres möglich, ihre unterschiedlichen Abstammungen außen vor zu lassen. Waren sie wirklich alle gleich? Vor Gott vielleicht, aber in ihrer Synagoge noch lange nicht. Selbst Simon hatte schließlich immer wieder betont, dass er die nichtjüdischen Schwestern und Brüder als Gottesfürchtige, nicht aber als gleichwertige Glieder ihrer Gemeinschaft ansah. Gewiss, jeder konnte bei ihnen am Gottesdienst teilnehmen und alle aßen und tranken auch zusammen – aber warum galt dann doch wieder der oder die eine mehr als ein anderer oder eine andere? Noch immer war außerdem die vergleichsweise unbedeutende Frage der Plätze am Tisch nicht gelöst. Noch keiner der Vornehmen hatte seinen Platz mit einem Sklaven oder Tagelöhner getauscht. Dabei war doch Christus selbst ein Armer geworden! Und wie lange konnte man noch den Untersuchungsrichter darüber täuschen, dass man doch nicht jüdisch war, sondern … ? Hier stutzte sie in ihren Gedanken. Was für ein Volk waren die Christusgläubigen eigentlich? Bürger des himmlischen Reiches? Sie fühlte sich dem Kyrios ganz nahe, das war das Wichtigste! Ihr Gebet – da war sie ganz sicher - würde ihn auf jeden Fall erreichen, und in dieser tröstenden Gewissheit richtete sie sich an ihn: „Du hast ertragen, was Satan in die Herzen der Menschen legt: Folter, Schmach und Hohn. Sieh´ herab auf deine Auserwählten, die dir vertrauen und nachfolgen. Sie tragen Verachtung und Verfolgung, weil sie deinen Namen tragen. Steh´ ihnen bei in schweren Stunden und stärke ihre Hoffnung. Segne den Mann, den ich liebe, bei allem, was er tut. Du hast sein Herz angerührt und ihn gewonnen. Er wird Großes vollbringen und dein Volk trösten in dieser Stadt.“

Die Ketzer von Antiochia

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