Читать книгу Die Ketzer von Antiochia - Alexander L. Cues - Страница 24

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XVI Menachem hatte der Bitte Alexanders entsprochen und den Zustand des neuen Hauses gründlich geprüft. Jetzt wollten sie alle zusammen den Umzug bewältigen. Berenike hatte mit ihren Geschwistern und den beiden Sklaven Menachems den Hausrat aus ihrer Kellerwohnung auf einen Wagen aus der Werkstatt Alexanders gepackt. Die neue Umgebung und das neue Haus mit einem Garten beflügelten die Gefühle der Geschwister. „Ein richtiger Palast ist das! Wir werden uns hier schnell wohlfühlen,“ meinte Hygieia mit Blick auf die geräumigen Zimmer. „Und die Kolonnaden sind auch ganz nahe,“ pflichtete ihr die Ältere bei. An ihrer Stelle würde nun die Jüngere den Haushalt des Bruders führen. Berenike war in Gedanken jedoch schon bei der Gründung ihres eigenen Hausstandes. Rahel hatte es vorgezogen, mit den jüngeren Geschwistern Menachems eine Wohnung an der Kolonnadenstraße zu beziehen. Das gab ihm die Freiheit, zusammen mit seiner künftigen Frau ein Haus zu suchen, in dem sie sich beide gleichermaßen wohlfühlen würden. Sie mussten allerdings darauf achten, dass es der gesellschaftlichen Stellung Menachems entsprach, denn von nun an kam eine Aufgabe auf sie zu, die für sie noch unbekannt war, nämlich zu repräsentieren. Das hieß, Gäste, Bittsteller und Abhängige zu empfangen. Das würde es auch notwendig machen, weitere Sklaven zu kaufen, die für Haus und Garten zuständig waren. Am Hang des Silpios im Norden der Stadt fanden sie schließlich, wonach sie suchten. Erbauer und Besitzer des Hauses war Minucius gewesen, reicher Großgrundbesitzer und ehemals Sprecher des Magistrats. Als er gestorben war, zog seine Witwe sich nach Daphne zurück, wo sie ein Sommerhaus besaß. Jetzt war ihr ältester Sohn Marcellus mit dem Verkauf des Wohnsitzes in Antiochia befasst. Berenike zeigte sich begeistert von der wunderschönen Lage des Anwesens. Es bot einen Blick nach Westen bis zum Strand von Seleukia, nach Osten auf die Berge, auf die Orontes-Insel und den Palast. Zwei Stufen an der Straße wiesen den Besucher zum Vestibulum mit einem überdachten Eingang. Der schmale Gang dahinter, der an einer Portiersloge vorbeiführte, war durch ein rechteckiges und besonders langes Mosaik geschmückt. Er führte direkt zum Atrium des Hauses, in dessen Mitte sich ein mehrstufiger Springbrunnen mit einem kreisrunden Wasserbecken befand. Im Halbdunkel lagen um das Atrium herum mehrere Räume, die verschiedenen Zwecken dienten, darunter mehrere Speiseräume und kleinere Zimmer für die Hauswirtschaft. Auf seiner Rückseite befand sich das Tablinum mit dem Ehebett des Hausherrn, das durch einen Vorhang abgetrennt war. Vom Atrium aus erblickte man den dahinter liegenden Garten, der Spazierwege zwischen Pflanzen und Blumen aller Art ermöglichte. Das Hochzeitspaar war glücklich, in solch einem schönen Haus wohnen zu können. „Wir brauchen hier nur wenig verändern und keine größeren Umbauten vornehmen,“ meinte Berenike. Menachem war der gleichen Meinung, fügte aber entschieden hinzu: „Den Hausaltar im Atrium und den Schrein neben dem Küchenherd werden wir entfernen.“ Hier hatten die Sklaven dem Genius des Hausherrrn geopfert. Auch einige Wandmalereien mit Darstellungen der Göttin Aphrodite mit ihren Gespielinnen an der Rückseite des Atriums mussten weichen. Endlich konnten sie ihre Hochzeit vorbereiten. Unter normalen Umständen waren die Familien daran mitbeteiligt, aber Berenikes Eltern lebten nicht mehr, und auch Menachems Vater war gestorben. So war denn der Ehevertrag fast ausschließlich eine Angelegenheit der beiden Brautleute. Menachem hatte seinen Onkel, Jakob ben Zakkai, der dem jüdischen Gemeinderat angehörte, um Rat fragen wollen. Der nahm aber zu Menachems Enttäuschung eine ablehnende Haltung ein und machte seinem Neffen klar, dass für ihn die Heirat mit einer Griechin ein Affront war: „Du heiratest eine Fremde, eine Götzenanbeterin. Dein Vater hätte niemals seine Zustimmung dazu gegeben. Wie kann deine Mutter das dulden?“ Menachem wehrte sich: „Die Mutter liebt Berenike wie ihre eigene Tochter. Wir alle sind Christusgläubige und beten zum Ewigen wie unsere Väter.“ „Wer ist denn schon dieser Gesalbte, den ihr verehrt? Ein Aufrührer, den sie hingerichtet haben!“ „Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Wir sind sein Volk, sein Eigentum.“ „Ein neues erwähltes Volk? Wie kann das sein? Hat nicht Gott unserem Vater Abraham verheißen: Ich will dich zu einem großen Volk machen?“ „Wir werden unseren Vater Abraham sehen, wenn der Kyrios wiederkommt, auch die Könige und Propheten, die Gott seinem Volk geschenkt hat.“ „Hat der Ewige seinen Bund mit Abraham gemacht oder mit eurem Gesalbten?“ „Es ist derselbe Bund. Er hat seinen Geist ausgegossen über alles Fleisch.“ Der Onkel war entrüstet: „Ihr nehmt für euch in Anspruch, was euch nicht gehört. Gott wird euch strafen dafür, dass ihr die Tora in die Hände der Götzenanbeter gebt.“ Damit war das Gespräch mit Jakob ben Zakkai beendet. Für Menachem war es vorerst die letzte Begegnung mit ihm, da dieser sich auch geweigert hatte, der für ihn unrechten Hochzeit beizuwohnen. Mit einer Mischung aus Trauer und Zorn berichtete er seiner Mutter von dem Gespräch mit dem Onkel. Diese teilte seine Gefühle und Empfindungen, was für Menachem sehr wichtig war: „Wie kann er nur die Menschen einteilen in solche, die erwählt sind, und solche, die er für verfluchte Götzendiener hält? Er kennt Berenike nicht einmal! Da ist viel Neid dabei, wenn er so redet. Du solltest dich davon nicht irre machen lassen. Dein Vater wäre stolz auf dich, da bin ich mir ganz sicher.“ So von seiner Mutter bestärkt, kehrte er zurück zu Berenike, um die Hochzeit zu planen. Es war gar nicht so einfach, die Gästeliste zu erstellen. Angesichts der Stellung Menachems in der Gesellschaft Antiochias mussten viele bedacht werden, die ihnen nicht nahestanden, aber wichtige, einflussreiche Persönlichkeiten waren. Sie baten deshalb Euodius, ihnen bei der Auswahl der Gäste behilflich zu sein. Als das erledigt war, konnten sie daran gehen, den Ablauf der Trauzeremonie zu planen: „Wir brauchen zwei Zeugen, die bei der Übergabe des Ehevertrages anwesend sind. Ich möchte gern Lavinia danach fragen,“ meinte die junge Braut. Euodius aber riet ihnen, davon Abstand zu nehmen, eine Freigelassene zur Zeugin zu machen, weil Menachems Stand das nicht zuließe. So baten sie Silvia und Simon um diesen Dienst. Mit ihrem Ehevertrag, der angesichts der Stellung Menachems üblich war, regelten die Brautleute die Anteile des Vermögens für beide, aber auch die Möglichkeiten von Scheidung und Rückkehr der Braut in ihre eigene Familie. Es traf sich gut, dass sie in diesen Tagen durch Vermittlung des Schiffbauers Philo aus Seleukia drei Sklavinnen kaufen konnten, die sich von nun an zusammen mit Apollonios und Meleagros um Haus und Garten kümmerten. Am Abend vor ihrer Hochzeit trafen sich die Eheleute im Atrium des neuen Hauses und freuten sich auf ihren großen Tag, der nun nach all den Verschiebungen endlich gekommen war: „Wir werden viele Gäste begrüßen müssen, auch solche, die wir gar nicht kennen,“ meinte Menachem. „Ich fürchte mich ein wenig vor den vielen Menschen,“ erwiderte Berenike. Menachem machte ihr Mut: „Du wirst sie alle für dich einnehmen. Ich bin stolz und glücklich, meine schöne junge Frau an meiner Seite zu haben.“ Er hatte die richtigen Worte gefunden, denn sie antwortete: „Ich kann mein Glück nicht fassen. Der Baumeister der großen Stadt Antiochia ist mein Geliebter. Der Höchste segnet uns nach einer Zeit des Unglücks. “ Das Haus war an dem großen Tag prächtig hergerichtet und alles gut vorbereitet für das Fest. Die Hochzeit fand in Anwesenheit der Familien Menachems und Berenikes, des Legaten Ummidius und zahlreicher Adliger und Ratsmitglieder statt, aber auch viele Freundinnen und Freunde des Brautpaares nahmen teil. Aus der Gemeinde der Christusgläubigen hatten sich Simon, Silvia und Deborah, die Prophetin, eingefunden. Zu Beginn der Zeremonie zahlte Menachem nach alter Sitte einen Brautpreis von fünfzig Goldstücken an Alexander, seinen neuen Schwager. Der übergab daraufhin seine Schwester Berenike der Schwiegermutter Rahel, die sie ihrem Sohn zuführte. Nachdem sie sich das Heiratsversprechen gegeben hatten, überreichte Menachem seiner jungen Frau Berenike den Ehevertrag und sprach einen Segen: „Gott, wir bitten dich um deinen Segen für unser Haus und für alle, die darin leben werden. Frieden soll zwischen seinen Wänden wohnen und Freude soll zu hören sein hinaus durch die Fenster. Dein Friede beschütze dieses Haus.“ Nach jüdischer Sitte zertrat der Bräutigam einen Becher, was von allen Gästen mit großem Jubel beantwortet wurde. Jetzt galten beide nach der Lex Iulia des Kaisers Augustus als ein Ehepaar. Die Gäste zeigten sich angerührt vom Glück des jungen Paares und bezeugten durch großzügige Geschenke ihre Sympathie und Verbundenheit. Überwunden schien die Not, die das Erdbeben der Stadt und ihren Menschen zugefügt hatte. Für Menachem und Berenike hatte nun endgültig eine neue Zeit begonnen, die sie schon so lange herbeigesehnt hatten. Im Atrium ihres Hauses veranstalteten sie danach ein Gastmahl mit den leckersten Köstlichkeiten der Region, das von vortrefflichen musikalischen und komödiantischen Darstellungen eingerahmt wurde und bis in den frühen Morgen dauerte. Die Gäste waren begeistert von den Darbietungen der Tänzerinnen und Schauspieler, die sie im Garten genießen konnten. Auch der Untersuchungsrichter Antigonos gehörte zu ihren Gästen. Er bat Simon und Alexander um eine Unterredung einige Tage später: „Es besteht kein Anlass, dass ihr Euch Sorgen macht. Ich bitte Euch um ein vertrauliches Gespräch, das mit meiner Tätigkeit als Richter nichts zu tun hat.“ Die beiden Männer waren erstaunt und versprachen Geheimhaltung. Was konnte das bedeuten? Ob der Magistrat nun doch neue Untersuchungen gegen Gruppen wie ihre angeordnet hatte? Jedenfalls gab es in jüngster Zeit Gerüchte in der Stadt, wonach die Behörden gegen Gruppen ermittelten, die die bevorstehenden Saturnalien missbrauchen wollten, indem sie durch übermäßigen Weinkonsum die öffentliche Ordnung störten. Auch den Christianern schrieb man solche Praktiken zu, aber konnte das der Grund für die Einladung des Untersuchungsrichters sein? Wollte er sie warnen oder drohte ihnen bereits eine Strafe? Derart verunsichert suchten Simon und Alexander den Richter einige Tage später in seinem Privathaus auf. Sie waren jedoch äußerst erstaunt, auf einen Mann zu stoßen, der sich sichtlich beeindruckt zeigte von der Lebensweise und vom Glauben der Christusanhänger und mehr darüber erfahren wollte: „Ich habe mich an den Glauben meiner Väter gehalten, an die Philosophie der Tugend und der Mäßigung. Den Göttern habe ich gegeben, was ihnen zustand. Eigentlich aber kann ich auf sie verzichten. Ihr verehrt nur einen Gott, den ihr den Ewigen nennt. Aber was ist mit eurem Kyrios, dessen Wiederkunft ihr erwartet? Was gibt er euch?“ Simon antwortete mit bewegter Stimme: „Wir halten uns an ihn, weil er der wahre Mensch Gottes war, Fleisch und Blut wie wir. Er fühlte und litt wie das Menschengeschlecht. Darum ist es gut, dass er uns nahe ist.“ „Und woher nehmt ihr die Gewissheit, dass er nicht ein Dämon, ein Verführer und ein Gaukler war?“ Alexander antwortete: „Er war ein Judäer, und darum finden wir in ihren heiligen Schriften die Hinweise auf ihn. Ihre Propheten haben die Hoffnung auf sein Kommen aufrechterhalten. So der Prophet Jeremia, wenn er spricht: In jenen Tagen und zu jener Zeit will ich dem David einen gerechten Spross erwecken.“ „Aber ich gehöre nicht zum Volk der Judäer. Wie kann ich teilhaben an solchen Verheißungen?“ fragte der Richter. „Wir sind durch die Taufe zu einem neuen Volk aus Judäern und Heiden geworden,“ meinte Simon, „in jedem Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm.“ Antigonos, der Richter, gab ihnen zu verstehen, dass er in ihrem Glauben viel Gutes sehen könne – wenn es doch eine Möglichkeit gäbe, das Opfer für den Kaiser auch als Christusgläubiger zu vollziehen. „Wir stehen dem Kaiser bei durch unsere Gebete,“ sagte Alexander, „ein Opfer aber können wir ihm nicht bringen, weil die Ehre der Anbetung allein dem gehört, der Himmel und Erde geschaffen hat.“ Es war nicht zu übersehen, dass der Richter Sympathien hegte für ihre Überzeugungen: „Ich weiß, dass ihr den Menschen dieser Stadt Gutes tut. Ich würde gern einer von euch werden, allein mein Amt macht es mir unmöglich, dem Princeps das Opfer zu verweigern.“ Damit schieden sie im Wissen voneinander, dass sie einen Glauben teilten, der in dieser Welt andere Opfer verlangte.

Die Ketzer von Antiochia

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