Читать книгу Die Ketzer von Antiochia - Alexander L. Cues - Страница 21

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XIV Berenike und Menachem konnten nun endlich ihre Hochzeit planen, die sie schon zweimal verschieben mussten. Außerdem wollten sie nach einem Haus am Hang des Silpios sehen, um es zu kaufen. Zur allgemeinen Freude, aber zu einem für die beiden ungünstigen Zeitpunkt, rief Ummidius Quadratus nach Fertigstellung des Theaters zu Ehren der Götter die Olympischen Spiele Antiochias aus, die Kaiser Claudius begründet hatte. Sie waren bei der Bevölkerung sehr beliebt und vergrößerten den Ruhm Antiochias im ganzen römischen Reich. Jetzt war Menachem auch hier wieder gefordert, weshalb er abermals die Hochzeit mit Berenike um ein weiteres halbes Jahr verschieben musste. Gleichzeitig gab er ihr aber das Versprechen: „Danach wird nichts mehr unsere Hochzeit hindern. Dann muss selbst der Kaiser warten.“ Jetzt kam es aber für ihn erst einmal darauf an, die Sportanlagen herzurichten, Quartiere für die Wettkämpfer bereitzustellen und die vielen Besucher, die zu dem Großereignis erwartet wurden, in der Stadt unterzubringen. Bei den Christianern waren die Spiele umstritten, war doch der Spruch Platons in aller Welt bekannt: „Die Götter sind die Freunde der Kampfspiele.“ Die Spiele wurden immer mit einer opulenten Opferzeremonie eröffnet, und am letzten Tag gab es eine eindrucksvolle Prozession der Sieger zum Tempel des Apollo in Daphne. Es war unmöglich, sich diesem Geschehen, dem viele entgegenfieberten und das die ganze Stadt beherrschte, zu entziehen. Viele der Wettkämpfer bezogen schon Monate vor Beginn der Spiele ein Trainingslager am Olympiakon, dem olympischen Stadion in Daphne. Für Tausende von Besuchern errichtete man ein großes Zeltlager außerhalb der Stadt in der Nähe des Brückentores. Händler, Gaukler, die Betreiber von Garküchen und Restaurants freuten sich auf gute Geschäfte. Schauspieler probten griechische Dramen und Lustspiele. Für die Sicherheit wurden zwei Manipel Legionäre aufgeboten, ein drittes lag in Bereitschaft neben dem Zeltlager der Besucher. Für diese galt die Regel Olympias, dass nur freie Männer und unverheiratete Frauen den Spielen als Zuschauer beiwohnen durften. Unter den Letzteren befanden sich immer viele Dirnen, denen es an Kundschaft nicht mangelte. Auch unter den Christusanhängern gab es viele, die sich von den Spielen einen ertragreichen Verdienst erhofften. Die Kolonnadenstraße war gerade noch rechtzeitig kurz vor Beginn der Spiele fertiggestellt worden. Läden und Wohnungen waren bezogen. Mit den Besuchern kamen Aufträge und Geld in die Stadt. Demetrios, der Färber, eröffnete mit seiner Frau einen Stoffladen. Sie verkaufte Stoffe dort, die er zuvor besonders schön eingefärbt hatte mit Purpur, Indigo und Safran. Auch Rahel ließ die Tradition der Familie wieder aufleben und mietete dort einen Laden, wo sie Decken und Mäntel aus Schaf- und Ziegenfellen anbot. Lavinia, die kurz vorher durch eine Urkunde ihrer Herrin freigelassen worden war, eröffnete mit ihrer Hilfe einen kleinen Laden, in dem sie Lederwaren anbot: Schuhe und Gürtel, Geldbeutel und Wassersäcke konnten hier erworben werden. Sie war sehr glücklich über ihre Freilassung, auch wenn ihr diese nur ein minderes Bürgerrecht bescherte. Sie war zwar frei zu ihren Lebzeiten, aber weiterhin ihrer Patronin verpflichtet. Auch fiel ihr Vermögen nach ihrem Tod wieder an diese oder deren Erben. Aus allen Teilen des Römischen Reiches waren Gäste nach Antiochia gekommen. Die Synagoge der Christianer war in diesen Wochen kurzerhand zu einer Herberge umgewandelt worden. Ihre Nutzung als Unterkunft für die Gäste verbesserte die Kassenlage der Gemeinde. Berenike hatte einige Helfer um sich versammelt, mit denen sie sich um die Fremden kümmerte. Manche waren mit Schiffen gekommen, andere hatten einen beschwerlichen Reiseweg zu Lande auf sich genommen. Am ersten Vollmond nach der Sommersonnenwende wurden die Spiele feierlich eröffnet. Die Opferzeremonie zu Beginn fand in Anwesenheit aller Wettkämpfer und Kampfrichter vor dem Tempel des Apollo in Daphne statt. Auf der Ehrentribüne saßen der Legat und die Honoratiores, unter ihnen auch Menachem Celer. Die Zuschauer vermochte keiner mehr zu zählen, als die Athleten den heiligen Eid ablegten. Sie versprachen, den Frieden der Spiele und die Regeln des Wettkampfs zu achten. Am Nachmittag des ersten Wettkampftages begannen im Olympiakon die Laufwettbewerbe. Fünfzehn junge Männer starteten beim Kurzstreckenlauf, der über ein Stadion ging. Dann folgte der Doppellauf, bei dem die Wettkämpfer nach halber Distanz um eine Stange wenden mussten. Zum Abschluss dieses Tages fand der beschwerliche Hoplitenlauf statt, bei dem mit angelegter Waffenrüstung über zwei Stadien gelaufen wurde. Sieger von Kurzstrecken- und Doppellauf wurden zur Begeisterung der Zuschauer junge Männer, die aus Antiochia stammten. Viele Zuschauer kannten sie, weil sie ihr Training auf der Laufbahn schon viele Monate lang verfolgt hatten. Den Hoplitenlauf gewann ein Athlet aus Cappadocia. Die Begeisterung war groß, als der Legat die Sieger ehrte. Mit Stolz trugen sie ihr Stirnband und den heiligen Kranz aus Olivenzweigen. Sie durften sich feiern lassen in Erwartung weiterer Ehrungen in ihren Heimatstädten, die ihnen Steuerbefreiung, bürgerliche Ehrenrechte oder auch große Begräbnisse in Aussicht stellten. Alle anderen Wettkämpfer gingen leer aus. Als nächste Disziplin stand am folgenden Tag das bei den Zuschauern sehr beliebte Ringen auf dem Programm. Die Plätze im Amphitheater waren sehr begehrt, so dass viele Besucher schon nach kurzer Zeit keinen Einlass mehr fanden. Glänzende, nackte Leiber junger Männer zogen die Blicke auf sich. Schon bei der Vorstellung der Kämpfer kannte die Begeisterung keine Grenzen. Wetteinsätze auf die Kandidaten schnellten in die Höhe. Hob der Unterlegene die Hand, war der Kampf beendet. Oft auch gab der Kampfrichter das Zeichen zum Ende des Kampfes. Der Sieger blieb im Wettbewerb und traf auf den nächsten Gegner, bis am Ende noch zwei gegeneinander kämpften, die bis zu diesem Zeitpunkt alle Kämpfe gewonnen hatten. Damit sie wieder zu Kräften kamen und den Zuschauern ein spannender Entscheidungskampf geboten werden konnte, wurde nun erst einmal eine Pause eingelegt, in der die Ausscheidungskämpfe der Boxdisziplin stattfanden. Hier kam es oft zum k.o. eines Kämpfers, vor allem, weil beide ohne Pause bis zur Erschöpfung kämpften. Der Endkampf der Ringer versprach immer ein besonderer Höhepunkt zu werden, schon deshalb, weil man viel Geld bei den Wetten eingesetzt hatte. Der Sieger wurde nicht nur durch Stirnband und Olivenzweig geehrt, sondern auch noch ausgiebig gefeiert von dem Teil der Zuschauer, der auf ihn gesetzt hatte, während der Unterlegene oft geschmäht wurde und unter dem Schutz von Soldaten aus der Arena eskortiert werden musste. Liebling der Zuschauer war diesmal Milon, der aus Sidon stammte. Er war ein blendend aussehender Jüngling mit schwarzen Augen und einem ungebärdigen braunen Lockenschopf. Sein Vater hatte in der Heimatstadt eine berühmte Athletenschule gegründet. Drei Brüder, von denen Milon einer war, waren diesmal an den Start gegangen. Zwei von ihnen waren aber bereits frühzeitig ausgeschieden. Allein Milon hatte die Vorkämpfe überstanden und stand nun im Endkampf einem Gegner aus Damaskus gegenüber. Dieser war ihm an Körperkraft überlegen, was jener durch Schnelligkeit aber ausgleichen konnte. Weder der eine noch der andere konnte zunächst entscheidende Vorteile erlangen, bis die Kraft beider Kämpfer sichtlich zu schwinden begann. In dieser Phase des Kampfes gelang es Milon, seinem Gegner ein Bein zu stellen und ihn beim Fallen durch eine blitzschnelle Reaktion in die Rückenlage zu zwingen. Der Kampfrichter erklärte daraufhin Milon zum Sieger, der vom Publikum enthusiastisch gefeiert wurde. Der nächste Tag sah das Wettreiten und die Wagenrennen im Hippodrom von Antiochia, an denen sich auch einige prominente Bürger der Stadt beteiligten. Hierbei tat sich besonders erfolgreich Titus Verres hervor, Sohn eines Ratsmitgliedes. Sein Sieg im Wagenrennen brachte ihm und seiner Familie viel Ruhm und Anerkennung. Dieser Tag war ein Sabbat, und in der Synagoge der Christianer waren ungewöhnlich viele Menschen am Abend zum Gottesdienst gekommen, unter ihnen viele Fremde, die gehört hatten, dass es hier eine Möglichkeit zum Übernachten gab. Als Simon, der die Versammlungen seit einiger Zeit wieder leitete, gerade alle Anwesenden begrüßen wollte, traten durch die offene Tür plötzlich vier junge, kräftige Männer hinein, die von einigen der Anwesenden sofort als Milon, Held des Ringkampfes, und seine drei Brüder erkannt wurden. Es war kaum zu glauben, dass ein olympischer Held den Weg hierher gefunden hatte. Der Olympiasieger wurde von den Anwesenden lautstark und begeistert gefeiert. An eine geordnete Durchführung des Gottesdienstes war nicht mehr zu denken, und so beschränkte sich Simon darauf, ein Psalmgebet zu sprechen, und segnete alle, die gekommen waren. Milon dankte für die Gastfreundschaft und die vielen Glückwünsche, die ihm auch hier entgegengebracht wurden. Er trug sein Stirnband und seinen Olivenkranz, den alle einmal berühren wollten. „Wir freuen uns,“ hob er an, „Glaubensgeschwister in Antiochia gefunden zu haben. Auch in unserer Heimatstadt Sidon nennt man uns die Christusanhänger, und wir loben Gott, der uns in der Taufe auf den Namen Jesu seinen Geist geschenkt hat. Ihr habt miterlebt, wie ich gestern meinen Wettkampf mit Hilfe des Höchsten gewonnen habe. Die Freude darüber ist ganz bei mir und den Meinen. Morgen aber wird der Stier des Mithras geopfert, und man wird von mir verlangen, ihn zu schmücken. Wie kann ich aber diejenigen mit Opfern und Blumengirlanden ehren, die von Menschen geschaffen und in Tempeln aufgestellt wurden? Mein Glaube verbietet mir, ein Götzenbild zu verehren. Ich werde deshalb die Zeichen meines Sieges zurückgeben und auf den Ruhm des Sieges verzichten. Man wird uns auch daran hindern, am Pentathlon teilzunehmen.“ Alle, die diese Worte des jungen Athleten gehört hatten, waren tief beeindruckt von seinem aufrichtigen Glauben, der aus seinen Worten sprach. Sie fürchteten aber auch, dass sein Bekennermut dazu führen könnte, dass ihm Gewalt angetan wurde. Die Christianer und ihre Gäste verweilten an diesem Abend noch lange im Gespräch darüber, was der Glaube an den Kyrios ihnen zu tun aufgab. „Ihr steht mutig im Glauben und gebt uns ein gutes Beispiel. Dafür danken wir euch,“ meinte Alexander. Und Silvia, die Frau des Commodus, bot den Athleten an, sie in ihrem Haus in Sicherheit zu bringen, wenn sie in Gefahr gerieten. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Gemeinde noch nicht ahnen, dass der Versammlung ein Spitzel des Ratsherrn Eustachios beigewohnt hatte, der diesem alles berichtete, was sich an diesem Abend in der Synagoge der Christusgläubigen zugetragen hatte. Er erzählte auch, dass der Baumeister Menachem Celer anwesend war, als Milon die Götter geschmäht und angekündigt hatte, sein Opfer zu verweigern. Eustachios ließ den Mann später in Gegenwart des Archonten Aurelios Nikomachos noch einmal wiederholen, was er erlebt hatte, wodurch sich die Situation der Gemeinde ein weiteres Mal dramatisch zuspitzte.

Die Ketzer von Antiochia

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