Читать книгу Die Ketzer von Antiochia - Alexander L. Cues - Страница 20

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XIII Menachem hatte mit seinen Helfern schier Unglaubliches geleistet. Sein Ruhm in der Stadt wuchs täglich. Jetzt, fast drei Jahre nach seiner Rückkehr aus Rom, hatte er endlich Zeit, sich bei den Christianern um die Taufe zu bewerben. Den Taufunterricht erteilte nach wie vor die Syrerin, die alle „die Prophetin“ nannten, hatte sie doch die Gabe der Lehre. Sie hatte inzwischen den judäischen Namen Deborah angenommen. „Menachem, Sohn des Arie aus Kedesh“, begrüßte sie ihn, „ich freue mich, dass Ihr auf den Namen Jesu, des Gesalbten Gottes, getauft werden wollt. Eure Väter waren zu Hause in Kedesh wie Barak. Wisst Ihr, dass er auf Geheiß der Prophetin Deborah zehntausend Männer aus Sebulon und Naftali versammelte und zum Berg Tabor zog, um die Kanaaniter zu schlagen?“ „Wir haben als Kinder davon gehört“, entgegnete Menachem, „die Großeltern haben uns diese Geschichte erzählt.“ „Der Herr Zebaoth war es, der das Volk Gottes führte. Wir werden siegreich sein wie sie, wenn wir nur auf ihn hören. Ich heiße Deborah, weil mir Gott die Gabe gegeben hat, seinen Willen zu erkennen. Er lässt Euch sagen, dass Ihr wie Barak sein werdet. Ihr seid Menachem, der Tröster. Ihr werdet sein Volk führen in dieser Stadt.“ Verwundert und nachdenklich verließ der junge Baumeister an diesem Abend die Syrerin mit dem hebräischen Namen. Sie hatte ihn daran erinnert, wo seine Wurzeln waren. Er dachte immer noch mit Wehmut an die Jahre seiner Kindheit in Galiläa, und den Glauben der Väter trug er wie einen Schatz in seinem Herzen. Als Menachem Berenike und seiner Mutter von dieser ersten Begegnung mit Deborah erzählte, schienen die Frauen davon nicht sonderlich überrascht zu sein, sondern begrüßten die Ankündigung der Prophetin: „Sie ist gesegnet mit dem Geist der Lehre. Aus ihr spricht der Kyrios, der bald kommen wird in Herrlichkeit,“ meinte Rahel, die sich schon freute auf die Taufe ihres berühmten Sohnes. Sie konnte es kaum erwarten, zusammen mit ihm und den anderen Kindern ins Wasser zu steigen und sich taufen zu lassen. Den Taufunterricht, der immer im Anschluss an den Gottesdienst am Abend nach dem Sabbat stattfand, besuchte Menachem regelmäßig gemeinsam mit seiner Mutter und seinen Sklaven. Sie lauschten auch jetzt der klangvollen Stimme von Deborah, die erklärte, wie Gott sein Werk in seinem Gesalbten an den Menschen getan hatte: „Er hat Kranke und von Dämonen Besessene geheilt und den Anbruch des Reiches Gottes verkündigt.“ Jesus von Nazareth wurde ihnen zum Vorbild. Rahel fragte die Prophetin: „Wird Gott uns auch mit den Gaben segnen, die ihn ausgezeichnet haben? Werden wir auch heilen und die Menschen von seiner Nähe überzeugen können?“ Deborah antwortete sicher und voller Überzeugung: „Auch ihr werdet Kranke heilen können.“ Apollonios und Meleagros fragten: „Wenn der Kyrios bald wiederkommt – was für einen Platz werden wir dann einnehmen in Gottes Reich?“ Sie ließen erkennen, dass sie sich die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters erhofften. Die Taufe erschien ihnen wie Tod und Neugeburt zu immer währendem Leben. Der nächste Sabbatmorgen hätte schöner nicht sein können. Der Himmel trug ein strahlendes Blau, und die Frische des Tages beflügelte die Gefühle der Menschen an diesem Morgen. Zusammen mit Menachem und seiner Familie sollte auch Lavinia mit ihrer Herrin Lydia getauft werden. Sie wurden begleitet von drei besonders anmutigen jungen Sklavinnen. Die Männer und Frauen, die sich in aller Frühe aus der Stadt hinausbegaben, um der Taufe beizuwohnen, waren glücklich und dankbar, dass Gott sie mit solch einem prachtvollen Tag belohnte. Simon, der schon viel zu lang inhaftierte Vorsteher der Synagoge der Christusanhänger, sollte nun endlich freigelassen werden gegen eine Zahlung von einhundert silbernen Denaren, die innerhalb von einem Monat an die Magistratskasse zu zahlen waren. Dass diese Summe in keinem Verhältnis stand zur noch zu verbüßenden Strafzeit, gab Anlass zur Verwunderung. Sollte der Sklave Euodius tatsächlich mehr erreicht haben, als man zu hoffen wagte? Was auch immer zu diesem unerwarteten Geschenk führte, es war für alle ein Beweis für das Wirken Gottes, der sein Volk segnete und achtgab auf seinem Weg. Als man zur Taufstelle am Orontes-Ufer gelangte, traf man dort auf Euodius, der seinen Herrn Basilios begleitete. Dies rief zunächst bei den Anwesenden einige Verunsicherung hervor, konnte man doch nicht wissen, in welcher Absicht er gekommen war. Er beruhigte sie jedoch mit den Worten: „Ich habe durch meinen Sklaven vom Glauben an Christus gehört und möchte miterleben, wie man Neulinge bei den Christusgläubigen aufnimmt. Ich habe lautere Absichten und will niemanden überwachen.“ Da auch Euodius die anderen vom Wahrheitsgehalt dieser Worte überzeugen konnte, fiel die Sorge von ihnen ab, der Magistrat könne jetzt neue Untersuchungen veranlassen, denn das hätte die bevorstehende Entlassung Simons im letzten Moment doch noch gefährden können. Mit Andacht verfolgten die Christianer die Taufe der neuen Glieder ihrer Gemeinschaft, bei der die Frauen und Kinder nach ihrer Salbung zuerst ins Wasser stiegen. Alexander nahm ihnen das Versprechen ab, dem Teufel zu entsagen, und taufte zusammen mit der Prophetin die ganze Gruppe. Nachdem sie zum zweiten Mal gesalbt worden waren, stiegen Menachem und seine Sklaven ins Wasser. Auf dem Arm trug er seinen jüngeren Bruder Dror. Alexander nahm auch dem Freund das Versprechen ab, dem Bösen zu entsagen, ehe er die Taufformel sprach: „Ich taufe dich auf den Namen Jesu, den Gott zum Christus erwählt hat.“ Dann taufte er auch die Männer und den Knaben. Die Prophetin sprach daraufhin ein Dankgebet im Namen aller, denn Gott hatte seinen Geist ausgegossen über Judäer und die Völker. Sie waren ein neues Volk, eine Familia Dei, berufen dazu, dieser Welt das Kommen des Reiches Gottes zu verkündigen. Der Ratsherr Basilios hatte mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, was hier geschah. Sein Sklave hatte ihm schon vorab davon berichtet, dass alle Christusgläubigen sich als Brüder und Schwestern betrachteten, seien sie Sklaven oder Freie, Männer oder Frauen. Auch hatte Euodius ihm erzählt, dass Kinder bei ihnen als Geschenke Gottes angesehen wurden, die man mit Liebe und Ehrfurcht behandeln müsse. Von der Krankenpflege und der Armenspeisung unter der Leitung Berenikes hatte er schon im Magistrat erfahren. Die guten Taten erachtete er als wertvollen und selbstlosen Beitrag, sie weckten große Sympathien für die Christusanhänger bei ihm. Wenn sie nur nicht den Glauben an nur einen Gott predigen würden! Dass sie – wie die Judäer - auch dem Kaiser nicht opfern wollten, machte sie darüber hinaus umso verdächtiger. Aber waren sie denn überhaupt Judäer? Ließen sie sich beschneiden? Gewiss, sie feierten den Sabbat, trafen sich in ihrer Synagoge und zahlten die Tempelsteuer für den Tempel in Jerusalem. Obwohl – das Letztere wusste man auch nicht so genau! Und außerdem durften Judäer keine Proselyten machen. Deshalb verbüßte ja ihr Vorsteher Simon seine Kerkerhaft. Es war nicht einfach mit ihnen. Er wusste nicht genau, was er von ihnen halten sollte, obwohl sie doch offenbar gute Bürger Antiochias waren. Vermutlich waren sie eine jüdische Philosophenschule, der auch der kaiserliche Architekt Menachem Celer angehörte. Interessant, dass auch er den Glauben an den Gesalbten Gottes teilte, wo er doch ein Gebildeter war, der in Rom studiert hatte und dem Ritterstand angehörte. Aber auch sein eigener Sklave Euodius, der doch die Philosophen Griechenlands kannte, hatte sich ja taufen lassen. Diese zwiespältigen Gedanken bewegten den Ratsherrn Basilios, als er an diesem Morgen den Taufen beiwohnte. Menachem kam auf ihn zu: „Wir haben mit großer Freude gehört, dass Simon freikommen soll. Wir haben Grund, Euch zu danken, dass Ihr dabei geholfen habt.“ Basilios gratulierte ihm zunächst zu seiner Taufe, ehe er auf die Frage einging: „Der Untersuchungsrichter muss Gründe dafür haben, die mir nicht bekannt sind. Ich habe in der Angelegenheit zweimal mit ihm gesprochen, aber weiter keinen Einfluss genommen. Ich freue mich für euch und hoffe, dass euer Vorsteher wohlauf ist.“ Damit endete das Gespräch über Simon. Der Ratsherr erkundigte sich bei Menachem noch danach, wann die Läden und Wohnungen in den Kolonnaden bezogen werden könnten. Nachdem er eine zufriedenstellende Antwort erhalten hatte, ging man freundlich auseinander. Menachem feierte an diesem Tag mit seiner Familie ausgiebig seine Taufe. Der Glaube an den Gesalbten Gottes verband ihn durch den feierlichen Akt noch enger mit Berenike, die ihrer Freude darüber freien Lauf ließ. Er fühlte große Dankbarkeit, denn sein Weg war nun gesegnet. Die Schatten der Vergangenheit, die auf ihnen lasteten, schienen endlich den so ersehnten Lichtblicken zu weichen.

Die Ketzer von Antiochia

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