Читать книгу Winteraustern - Alexander Oetker - Страница 12

Kapitel 4

Оглавление

»Los geht’s«, sagte Luc, und die drei Spurensicherer in den Wathosen sprangen sofort von Bord. Anouk und Luc folgten ihnen. Sie landeten klatschend im Matsch der Austernbank, denn das Wasser hatte sich eben erst gänzlich zurückgezogen. Unter ihren Stiefeln quietschte es, und noch immer sank man hier ein ganzes Stück ein. Erst nach und nach würde der Boden trocknen.

»Dort und dort«, sagte Luc und wies auf die beiden Pfähle, an denen die jungen Männer festgebunden waren.

Der Geruch des Bassins bei Ebbe war einzigartig – der Schlick, die Algen, das Salz, die Austern –, alles lag in der Luft und erzeugte einen Geruch, der Luc sofort in seine Kindheit zurückversetzte.

»Hier«, sagte ein älterer Kollege der Abteilung aus Bordeaux, die die Tatortarbeit machte, »hier liegt ein Seil. Durchschnitten.«

»Ja, das war ich. Ich habe ihn losgeschnitten.«

Der Mann betrachtete das dünne Tau. »Klassische Fischerware, könnte von einem dicken Netz stammen – oder aus dem Bootsbedarf. Nix Besonderes.«

»Na«, sagte Anouk ironisch, »bei Austernzüchtern nach der Herkunft eines Fischerseiles suchen, das wird ja ein Kinderspiel.«

»Dort liegt noch eines«, sagte Luc, »es ist etwas abgetrieben worden.«

Das Seil, das Oberbootsmann Diallo aufgeschnitten hatte. »Nehmen Sie die Seile mit zur Untersuchung. Wird schwierig, darauf irgendetwas zu finden, aber wir müssen es versuchen. Und bitte, tragen Sie die oberste Schicht des Bodens ab. Falls die Täter hier etwas verloren haben, will ich es finden.«

»Jawohl, Commissaire«, sagte der Spurensicherer und wollte sich eben mit seinen Kollegen besprechen, als Luc noch etwas einfiel: »Moment. Ich hätte vorher gerne, dass wir nachstellen, wie es war, als wir die Jungs gefunden haben. Vielleicht können wir dann erahnen, wer sie dort warum angebunden hat.«

Der ältere Herr in seinem weißen Anzug stutzte. »Sie wollen …«

»Ja, ich will, dass wir die Toten an die Pfähle binden. Ich will wissen, wohin sie geguckt haben, wie sie angebunden waren, ich will alles wissen. Wir haben sie vorhin nur rausgezogen, um zu retten, was noch zu retten gewesen wäre – aber nun brauche ich Gewissheit.«

Der Spurensicherer nickte und gab seinen Kollegen einen Wink. Alle zusammen gingen zum Boot und hoben Vincent herunter. Luc und Anouk nahmen François von Oberbootsmann Diallo und Bootsmann Arnoult entgegen. Der Körper des jungen Mannes war ganz steif und schwer. Sie trugen ihn hinüber zum linken Pfahl.

»Ja, so hat er gestanden. Das Seil war um seine Arme gebunden, etwa so«, sagte Luc und versuchte sich genau an die Bindung zu erinnern, die er vorgefunden hatte, aber er war unter Wasser gewesen, deshalb war es so schwer zu sagen. »Ich bin mir nicht mehr ganz sicher, aber ich glaube, das Seil war sehr locker, das hat mich stutzig gemacht. Ich habe es kurz straffen müssen, um es durchzuschneiden. Etwa so.«

Nachlässig band er das Seil um die Handgelenke. Die Spurensicherer taten es ihm bei Vincent Pujol nach.

Luc trat einen Schritt zurück und nickte. »Genau so sah das aus.«

Es war ein furchtbares Bild, jetzt bei Ebbe noch furchtbarer als vorhin in den rasenden Minuten der Flut. Die beiden jungen Männer, die da standen, angebunden an ihren Marterpfählen – es sah aus wie der Ort einer Hinrichtung. Einer Hinrichtung auf dem Meer.

»Schrecklich«, sagte Luc, und Anouk berührte ihn sanft an der Hand.

»Ja, wie eine Bestrafung sieht das aus, oder?«

Die bleichen Gesichter, die Körper starr und kalt – das Bild dieser beiden jungen Männer würde sich Luc für immer einprägen, das wusste er.

»Okay, macht bitte Fotos davon, aus verschiedenen Perspektiven. Ich will die Fotos heute Abend auf dem Schreibtisch haben. Die Toten kommen bitte in die Leichenhalle nach Bordeaux. Wir fahren jetzt zu den Familien. Und, Jungs?«

Die Männer sahen auf.

»Vielen Dank.«

Winteraustern

Подняться наверх