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Buddhistische Kunst in anderen Ländern

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Buddhistische Kunst gibt es natürlich nicht nur in Indien, sondern in vielen anderen Ländern. Nach dem Tod des Buddha wurden seine Lehren immer beliebter und breiteten sich im ersten Jahrtausend von 500 vor bis zum Zeitpunkt von der Geburt Christi über ganz Indien aus, wie im klassischen Werk von Edward Conze (2007) »Buddhismus – eine kurze Geschichte« dargestellt wird. Bis 500 nach Christi breitete sich der Buddhismus dann in anderen asiatischen Ländern wie Nepal, Zentralasien und China aus. In der Zeit um 500 n. Chr. kam es schließlich in Südostasien, Tibet und zuletzt in China, Korea und Japan zu wichtigen Weiterentwicklungen des Buddhismus. Während der Buddhismus in diesen Ländern zur vollen Blüte kam, verlor er in Indien, der Heimat des Buddha, durch wiederholte Invasionen von muslimischen Herrschern um das Jahr 1280 seinen Rückhalt. Wie Stephen Batchelor in seinem Buch »The awakening of the west« (1994) aufzeichnete, verlief die Rezeption des Buddhismus in Europa in kleinen Schritten. Bis auf wenige Kontakte durch Missionare tauchten die ersten philosophischen Interpretationen und Übersetzungen der Texte des Buddha erst im 18. und 19. Jahrhundert auf und erreichten ihren Höhepunkt im 20. Jahrhundert. Seit den 1960er Jahren gelang es dem Buddhismus, in manchen westlichen Ländern sogar zum kulturellen Mainstream zu werden. Dies wurde mithilfe vieler junger Menschen begünstigt, die auf ihrer spirituellen Suche durch Asien damit in Berührung kamen.

Obwohl die Grundlehren nach wie vor auf denselben Grundlagen basierten, entwickelte der Buddhismus in den jeweiligen Ländern einen Schwerpunkt und eine eigene besondere Note. Wie Josef Goldstein korrekt ausdrückte, gibt es nur »einen Dharma«, d. h. eine grundlegende Lehre des Buddha (Goldstein 2002). Zugleich flossen lokale ästhetische Ideale in die jeweilige buddhistische Kunst ein, die in einer Vielzahl von verschiedenen ästhetischen und künstlerischen Idealen zum Ausdruck kamen.

Ich habe es immer als ein enormes Privileg empfunden, verschiedene künstlerische Richtungen wahrnehmen zu dürfen. Ich wurde sehr durch den unterschiedlichen Ausdruck des Buddha und seine Lehren inspiriert, wie sie in verschiedenen asiatischen Ländern dargestellt werden. Ich liebe die Vielzahl der weißen Stupas, die mandala- und turmförmigen, zeremoniellen Aufschüttungen in Myanmar, die überall auftauchen und einen begrüßen, selbst in den entlegensten Dörfern.

Die ruhigen, ernsten, aber auch ausgeglichenen, länglichen Gesichter und Körper in der buddhistischen Kunst Thailands waren für mich immer direkte Erinnerungen daran, innezuhalten und nach innen zu schauen. Die Khmer-Kunst aus Kambodscha waren für mich die anrührendsten Stücke buddhistischer Kunst und drückten, durch das typische ruhige Lächeln der Statuen, Stille und Gelassenheit aus. Tibetische Kunst ist vermutlich die archetypischste buddhistische Tradition, mit einem reichen Ausdruck des gesamten Spektrums von inneren meditativen Zuständen der Psyche.

Die minimalistische Reduktion künstlerischen Ausdrucks in der Zen-Kunst Japans löst auf einer präverbalen Ebene jenseits von Worten schließlich eine Rückkehr zur unmittelbaren, direkten Erfahrung im Augenblick aus.

Die Suche nach buddhistischen Bildern in all diesen Ländern, auf denen Kinder abgebildet sind, ist oft frustrierend. Eine Ausnahme in der chinesischen Ikonographie ist der sogenannte »lachende Buddha«, der eigentlich nicht den historischen Buddha darstellt, sondern eine chinesische folkloristische Gottheit namens »Buddai«. Er wird häufig als dicker, kahlköpfiger Mann dargestellt, der eine Robe, eine Gebetskette und einen Beutel trägt. Oft zeigen die Bilder und Statuen, wie er fünf Kinder auf seinen Schultern und Armen trägt, die Freude, Glück und positive Energie ausdrücken.


Abb. 9: Stupas im Morgenlicht im ländlichen Myanmar. Stupas sind dreidimensionale buddhistische Kultbauten. Diese Stupas sind mit weißer und goldener Farbe gestrichen.

Es ist überraschend, dass es weder in Myanmar noch in vielen anderen buddhistischen Ländern kaum Bilder von dem Buddha als Baby, Kind oder Jugendlichen gibt. Diese Darstellungen von Kindern sind die absolute Ausnahme, im Gegensatz zum lebhaften Treiben von jungen Menschen in vielen buddhistischen Tempeln. Die Tempel werden von vielen Familien mit Kindern besucht. Die Kinder dürfen dort spielen, herumrennen und Spaß haben. Verkäufer bieten Süßigkeiten, Imbisse, Getränke, Blumen und Opfergaben an. Kinder lieben es, die Tempel zu besuchen, da sie sich dort frei bewegen können – ganz im Gegenteil zu den Kirchen in vielen westlichen Ländern.

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, den berühmten Borobudur-Tempel, ein überwältigender, mandalaförmiger Sakralbau aus dem neunten Jahrhundert in Java, Indonesien, zu besuchen. An kilometerlangen Friesen wurde das Leben des Buddha abgebildet. Ich wollte unbedingt die Reliefs von der Geburt und der frühen Kindheit des Buddha sehen. Immer wieder fragte ich mich beim Wachpersonal durch und umwandelte dieses Meisterwerk buddhistischer Kunst mehrfach im Uhrzeigersinn, wie es bei buddhistischen Bauwerken üblich ist. Ich sah viele perfekt erhaltene Abbilder des Buddha, der mich persönlich, wie viele Pilger über die Jahrhunderte, anzustrahlen schien. Am letzten Morgen fand ich schließlich diese wenigen Reliefs von Buddhas Geburt und Kindheit, die allerdings über Jahrhunderte hinweg berührt wurden und somit verschlissen waren. Es war rührend zu sehen, dass es nach langer Suche tatsächlich Bilder von Kindern gab. Allerdings war es die große Ausnahme!


Abb. 10: Borobudur-Tempel, Java, Indonesien. Eines der wenigen Reliefs vom Buddha als Kind, über die Jahrhunderte durch Pilger abgegriffen. Man kann rechts den Salbaum erkennen, an dem seine Mutter Maya sich bei seiner Geburt festhielt. Die Figur in der Mitte ist der Buddha als Baby, der sofort nach seiner Geburt laufen konnte. Unter seinen Füßen sprießen Lotusblüten, die unten erkennbar sind. Hier wird der Buddha als »göttliches Kind« abgebildet.

Ein Grund für die fehlende Darstellung von Kindern könnte die unterschiedliche historische Bedeutung von Kindheit in asiatischen Ländern vor 2 500 Jahren gewesen sein. Wie wir sehen werden, wurden Kinder erst ab dem Alter von 7–8 Jahren als so reif angesehen, dass sie als Novizen aufgenommen werden konnten. Wie ebenfalls später ausgeführt, spielt der Archetyp des göttlichen Kindes in der buddhistischen Kunst eine weniger bedeutsame Rolle als zum Beispiel im Christentum, in dem die Madonna mit Kind eine dominierende und berührende Ikonographie ist. Ein weiterer Grund könnte darin liegen, dass schwierige, dunkle, unreife Aspekte der menschlichen Entwicklung im reinen Buddhismus (mit der Ausnahme des tibetischen Buddhismus) vernachlässigt oder zumindest nicht in der Kunst dargestellt werden. In manchen Ländern hatte sich eine Parallelreligion gehalten oder entwickelt, um diese menschlichen Bedürfnisse zu erfüllen.

Der Mangel an Darstellungen der Kindheit des Buddha in der buddhistischen Ikonographie steht in deutlichem Kontrast, zum Beispiel zur burmesischen Schattenreligion, die parallel zur offiziellen buddhistischen Kultur besteht. Der Kontrast könnte nicht größer und das Wort Schatten nicht besser gewählt sein für die Welt der Nats, die mich von Anfang an fasziniert haben. Es schien mir, dass die buddhistische religiöse Praxis möglicherweise zu streng und geradlinig und die buddhistischen Ideale zu hoch waren für viele Menschen, sodass sie sich eine Parallelreligion mit eigenen Schreinen, Tempeln und Opferhäuschen schufen. Der Mittelpunkt der Anbetung der Nats findet sich um den Berg Popa, in Zentralmyanmar.

Aber was sind Nats?7 Sie sind Geister von verstorbenen Personen, die verehrt, gefürchtet und angebetet werden – in Séancen und schamanistischen Ritualen und Kulten. Die Nats bestehen aus einer Gruppe von 37 Figuren, manche von königlicher Abstammung, aber alle gekennzeichnet durch ein dunkles und gewalttätiges Leben. Viele starben eines unnatürlichen Todes: Manche wurden verbrannt, andere hingerichtet, manche starben vor Liebeskummer und Trauer, andere durch Unfälle, einige während der Entbindung, andere ertranken, weitere wurden von Schlangen gebissen und andere starben aufgrund einer Infektion. Alle hatten ein reiches Leben hinter sich, voll mit dramatischen Lebensereignissen, wie einer unglücklichen Liebe, Alkohol- und Drogenexzessen, Gewalt und Unfällen. Mir schienen die Mythen und Legenden dieser 37 ursprünglichen Nats die menschliche Faszination von Laster, Verbrechen, Liebe und Sex zu bündeln.

Als ich den Nat-Tempel in Popa besuchte, der allen Besuchern offensteht, lag diese morbide Faszination in der Luft. Der Raum des Tempels war mit Statuen bestückt, welche eine blasse Pigmentierung, dunkles Haar und dunkle Augen sowie hellrote, lächelnde Lippen besaßen. Sie waren in bunte Kleider und schöne Schals gehüllt. Blumen und andere Opfergaben wurden vor ihnen aufgestellt. Gespendete Geldscheine wurden zusammengerollt und in ihre Hände gelegt. Ein Nat, der anscheinend in seinem Leben alkoholabhängig gewesen war, saß auf einem Pferd. Rumflaschen waren um das Pferd herumgebunden und fanden sich in seinem Schoß.

Zu meiner Überraschung gab es auch Kinder-Nats. Zwei kleine Nat-Statuen stellten Kinder mit ihren schwarzen, zurückgezogenen und in Pferdeschwänzen gebundenen Haaren dar, wie sie zusammen kauerten. Sie hatten rosa Kleider und mehrere Schals in blau, orange und rosa an. Beide Mädchen hielten Blumengirlanden in ihren rechten Händen und auch bei ihnen waren zusammengerollte Geldscheine zwischen ihren Fingern zu sehen. Sie waren wahrhaftige göttliche Kinder im Sinne des Archetyps C. G. Jungs. Bei diesen Mädchen kam alles zusammen: Die Klarheit des Buddhismus und die dunkle Vitalität der Nats.


Abb. 11: Nats in einem Tempel beim Berg Popa, Myanmar. Nats sind Geister von Verstorbenen, üblicherweise nach einem schwierigen und problematischen Leben. Es gibt sogar Kinder-Nats, wie in diesem Bild dargestellt. Sie haben schwarzes Haar und sind geschmückt mit Schals und Blumen. Pilger spenden Geld, das zwischen die Finger geschoben wird. Nats stellen eine Art von Schattenkultur der dominanten buddhistischen Religion dar und werden in eigenen Schreinen und Gottesdiensten verehrt.

Nachdem wir in die Welt der Nats eingetaucht waren, stiegen wir die Treppen bis auf die Spitze des Bergs Popa auf, ein erloschener, einzelner Vulkankegel mit einem Tempel obendrauf. Auf dem Weg nach oben, begegnete man vielen weiteren Nat-Tempeln, die alle eine dunkle und morbide Faszination verströmten. Schließlich, auf dem Berggipfel, wurden wir von den bekannten Stupas und Statuen des Buddha begrüßt, angestrahlt durch die Sonne. Licht und Schatten waren so nah zusammen, aber das war nicht alles. Bei der Rückkehr zum Hotel wartete eine kitschige Miniaturlandschaft mit hellen Lichtern und Baumwollbüscheln als Schnee auf uns – es war eine christliche Krippenszene zu Weihnachten.

Buddhistische Kunst hat sich zur Mainstream-Kultur in vielen westlichen Ländern entwickelt. Bilder des Buddha empfangen einen in Hotellobbys, vor allem in sogenannten Wellness-Hotels, Saunen und Spas. In jedem Gartencenter werden Buddhafiguren in unterschiedlicher künstlerischer Qualität für den Garten angeboten.

Vor ein paar Jahren bin ich ausgerechnet in Las Vegas auf ein Schild gestoßen, das religiöses Dinieren (religious dining) und spirituelles Nachtleben (spiritual nightlife) ankündigte. Voller Neugier schaute ich mir die Räumlichkeiten an und wurde von Statuen des Buddha begrüßt, die trotz der Umgebung eine sehr positive Resonanz auslösten. Wie kann ausgerechnet ein Nachtklub spirituell sein? Ich überlegte mir, ob der Buddha gekränkt gewesen wäre, wenn er die Schilder gesehen hätte. Ich bin sicher, er hätte gelächelt. Zum einen, sind diese Bilder weder eine Repräsentation seiner Lehren, noch sind sie Ausdruck des historischen Buddha. Als ikonographische Repliken asiatischer Kunst, die innere Absorption und Frieden ausdrückten, können sie als Erinnerungen wirken, still, fokussiert und achtsam zu sein – selbst in einem lauten Nachtklub in Las Vegas.

Buddhismus und kindliche Spiritualität

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