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Der Westen

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Scheible (2013) analysierte den Zwiespalt, dem westlich orientierte buddhistische Eltern, die Kinder aufziehen, ausgesetzt sind und den schwierigen Konflikt zwischen den wahrgenommenen Idealen der Entsagung und den Ansprüchen des Familienlebens. Sie kommentiert kritisch die Rolle der Kinder im Buddhismus:

»Kinder selbst sind ikonisch problematisch in der buddhistischen Tradition. Sie sind sichtbare Erinnerungen an die grundlegenden Effekte von Ursache und Wirkung, sie verkörpern, implizieren und perpetuieren Samsara« (Scheible 2013, S. 430).

Das Ideal der persönlichen Entsagung in der Biografie des Buddha wird vor allem in seiner großen Abreise, dem Verlassen von Frau und neugeborenem Sohn, deutlich, wie wir gehört haben. Falls diese Art von Entsagung als Ideal übernommen wird, dann werden Kinder und das Familienleben als Hindernis einer tiefen Realisation gesehen:

»Auf Meditationsretreats und während Lehrreden werden Kinder gelegentlich erwähnt. Üblicherweise werden sie als tangentialer Lebensbereich des praktizierenden Laien gesehen, der in großzügiger Weise toleriert wird« (Scheible 2013, S. 435).

Auch die auf Erwachsene ausgerichteten Arten der Meditation, bei der man im Schweigen sitzt, steht, läuft und liegt, sind nicht sehr ansprechend für Kinder und Jugendliche. Sie sind unpassend oder einfach nicht »cool«.

Wenn ich zurückdenke an die Meditationszentren, die ich bisher besucht habe, gab es nur eines, in dem Kinder willkommen und natürlicherweise integriert waren. Ich genoss es zu sehen, aber insbesondere zu hören, wie Kinder im Garten spielten. Sie gehörten einfach hierher. Dies war einfach ein sehr kinderfreundliches Zentrum und drückte damit das Ideal von liebender Güte in einer sehr praktischen Art und Weise aus. Zurückblickend wünschte ich mir, dass ich den Aufgaben der Elternschaft mehr Zeit und Achtsamkeit gewidmet hätte, als meine eigenen Kinder noch sehr jung waren.

Es ist manchmal schwierig, die wertvollen Momente mit Kindern in einem randvollen Familien- und Arbeitsleben wahrzunehmen. Es ist eine große Leistung, wenn eine bewusste Elternschaft gelebt werden kann, wie es das Paar Kabat-Zinn (1997) in ihrem schönen Buch zur Kindererziehung ausdrückte:

»Die Herausforderung als Eltern ist es, unsere Augenblicke so voll wie möglich zu erleben, unseren eigenen Kurs so gut wie möglich zu verfolgen und vor allem unsere Kinder zu ernähren, wie auch in diesem Prozess selbst zu wachsen. Unsere Kinder und die Reise an sich geben uns dazu unendliche Gelegenheiten« (Kabat-Zinn und Kabat-Zinn 1997, S. 3).

Elternschaft ist eine wahre spirituelle Praxis, wie vom amerikanischen Psychologen und Meditationslehrer Jack Kornfield passend ausgedrückt:

»Elternschaft ist eine Arbeit der Liebe. Sie ist ein Weg des Dienens und der Unterordnung und wie die Praxis eines Buddha oder eines Bodhisattwas verlangt sie Geduld, Verständnis und unendliche Opfer. Sie ist auch eine Möglichkeit, wieder Anschluss an die Geheimnisse des Lebens zu gewinnen sowie an uns selbst. Junge Kinder verleihen dieses Gefühl von Mysterium und Geheimnis« (Kornfield 2012, S. 45).

Glücklicherweise ändern sich moderne westliche buddhistische Ansichten und betonen oft, dass »Kinder selbst, typischerweise nicht beabsichtigt, Dharmalehrer sind oder dass Elternschaft auf das Dharma zeigt oder es relevant macht« (Scheible 2013, S. 434). Diese Ansicht, dass Kinder inhärent spirituell und oft weiser sind als ihre Eltern, spiegelt den Schwerpunkt dieses Buches wider. Tatsächlich haben Kinder vieles, was sie Erwachsenen aufgrund ihrer großen Offenheit gegenüber Spiritualität zeigen können. Diese Ansicht wird von Jack Kornfield treffend ausgedrückt:

»Kinder geben uns die Möglichkeit, wach zu werden, uns, unser Leben und das Mysterium um uns herum mit einem Anfängergeist zu betrachten« (Kornfield 2012, S. 45).

Glücklicherweise werden neue Formate der Meditation für Kinder und Familien entwickelt, in dem das ansprechende Medium des Spiels eingebaut wird. Eline Snel (2013) hat zum Beispiel eine Auswahl von Achtsamkeitsübungen für Kinder zusammengestellt, die sehr viel Spaß machen. Andere Programme für Kinder umfassen das von Thich Nhat Hanh und Mitarbeitern (2013). Beide sind mit einer CD bestückt, die die Übungen mit Kindern erleichtern.

Eine weitere Form der Meditation, die Kinder, Jugendliche und Familien ansprechen, ist das sogenannte Dharma-Yatra, das jedes Jahr in Frankreich und zuletzt auch in Deutschland stattfindet. Dabei wird auf den Feldern gezeltet, an jedem Tag wird gelaufen und Kinder und Jugendliche leben in engem Kontakt mit der Natur. Sie erfahren das Dharma durch die Gemeinschaft. Der Fokus des Yatra, das wirklich Pilgerfahrt bedeutet, ist die Gehmeditation in Stille. In Reih und Glied folgt eine Person der anderen. Das Ziel ist es, nicht zu hetzen, sondern jeden einzelnen Schritt achtsam wahrzunehmen. Kinder geben das Tempo vor und laufen am Anfang dieser Menschenkette durch die Natur. Natürlich dürfen Kinder auch sprechen. Dieses Experiment, das mehrere Jahre mit Erfolg durchgeführt wird, zeigt, dass Meditation und die Lehren des Buddha nicht ernst und gedrückt sein müssen, sondern im Gegenteil befreiend und freudig sein können.


Abb. 16: Sitzmeditation in einer Meditationshalle spricht Kinder einfach nicht an –- und ist offensichtlich nicht »cool« für Jugendliche. Neue Formate werden gebraucht, wie das Dharma-Yatra (oder Pilgerfahrt) in Frankreich, eine Gehmeditation über mehrere Tage mit Kindern, Jugendlichen und Eltern. Auf diesem Bild sieht man, wie ein Kind die Gruppe anführt, die schweigend folgt.

Buddhismus und kindliche Spiritualität

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