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Kapitel 9

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Carter entledigte sich seiner blutigen Kleidung. Sein Rücken verfärbte sich, dort wo er auf den Boden geprallt war. Die Bandscheibenverletzung, die er sich im Himalaja zugezogen hatte, schickte Warnsignale durch seine Wirbelsäule. Er stellte sich unter die Dusche und drehte das heiße Wasser auf, versuchte dabei, die Nähte an seinem Bein nicht nass werden zu lassen.

Er dachte an Selena, wie sehr sie sich voneinander unterschieden. Es war schwer nachvollziehbar, wie so unterschiedliche Menschen zusammengefunden hatten. Familie zum Beispiel.

Seine Familie war eine Katastrophe, ein Beispiel für Dysfunktion wie aus dem Lehrbuch. Sein Vater war ein Alkoholiker und ein Bully. Seine Schwester war neurotisch, zornig und mit einem absoluten Arschloch verheiratet. Seine Mutter war der Fußabtreter des Vaters gewesen und jetzt hatte sie Alzheimer. Carter hatte nie viel Geld gehabt und neben der Schule immer schon gearbeitet.

Selena war von einem liebenden, wohlhabenden Onkel großgezogen worden. Sie war auf die besten Privatschulen gegangen, und als ihr Onkel starb, hat er ihr mehr Geld hinterlassen, als jemals irgendwer ausgeben könnte. Sein Tod hatte sie zum Project gebracht. Bildung, Geld, Hintergrund, Carter und Selena könnten genauso gut von unterschiedlichen Planeten stammen.

Er stieg aus der Dusche, trocknete sich ab, stellte den Wecker und legte sich hin. Er schlief ein.

Er träumte den Traum.

Wieder nähern sie sich über die Klippe, das Geräusch der Rotoren wird von den Talwänden zurückgeworfen, ein unnachgiebiger Rhythmus des Todes. Die Siedlung ist, wie sie immer ist, eine miserable Ansammlung von staubverwehten, niedrigen Gebäuden mit flachen Dächern, die umgeben von scharfkantigen, braunen Hügeln, in der unnachgiebigen Hitze braten. Eine breite Lehmstraße verläuft durch die Mitte.

Sein Team springt aus dem Hubschrauber und landet in vollem Lauf auf der Straße. Das M4 an seiner Wange, seine Marines hinter ihm. Rechts sind Häuser. Links sind weitere Häuser und der Markt. Nur ein Flickenteppich aus baufälligen Ständen und Wänden aus aufgehängtem Stoff. Eine Wolke von Fliegen umschwärmt Dinge, die in der freien Luft am Stand des Metzgers hängen.

Er führt sein Team am Markt vorbei. Er hält sich von den Wänden fern, um nicht durch eine Wand hindurch von einer Kugel getroffen zu werden. Er hört ein Baby schreien. Die Straße ist verlassen.

Ein Dutzend bärtiger Figuren erheben sich auf den Dächern, wie die Enten auf dem Schießstand eines Jahrmarktes, und beginnen, mit ihren AKs zu feuern. Die Marktstände zerbersten in einem Feuersturm aus Splittern, Putz und Steinen, die aus den umliegenden Hauswänden brechen.

Er geht in Deckung. Ein Kind rennt auf ihn zu, ruft dabei etwas über Allah. Carter zögert, eine Sekunde zu lang. Der Junge reißt seinen Arm zurück und schleudert die Granate, als Nick ihn erschießt. Er spürt den Rückstoß des M4. Eins, zwei, drei.

Die erste Kugel trifft die Brust des Jungen, die zweite seine Kehle, die dritte sein Gesicht. Der Kopf des Kindes zerplatzt in einer Fontäne aus Blut und Knochen. Die Granate gleitet in Zeitlupe durch die Luft … alles wird weiß …

Er wachte auf, rasendes Herz, schweißgebadet.

Gespenster. Eindrücke aus der Vergangenheit, seine ganz eigene, persönliche Zeitmaschine.

Er wartete auf die Dämmerung.

DIE LANZE (Project 2)

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