Читать книгу DIE LANZE (Project 2) - Alex Lukeman - Страница 7
Kapitel 1
ОглавлениеDer süße Duft von Jasmin-Ranken, die an der bröckelnden Wand des Mietshauses in der Altstadt von Damaskus emporkletterten, wehte durch ein geöffnetes Fenster. Ein Mann war mit einem Lötkolben über einen Holztisch gebeugt. Er wischte sich mit einem ausgefransten Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn, während er sich auf seine Aufgabe konzentrierte.
Ein anderer Mann saß auf einer eingefallenen Couch, die an eine der fleckigen gelben Wände geschoben war, und beobachtete ihn. Er trug einen dunklen Anzug mit europäischem Schnitt. Sein strahlend weißes Hemd war am Kragen geöffnet.
Der Mann auf der Couch hatte ein ausdrucksloses, unscheinbares Gesicht. Seine Züge waren glatt und ruhig, so als wäre das Leben nie wirklich an die Oberfläche gelangt. Es war heiß in dem Apartment, aber der Mann schwitzte nicht. Seine Augenbrauen waren über seinen farblosen Augen kaum wahrzunehmen. Seine Nase schien in der Unbestimmtheit seiner Züge zu verschwinden. Seine Lippen waren eine dünne unsichtbare Linie.
Der Mann am Tisch wurde Ibrahim genannt. Der Mann auf der Couch wurde der Besucher genannt, aber das wusste Ibrahim nicht. Es war besser so.
Die Bombe war fast fertig. Es war eine sehr gute Bombe, vielleicht die beste, die Ibrahim je gemacht hatte – und er hatte schon viele Bomben gebaut. Er war recht bekannt im Netzwerk der Terroristen. Wenn man etwas Ungewöhnliches wollte, zuverlässig und leicht zu verbergen, mit größtmöglicher Zerstörung, dann wendete man sich an den Syrer.
Jeder mit grundlegenden Elektronikkenntnissen konnte eine Selbstmordweste oder eine Straßenrand-Bombe bauen, aber nur wenige konnten tun, was Ibrahim tat. Das Ausmaß seines Könnens war leicht zu erkennen. Er besaß noch immer fast alle seiner Finger und beide seiner Augen, keine schlechte Leistung für einen alten Bombenbauer.
Er verlötete die letzte Verbindung, legte den Lötkolben zur Seite und erlaubte sich zu entspannen.
»Ist sie fertig?«
Der Mann im Anzug sprach arabisch, seine Stimme ruhig und angenehm. Er stand von der Couch auf und sah dem Bombenmacher über die Schulter. Ibrahim versuchte den Akzent zuzuordnen. Deutsch, möglicherweise.
Ibrahim nahm eine filterlose Zigarette aus einer zerknitterten gelben Packung, hielt sie zwischen nikotinverfärbten Fingern und zündete sie an. Der strenge Tabakrauch bildete eine blaue Wolke, als er ausatmete. Der Mann im Anzug verbarg sein Missfallen.
»Ja, fertig. Wenn Sie die Ladung platzieren, stellen und aktivieren Sie den Timer. Es gibt ein vierundzwanzig Stunden Zeitfenster.«
Ibrahim zeigte seinem Gast die Scharfschaltvorrichtung, die nicht größer als eine Damenarmbanduhr war. Ein roter Pfeil war auf die Umrandung des Ziffernblattes graviert. Auf dem Ziffernblatt waren Markierungen für vierundzwanzig Stunden. Ein zweiter, kleinerer Ring innerhalb des ersten war in zwölf Abschnitte zu je fünf Minuten unterteilt.
»Stellen Sie die Stunde ein, indem Sie den äußeren Ring im Uhrzeigersinn drehen. Dann drehen Sie den inneren Ring gegen den Uhrzeigersinn für die Feinjustierung. Sie können Ihre Auswahl zurücksetzen, bis Sie diesen Knopf drücken. Danach nicht mehr. Der Timer wird laufen, bis Ihre Einstellung erreicht ist. Die Bombe ist bis zum gewählten Zeitpunkt sicher. Dann … Boom.«
Der Besucher nickte.
»Geben Sie mir die Tasche.«
Der Besucher reichte Ibrahim einen Rucksack. Darauf stand in strahlend gelben Buchstaben über einem grün-gelben Widderkopf Colorado State University. Darin befanden sich Socken, zwei T-Shirts, ein bis zwei Teelöffel Sand, eine kurze Wanderhose, Postkarten, schmutzige Unterwäsche, ein Paar Dockers-Stiefel, eine Packung Kondome, Sandalen und eine Wasserflasche.
Außerdem waren da noch zwei Bücher. Das eine war ein beliebtes Taschenbuch, das Hostels und Restaurants in Israel auflistete. Das andere war ein gebundener Reiseführer zu den heiligen Stätten in Jerusalem.
Ibrahim öffnete den Reiseführer. Darin befand sich ein Hohlraum, um die Bombe zu verbergen. Das neue Gemisch, das sein Gast zur Verfügung gestellt hatte, war ein Wunder der Technik. Fünfzig Mal stärker als konventionelles Semtex oder C-4. Es hatte die Farbe von Sand oder altem, vergilbtem Kalkstein und konnte ganz nach Bedarf geformt werden. Es schien klein zu sein, aber die Explosionskraft war verheerend. Auch war es durch aktuelle Methoden nicht ausfindig zu machen. Nicht einmal die Hunde würden es wahrnehmen.
Das Buch war gut abgegriffen, wirkte unschuldig. Die Seiten verbargen eine Isolierung, die selbst vor einer Entdeckung durch anspruchsvollste elektronische Geräte schützte. Natürlich bestand immer eine Chance, trotzdem entdeckt zu werden. Die Juden und die Amerikaner waren gut im Kampf gegen den Terrorismus. Ibrahim nahm an, die Bombe war für einen der beiden gedacht.
Ibrahim interessierte es nicht, ob die Bombe erfolgreich war. Auch war im egal, wo oder wie die Bombe genutzt würde. Er wusste, sie war gut. Seine Arbeit war getan. Er platzierte die Bombe in dem Buch und fixierte die Seiten, so würde bei flüchtiger Betrachtung niemandem etwas auffallen. Er schlug das Buch zu und verstaute es im Rucksack.
Der eindringliche Klang des Gebetsrufes drang aus Lautsprechern vom Dach der Umayyaden-Moschee und hallte durch die Straßen der altertümlichen Stadt. Ibrahim würde zur Moschee gehen und seine Beziehung zu Gott auffrischen. Der andere konnte tun, was immer er wollte.
»Gut gemacht, mein Bruder.« Die Stimme seines Kunden war ruhig, tonlos. »Allah wird Sie im Jenseits entlohnen.«
»Da ist erst mal noch immer dieses Leben, oder? Sie haben die Bezahlung mitgebracht?«
»Natürlich. Ich habe sie hier.«
Der Besucher griff unter sein Jackett, holte eine 22er Ruger Automatik mit Schalldämpfer hervor und schoss Ibrahim in die Stirn. Der Mund des Bombenmachers formte ein stilles »Oh«. Seine Augen öffneten sich weit und rollten nach oben. Der Besucher feuerte eine weitere Kugel in das linke Ohr des Syrers, ein Flüstern so sanft wie der Atem eines Babys. Der Körper stürzte seitwärts vom Stuhl auf den Boden. Blut lief in einem Rinnsal auf das abgenutzte vernarbte Linoleum.
Der Besucher bückte sich und wischte einige Blutspritzer von der Spitze eines seiner glänzenden schwarzen Schuhe. Er nahm den Rucksack und verstaute ihn in einer Einkaufstasche aus Stoff. Er schaltete ein kleines Radio ein, das auf dem Tisch stand. Die rhythmischen Töne einer Oud und von Trommeln füllten den Raum mit Geräuschen voller Leben. Ibrahims Nachbarn würden noch für einige Zeit nichts bemerken.
Der Syrer war eine hilfreiche Unterstützung gewesen, aber jede mögliche Spur zu dem, was geschehen würde, alle losen Enden, mussten eliminiert werden. Ibrahim war ein loses Ende gewesen.
Die sogenannte Nation von Israel würde bald aufhören zu existieren. Alles, was es bedurfte, um diesen Prozess in Gang zu setzen, war diese eine kleine Bombe. Der Besucher schloss die Tür des Apartments hinter sich, stieg die Treppen hinunter zu der gepflasterten Gasse und pfiff dabei leise vor sich hin.