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Kapitel 12

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In einer abgeschiedenen Enklave außerhalb Washingtons saß der Großmeister des Rates hinter seinem Schreibtisch. Er atmete tief das berauschende Aroma des Louis XIII ein, das aus dem Cognacschwenker aus Kristallglas aufstieg.

Es wurde langsam dunkel. Die französischen Türen der Bibliothek standen offen. Es war warm, obwohl der Oktober schon fast vorbei war. Das Geräusch eines Springbrunnens war von irgendwo aus dem Garten hinter dem Haus zu hören. Die Bibliothek war mit Büchern gefüllt, viele auf Deutsch. Nietzsche, Heidegger, Marx, Engels, alle waren sie da. Sogar eine abgegriffene signierte Ausgabe von Mein Kampf.

In einer Ecke stand ein verglaster Waffenkasten mit Gewehren und Schrotflinten. An den Wänden hingen antike Drucke europäischer Jagdszenen. Friedrich Barbarossa, der Kaiser des Heiligen Römisch-Deutschen Reiches, schaute mit strengem Blick von einem Gemälde an der Wand hinter dem Schreibtisch.

Fotos des Großmeisters mit Kongressabgeordneten, führenden Geschäftsmännern und Präsidenten bedeckten eine Wand. Auf einem Foto stand ein blonder junger Mann in Talar und Doktorhut vor dem Eingang der Yale University. Neben ihm stand eine große, hagere Frau in blauem Kleid.

Der Boden der Bibliothek war mit dickem persischen Teppich bedeckt. Ein kastanienbraunes Chesterfield-Sofa und zwei dazu passende Sessel befanden sich in der Nähe der Türen zum Garten. In der hinteren Ecke stand eine antike Rüstung Wache.

Der Großmeister hatte die Art Gesicht, dem man vertraute. Niemand hätte seine wahren Gedanken erahnen können. Keiner hätte sie für möglich gehalten.

Sein verschlüsseltes Telefon klingelte.

»Ja?«

Die Stimme am anderen Ende sprach deutsch. Es war erhebend.

»Der Speer wurde gefunden!«

Der Großmeister verspürte einen Adrenalinstoß. Endlich! Mit der wiedergefundenen Lanze war der Erfolg gewiss.

»Sicher gestellt?«

»Noch nicht, aber eine Einheit wurde mobilisiert.«

»Wann werden sie eintreffen?«

Voraussichtliche Ankunftszeit in sechs Stunden. Weitertransport morgen Nachmittag.

»Ausgezeichnet. Berufen Sie eine Konferenz für morgen Abend um neun ein.«

»Zu Befehl.«

Der Großmeister legte das Telefon aus der Hand. Er konnte seine Aufregung kaum unter Kontrolle halten. Er ging zu dem Gemälde von Friedrich Barbarossa, schwang das Bild zur Seite und öffnete einen Safe. Er entnahm eine brüchige schwarze Ledermappe, mit einer goldenen Adler- und Hakenkreuz-Prägung. Die Mappe enthielt Reichsführer Heinrich Himmlers langfristigen Plan für nach dem Krieg.

PARSIFAL.

Der Großmeister kannte den Inhalt zwar auswendig, es inspirierte ihn aber jedes Mal, die Vision des Reichsführers zu lesen. Er öffnete die Mappe. Die Seiten waren verschmutzt und verfärbten sich braun. Die fein-säuberlichen Schriftreihen waren noch immer erkennbar. Er las für einige Augenblicke. Er legte die PARSIFAL-Dokumente beiseite und ließ seine Hand auf einem dünnen Heft ruhen. Das Deckblatt war mit Runen der alten germanischen Stämme beschriftet.


Sein Vater hatte zu Himmlers engsten Vertrauten gehört. Während seiner Kindheit und seiner gesamten frühen Jahre hat sein Vater ihn eingewiesen. Ihn auf den Tag vorbereitet, an dem er ihm die Mappe zeigte und ihm PARSIFAL offenbarte. Ihm vom Großen Rat erzählte. Dann hat er über das Ritual gesprochen, das Deutschland in den Anfängen des Krieges einen Erfolg nach dem anderen beschert hatte.

»Ich speiste mit Himmler und Heydrich in der Burg des Reichsführers – im Nordturm – zu Abend.« Sein Vater hatte geseufzt, in Erinnerung schwelgend an eine Zeit, in der das Hakenkreuz über drei Kontinenten wehte.

»Heydrich sagte, er hatte die Worte der Beschwörung niedergeschrieben. Himmler war Großmeister des Rates, aber dennoch war es immer Heydrich, der die Macht des Speers beschwor. Nachdem er '42 ermordet worden war, hatten sich die Dinge gegen uns gewandt.«

»Aber der Führer, Vater. Er hätte es doch sicher fortsetzen können, oder der Reichsführer.«

Sein Vater hatte voller Verachtung geschnaubt. »Der Führer! Am Anfang hatte er es verstanden. Er glaubte. Er hatte gelernt. Er tat, was notwendig war. Er befolgte das Ritual. Aber er wandte sich von den alten Bräuchen ab. Er vergaß, wo seine Macht herrührte, und verfing sich in der Illusion seines eigenen Willens. Diesen Fehler darfst du niemals begehen.

Himmler versuchte weiterzumachen, aber die Macht ist … schwer … zu kontrollieren. Sie reagiert nur, wenn alle Bedingungen perfekt sind. Der richtige Tag und die richtige Zeit. Die richtige Umgebung. Alles muss genau stimmen.«

Sein Vater hatte das Heft mit den Runen auf dem Cover hochgehalten. »Wir werden das gemeinsam studieren. Eines Tages werden wir den Speer wiedererlangen. An diesem Tag wird das Reich wiedergeboren werden. Sollte ich nicht mehr sein, wird es deine Aufgabe sein, diese Worte zu sprechen. Wenn deine Ehre rein ist und deine Treue wahrhaftig, dann wirst du bestehen.«

»Ja, Vater.«

Er hatte es nie vergessen.

Die letzten Phasen von PARSIFAL waren im Begriff, sich zu entfalteten. Es konnte kein Zufall sein, dass der heilige Speer gefunden worden war, als die von ihm in Bewegung gesetzten Kräfte endlich zusammenfanden. Es war ein Zeichen der Götter, ein Zeichen ihrer Gunst. Es war nur recht und billig, genau was ihm gebührte. Der Großmeister hob sein Glas in Richtung des Gemäldes von Barbarossa und lächelte.

DIE LANZE (Project 2)

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