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Kapitel 3

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Carter saß mit seinem Rücken zur Wand in einem Café in der Innenstadt, trank Espresso und beobachtete die Menschenmenge. Es war eine warme Nacht. Die Fußgängerzone in Jerusalem, wo King-George-, Ben-Yehuda- und Jaffa-Straße zusammentrafen, war überfüllt mit Menschen.

Für das jüdische Volk war Jerusalem das Zentrum der Welt. Hier würde der Messias eines Tages erscheinen. Es war der Ort, an dem Gott die Errichtung seines Tempels befohlen hatte. Jeder Stein, jeder Kiesel, jedes Staubkorn auf dem Tempelberg war heiliger Boden. Überall auf dieser Erde beteten fromme Juden für die Wiederherstellung des Tempels, der im Jahr 70 durch die Römer zerstört worden war.

Die wichtigsten Schreine des Christentums befanden sich hier. Das Grab Christi, der Raum des letzten Abendmahls, der Garten Gethsemane, in dem Jesus den Judas-Kuss erhielt. Der Ort, an dem Pontius Pilatus das Urteil verkündete. Der Ort der Kreuzigung. Jede christliche Konfession auf dieser Welt hatte eine Kirche oder einen Schrein irgendwo in der Altstadt.

Für Muslime war die al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg einer der heiligsten Orte des Islam. Die Moschee war auf den Felsendom ausgerichtet, wo sie glaubten, Mohammed sei auf einem geflügelten Pferd in den Himmel aufgestiegen, um Instruktionen von Gott zu erhalten. Die Muslime hatten im Krieg von 1967 Jerusalem an die Israelis verloren. Sie wollten es zurück.

Armeen kämpften seit dreitausend Jahren um Jerusalem. Die engen Straßen der Altstadt standen mehr als einmal knöcheltief im Blut. Und Carter ging davon aus, es würde wieder Blut in diesen Straßen fließen – es sei denn, es fand jemand einen Weg zum Frieden in der Region.

Er hatte geglaubt, all das hinter sich gelassen zu haben, als er die Marines verließ. Jetzt arbeitete er für das Project. Auch wenn er ein Zivilist war, wachte er immer noch in Kriegsgebieten auf. Er tat sein Bestes, nicht darüber nachzudenken. Einfach auf die Mission konzentrieren. Darum war er an einem perfekten Oktoberabend in Jerusalem. Irgendwer musste es tun.

Carter trank seinen Kaffee und beobachtete die Menge, verfolgte, las Gesichtsausdrücke, hielt Ausschau nach etwas Ungewöhnlichem. Seine Augen kamen nie zur Ruhe. Es war eine alte Angewohnheit von ihm, und es war der Grund, warum er noch am Leben war. Er ging nie davon aus, sicher zu sein, vertraute nie dem Anschein.

Eine junge Frau in einem roten Kleid spielte in der Nähe auf einem Akkordeon. Sie hatte lange dunkle Locken und lachte, während sie spielte. Eine kleine Gruppe lächelnder Menschen stand vor ihr und wippte im Takt der Musik mit den Füßen. Kinder rannten durch das Gedränge. Carter lächelte.

Die Nacht verschwand in einem brutalen weißen Licht.

Die Explosion schleuderte Nick zurück gegen die Wand und hinunter auf den Gehweg.

Alles wurde weiß. Er war zurück in Afghanistan. Er konnte den Staub riechen, die Schüsse der AKs und die Explosionen überall um ihn herum hören. Dann verblasste das Weiß. Der Flashback verblasste. Er konnte noch immer die Echos der AKs hören und den trockenen Staub der Straße riechen. Für einen Moment wusste er nicht, wo er war. Dann erinnerte er sich.

Eine schwarze Rauchwolke hing über zerrissenen Körpern, die sich über den rot verschmierten Platz breiteten. Eine platte, tote Stille füllte seine Ohren. Dann setzten die Schreie ein.

Ein schwerer Café-Tisch lag auf ihm. Er drückte ihn zur Seite und stand auf. Die Frau in dem roten Kleid lag zusammengefallen und zerfetzt in der Nähe, ihr Akkordeon zertrümmert und still.

Glasscherben und zerschlagene Möbel übersäten den Platz. Da war Blut an ihm, aber es war nicht seins. Carter machte einen Schritt und stolperte. Er sah hinab auf den Fuß eines Kindes in einem blauen Schuh. Es war nur ein kleiner Fuß. Ein Stück weißer Knochen ragte aus einer rosa Socke.

Er beugte sich vor und erbrach den Espresso in einem gelb-braunen Schwall. Der scharfe kupferne Gestank von Blut lag in der eigentlich klaren Nachtluft. Er richtete sich auf und wischte sich die Lippen ab. Aus dem Augenwinkel nahm er etwas wahr.

Ein Mann stand etwas abseits des Platzes. Er war von durchschnittlicher Größe, mit dicht zusammenliegenden dunklen Augen, schwarzen Haaren und einem schmalen schwarzen Schnurrbart. Er trug eine formlose braune Jacke, eine ausgebeulte braune Hose und ein schmutziges gelbes Hemd. Er sprach in ein Mobiltelefon.

Er lächelte.

Das Lächeln verschwand, als er bemerkte, dass Carter ihn anschaute. Er drehte sich um und ging davon, das Telefon noch immer am Ohr.

Wer lächelt in einem Schlachthof? Carter verfolgte ihn.

Braune Jacke beschleunigte seinen Gang. Er blickte zurück und bog in eine breite Gasse zwischen zwei Gebäuden ein. Nick wünschte, er hätte seine 45er. Die Israelis hatten ihm nicht erlaubt, sie zu tragen. Er fing an zu rennen. Rufe wurden hinter ihm laut, als er in die Gasse sprintete.

Die Gasse führte zwischen den Gebäuden hindurch zur nächsten Querstraße. Braune Jacke und zwei weitere standen auf halber Strecke. Am hinteren Ende der Passage wartete ein Mann in einem weißen Volvo mit laufendem Motor. Braune Jacke sagte etwas zu den zwei Männern und ging auf das Auto zu. Die anderen wandten sich zu Nick um.

Der größere Mann trug eine lockere blaue Jacke über einem schäbigen weißen Hemd und Jeans. Sein Kopf war kugelförmig und kahlrasiert. Sein Gesicht war widerlich, mit altem Narbengewebe über toten Augen. Seine Ohren waren wie zerknautschter Blumenkohl und seine Hände breite Knüppel, vernarbt und mit geschwollenen, gebrochenen Knöcheln. Ein Straßenkämpfer, ein Boxer.

Der andere Mann war der Anführer. Er war klein, sah düster und gemein aus, mit glänzenden, schielenden Augen, einem ungepflegten Bart und einem fiesen Lächeln, das Lücken zwischen seinen Zähnen zeigte. Die beiden trennten sich ein bis zwei Meter voneinander, Schielauge rechts von Nick, Boxer links. Stahl blitzte plötzlich in der Hand beider Männer.

Messer. Er hasste Messer.

Worte hallten in seinem Kopf.

Du hast zwei Möglichkeiten in einem Gassenkampf. Renne oder greife an. Wenn du angreifst und es mehr als einen Gegner gibt, schnapp dir den Anführer. Erledige immer zuerst den Anführer.

Er ging direkt auf sie zu. Nicht, was sie erwartet hatten. Dann sprintete er zu Schielauge und schrie aus voller Lunge, ein harscher Urschrei, der von den Wänden der Gasse hallte. Es ließ beide Männer innehalten, gerade lang genug.

Schielauge stürzte auf ihn zu, das Messer tief vor sich ausgestreckt, für einen klassischen Stich unter den Brustkorb, um Zwerchfell und Aorta zu durchstoßen. Carter ergriff sein Handgelenk und hebelte dann mit der linken Hand Schielauges Ellenbogen nach oben und außen, bis dieser brach. Den Schwung nutzte er, um ihn zur Seite zu schleudern. Mit einem seitlichen Tritt traf er Boxers Knie.

Dieses klappte in einem unmöglichen Winkel zur Seite. Es knirschte und brach. Ein tiefer, unverkennbarer Klang von furchtbarer Verletzung und unerträglichem Schmerz. Boxer schrie und hieb mit dem Messer nach Nick, während er zu Boden ging. Ein eisiger Schnitt öffnete sich auf Nicks Oberschenkel.

Boxer versuchte, sich aufzusetzen. Carter trat ihm gegen die Kehle. Er griff sich an den Hals und fiel röchelnd zurück. Seine Augen waren weit aufgerissen, während er versuchte, zu atmen. Am anderen Ende der Gasse stieg Braune Jacke in den Volvo. Das Auto fuhr davon, während er Nick noch einen Blick giftigen Hasses zuwarf.

Schielauge griff mit der linken Hand nach seinem Messer. Nick trat ihm mit aller Kraft gegen den Kopf. Der Tritt hätte ihn in die NFL bringen können. Am Eingang der Gasse erschienen zwei Cops mit gezogenen Waffen und riefen etwas. Carter hob seine Hände mit weit gespreizten Fingern.

Er vermutete, nun würde er herausfinden, wie ein israelisches Polizeirevier von innen aussah.

DIE LANZE (Project 2)

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